Next-Generation Antibody Isolation
Lumatix Biotech entwickelt lichtschaltbare Affinitätsmatrix zur effizienten und effektiven Isolierung von Antikörpern
Für den entscheidenden Prozessschritt, die Protein-A-vermittelte Chromatographie, gibt es nun eine technisch überlegene Alternative: Das Start-up Lumatix Biotech entwickelt eine fotoschaltbare Affinitätsmatrix zur Isolierung von Antikörpern. Mitgründer und Geschäftsführer Andreas Reichert erläutert die Technik und die Ziele des Start-ups.
CHEManager: Was hat Sie und Ihr Team dazu bewogen, ein Gründungsvorhaben im kompetitiven Bereich der Life Sciences zu starten?
Andreas Reichert: Wir drei Gründer haben in unserer Ausbildung sehr viel mit Proteinen gearbeitet, ihre Eigenschaften analysiert und uns mit dem oft frustrierenden Herstellungsprozess herumgeschlagen. Das prägt – vor allem das Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen dreidimensionaler Proteinstruktur und der individuellen Funktion. Theoretisch hätten einige Proteine einen enormen Mehrwert, wenn man ihre Funktion oder Eigenschaft modulieren könnte, ohne sie dabei zu zerstören. Von dieser Überlegung inspiriert, haben wir einen molekularen Schalter entwickelt, mit dem wir Proteine – und ihre Funktion – fotoschaltbar machen können. Beispielsweise lässt sich damit die Affinität eines Bindeproteins mit Licht ein- und ausschalten. Mittlerweile stellt diese Erweiterung des Funktionsumfang eines Proteins unsere Kernkompetenz dar. Die Spielwiese für diese Plattformtechnologie ist denkbar groß und hat uns dann im Mai 2021 zusätzlich zur Firmengründung motiviert.
Wie übersetzt Lumatix Biotech diese Technologie in ein kommerzielles Produkt?
A. Reichert: Bei der Suche nach einer geeigneten Proteinfunktion, deren Fotoschaltbarkeit einen Mehrwert generieren und einen bereits vorhandenen Markt adressieren kann, sind wir schnell auf antikörperbindende Protein gestoßen. Diese spezifische Interaktion zwischen Antikörper und Bindeprotein wird in der Forschung sowie Industrie intensiv genutzt. Wir sind nun in der Lage, die Affinität des Bindeproteins zum Antikörper durch das Einstrahlen von Licht unterschiedlicher Wellenlänge ein- und auszuschalten. Dieses modifizierte Bindeprotein stellt dann die Kernkomponente unserer fotoschaltbaren Affinitätsmatrix dar, mit der sich Antikörper auf völlig neuartige Weise isolieren lassen.
Warum besteht aus Ihrer Sicht in diesem Bereich noch Innovationsbedarf?
A. Reichert: Der Erfolg der Protein-A-Chromatographie als Prozessschritt bei der Antikörperproduktion erschließt sich aus der Selektivität für das Zielmolekül und der hohen Reinigungseffizienz. Diese vorteilhaften Eigenschaften sind allerdings teuer erkauft: Um den Antikörper nach dem Binden und Waschen wieder von der Matrix zu lösen, wird üblicherweise ein Puffer mit sehr niedrigem pH-Wert verwendet. Diese Elutionsbedingungen können durchaus als ‚harsch‘ bezeichnet werden und schädigen unter Umständen das wertvolle Zielprotein. Unsere fotoschaltbare Matrix benötigt keinen speziellen Elutionspuffer, wir betätigen lediglich einen Lichtschalter um den Antikörper von der Matrix zu lösen.
Welche Vorteile ergeben sich dadurch für den Anwender?
A. Reichert: Im Gegensatz zur „analogen“ Elution mit einem dedizierten Elutionspuffer ergeben sich für die „digitale“ Elution eine ganze Reihe von technischen und ökonomischen Vorteilen. Der gereinigte Antikörper kann in einem beliebigen Puffer eluiert werden, wodurch das Molekül geschont und die weitere Aufbereitung des Proteins verkürzt wird. Im größeren Maßstab spart der Anwender das Volumen des Elutionspuffers, Resourcen und die Tankkapazität ein, hinzu kommen deutlich kürzere Prozesszeiten. Der Zeitvorteil ist dabei nicht zu unterschätzen: Bei der puffervermittelten Elution muss die Chromatographiesäule zunächst vollständig mit dem entsprechenden Puffer durchströmt und anschließend wieder mit dem Bindepuffer äquilibriert werden. Diese Schritte entfallen bei der fotoschaltbaren Chromatographie und ermöglichen so auch einen kontinuierlichen Betrieb durch effiziente Multi-Column-Anwendungen. Die virtuelle Säulenkapazität kann dabei deutlich gesteigert und gleichzeitig die Größe der Anlage reduziert werden.
Wie wird Lumatix Biotech die Technologie weiterentwickeln?
A. Reichert: Die Isolierung von Antikörpern ist für uns zunächst die sinnvollste Anwendung für unsere Technologie, um einen qualitativen Mehrwert zu schaffen. Darüber hinaus möchten wir unsere Plattformtechnologie aber auch auf andere Anwendungen ausdehnen. Dafür stehen wir Kooperationen mit Partnern offen gegenüber und freuen uns, künftig mit unserer proprietären Technologie spannende Proteine fotoschaltbar zu machen.
ZUR PERSON
Andreas Reichert hat an der TU München Molekulare Biotechnologie studiert und sich dabei im Bereich des Protein Engineering spezialisiert. Schon während der Promotion glückte die Bewerbung um ein EXIST-gefördertes Ausgründungsvorhaben mit der Idee der fotoschaltbaren Affinitätsmatrix. Als Projektleiter des EXIST-Projekts führte er das Team bis zur Gründung von Lumatix Biotech im Mai 2021. Seitdem ist er Geschäftsführer des Biotech-Start-ups und arbeitet zusammen mit seinen beiden Mitgründern Fabian Rodewald und Christopher Graf an der Realisierung und Kommerzialisierung fotoschaltbarer Proteine.
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Business Idea
Mit Lichtgeschwindkeit...
Biotechnologisch hergestellte Antikörper werden in großem Umfang in der Therapie schwerer Krankheiten oder in der molekularen Diagnostik eingesetzt. Jedoch ist die Herstellung von Antikörpern ein technologisch anspruchsvoller sowie kostenintensiver Prozess. Die Produktionskosten werden im Wesentlichen durch aufwändige Isolierungs- und Reinigungsverfahren verursacht.
Lumatix Biotech entwickelt eine fotoschaltbare Affinitätsmatrix, mit der Antikörper oder Antikörperderivate isoliert und gereinigt werden können. Dazu wird ein Rohextrakt, der neben den zu entfernenden Verunreinigungen das Zielmolekül enthält, über eine Chromatographiesäule von Lumatix gepumpt. Da die Säule durch das Einstrahlen von Licht gesteuert wird, befindet sie sich in einer speziellen Beleuchtungsapparatur. Das Zielmolekül adsorbiert an der im Bindemodus befindlichen Matrix, sodass Verunreinigungen weggewaschen werden können. Der gereinigte Antikörper wird nun durch die Änderung der Wellenlänge des eingestrahlten Lichts von der Matrix gelöst und verlässt in einem beliebigen Puffer die Säule.
Lumatix Biotech wird interessierten Kunden die nötige Beleuchtungsapparatur sowie Chromatogrpahiesäulen in verschiedenen Formaten anbieten. Das System lässt sich in die üblicherweise verwendeten Laborgeräte zur Chromatographie von Proteinen integrieren. Die Vorgehensweise bei der Reinigungsprozedur ähnelt konventionellen Isolationsmethoden und ist daher einfach durchzuführen. Zunächst wird die Technologie im Labormaßstab dimensioniert und innovationsfreudigen Kollegen angeboten. Erklärtes Ziel von Lumatix Biotech ist es allerdings, die fotoschaltbare Chromatographie in den Prozessmaßstab zu skalieren, um hier einen deutlichen Mehrwert für die Produktion von Antikörpern zu generieren. Einsparpotential besteht vor allem bei der Produktion von pharmazeutischen Antikörpern, deren enorme Herstellungskosten sich auch in den Preisen und den Gesundheitskosten widerspiegeln.
Schon jetzt besitzt das Gründerteam die Kompetenz und alle nötigen Ressourcen, um die Herstellung der Produkte aus eigener Hand zu leisten. Auf die Markteinführung erster Produkte wird fieberhaft hingearbeitet. Darüber hinaus ist Lumatix Biotech offen für Kooperationen, in denen interessante Proteine durch die innovative Technologie fotoschaltbar gemacht werden.
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Elevator Pitch
… in die Zukunft!
Lumatix Biotech wurde im Mai 2021 aus einem erfolgreichen EXIST-Forschungstransferprojekt an der Technischen Universität München (TUM) heraus gegründet. Mit Sitz auf dem Forschungscampus Garching bei München ist das junge Biotech-Unternehmen perfekt in das Universitätsumfeld und den Business-Campus integriert. Erste Büro- und Laborflächen wurden im Start-up-Inkubator GATE (Garchinger Technologie- und Gründerzentrum) bezogen. Von hier aus wird die Entwicklung einer innovativen Isolationsmethode für Antikörper vorangetrieben und die Markteinführung vorbereitet.
Das Team, bestehend aus den vier Naturwissenschaftlern Andreas Reichert, Fabian Rodewald, Christopher Graf und Ingmar Polte vereint umfangreiche Fachkompetenz in den Bereichen organische Chemie und Protein Biochemie, aber auch in Elektrotechnik, Optik sowie Anlagen- und Apparatebau. In den vergangenen vier Jahren hat das Team bewiesen, dass es quasi Unmögliches möglich machen kann, und arbeitet mit großer Motivation an der Realisierung der fotoschaltbaren Affinitätsmatrix für Antikörper.
Das Konzept der lichtschaltbaren Affinitätschromatographie für Antikörper sorgte in Gesprächen mit Vertretern aus der Forschung sowie der Industrie schon häufig für Faszination und großes Interesse. Die Idee wurde bereits 2018 im Rahmen des Science4Life-Venture-Cup-Events prämiert und rangiert in diesem Jahr unter den zehn Finalisten des Achema-Gründerpreises. Zu den Förderern des Start-ups gehören neben der TUM das Bundeswirtschaftsministerium mit dem EXIST-Programm und dem bayerische Förderprogramm zur Unterstützung des leichteren Übergangs in eine Gründerexistenz (FLÜGGE) sowie der Europäische Sozialfonds (ESF).
Meilensteine
2018
- Start des Projekts an der TUM gefördert durch EXIST-Forschungstransfer (BMWi)
- Gewinner der Ideenphase des Science-4Life-Venture-Cup
2021
- Gründung der Lumatix Biotech GmbH
- Bezug erster Büroräume im GATE Garching
2022
- Erweiterung des Teams und der Laborräume
- Finalist Achema-Gründerpreis
Roadmap
2022
- Pilotprojekte mit ersten Kunden
2023
- Markteinführung der Technologie zur Antikörperisolierung
Kontakt
Lumatix Biotech
Lichtenbergstr. 8
85748 Garching
Deutschland
+49 89 212310-601
+49 89 212310-629