Metallisierung jenseits von Nanopartikel-Tinten
OrelTech entwickelt neuartige Technologie zur kosten- und ressourcensparenden Herstellung leitfähiger Schichten aus Edelmetallen
OrelTechs leitfähige Tinten und Lösungen werden in nur zwei einfachen Schritten verarbeitet: Auftrag und Aushärtung. Der Auftrag kann über Aerosolspray, Tauchbad oder mit Inkjet-Druckern erfolgen, die Aushärtung erfolgt über eine kalte Plasmatechnologie. OrelTech will in den kommenden Jahren vom Innovations- und Gründerzentrum Berlin-Adlershof aus gleich mehrere Massenmärkte erschließen. CHEManager befragte dazu Natalia Zamoshchik, Mitgründerin und COO des Unternehmens.
CHEManager: Wie begann die Geschichte von OrelTech, wer hatte die zündende Idee?
Natalia Zamoshchik: Für meine Promotion in Chemie habe ich im Anwendungsbereich der gedruckten Elektronik basierend auf organischen Materialien geforscht. Mir erschien die gängige Praxis widersinnig, dass man einen riesengroßen Aufwand betreibt, um neue Materialien für das präzise Drucken möglichst vieler Schichten zu finden, danach aber mit Vacuum Deposition einfach Metall darüber bläst und es bei hohen Temperaturen fixiert. Also habe ich nach alternativen Verfahren gesucht, und das vielversprechendste waren Nanopartikel-Metalltinten. Diese haben aber zwei große ungelöste Probleme: Die geringe chemische Variabilität dieser Kolloide und die recht hohen Temperaturen, um sie zu fixieren. Nach einer Weile kam ich dann darauf, die Tinten als Lösung herzustellen und Plasmagas zur Fixierung zu nutzen. Das war der Durchbruch.
Worin bestehen die Vorteile von OrelTechs Oberflächenbeschichtungstechnologie gegenüber herkömmlichen Prozessen?
N. Zamoshchik: Unsere Technologie ist einfach sowie materialeffizienter und umweltfreundlicher als herkömmliche Prozesse. Ein großer Vorteil ist die Energieeffizienz unseres Plasma-Aushärtungsverfahrens – das wird ja gerade ein ganz wichtiges Thema. Zudem wird auch die Verringerung oder Vermeidung toxischer Chemikalien in Produktionsprozessen immer wichtiger. Hier hat unser Verfahren bei der Vereinfachung von Galvanisierungsverfahren großes Potenzial. Mithilfe unserer Technologie können herkömmliche und biobasierte Kunststoffe, Papier, Textilien, Metalle und viele weitere Materialien mit unseren Edelmetalllösungen direkt metallisiert beziehungsweise bedruckt werden, ohne dass flüssige oder feste Abfälle anfallen.
„Unsere Plasma-Technologie ist einfach sowie
kosteneffizienter und umweltfreundlicher
als herkömmliche Prozesse.“
Denn durch das Trocknen im Plasma werden die metallorganischen Komplexe der Metallisierungstinte zersetzt, das heißt, die Lösemittel verdampfen und man erhält sehr dünne Metallschichten mit entsprechender Funktionalität auf dem gewünschten Substrat. Dadurch lassen sich teure Edelmetalle ressourcensparend einsetzen. Derzeit ist dies mit Silber, Gold, Platin und Palladium möglich; weitere Metalle sind in der Entwicklung. Unsere Gold- und Platinlösungen zeigen in Tests, die denen einer ISO 10993-Zertifizierung entsprechen, sehr niedrige Toxizitätswerte. Damit sind unsere Gold- und Platinbeschichtungen für Medizintechnikanwendungen wie zum Beispiel Biosensoren und tragbare Sensoren geeignet.
Wo stehen Sie derzeit bei der Entwicklung der Technologie und des Unternehmens?
N. Zamoshchik: Die Technologie als solche ist komplett einsatzfähig. Die konkreten Anwendungen für einzelne Kunden bedürfen üblicherweise einiger Tests und Optimierungen. Das ist ein ganz normaler Prozess, den wir als Unternehmen intensiv begleiten. Wir liefern Tinten erst in größeren Mengen aus, wenn sie optimal zur Anwendung passen. Mit dem Unternehmen passieren wir gerade wichtige Entwicklungsschritte hin zu standardisierten Abläufen und Qualitätssicherung. Wir machen das bewusst etwas zu früh, um auf das absehbare Wachstum vorbereitet zu sein.
Gab es nach der Gründung Hürden zu überwinden? Wo fanden Sie Unterstützung?
N. Zamoshchik: Ein Unternehmen aus der akademischen Forschung zu gründen und dieses in der Industrie zu etablieren ist stets eine Herausforderung. 2018 haben mein Mitgründer Konstantin Livanov und ich uns entschieden, mit OrelTech von Israel in die Start-up-Metropole Berlin umzusiedeln, die viele besondere Standortqualitäten sowie Entwicklungschancen für OrelTech bietet.
„Ein Unternehmen aus der akademischen Forschung zu gründen
und dieses in die Industrie zu etablieren
ist stets eine Herausforderung.“
Das stimmt bis heute so. Aber wer etablierte Prozesse in großen Industrien verändern will, sollte Ausdauer und Disziplin mitbringen. Dabei unterstützen uns unsere Partnernetzwerke, wie Innovation Network For Advanced Materials – INAM, OES – Organic Electronics Saxony und Berlin-Partner, sowie unsere Ankerinvestoren, die uns immer begleitend zur Seite stehen.
Was sind die nächsten Pläne zur Entwicklung des Unternehmens?
N. Zamoshchik: Natürlich entwickeln wir unsere Technologie kontinuierlich weiter. Dazu gehören immer weitreichendere Qualifizierungen unserer Liquide und Auftragsverfahren. Aber auch zu neuen Metallen gibt es Vorstudien. Auf der Business-Seite wird eine Finanzierungsrunde innerhalb der nächsten ein bis eineinhalb Jahre den Grundstein für weiteres Wachstum und Skalierung legen. Es wird voraussichtlich auch die erste Runde, bei der wir ein breiteres Feld von neuen Investoren ansprechen.
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ZUR PERSON
Natalia Zamoshchik (Mitbegründerin und COO) studierte Chemie an der Universität von Jerusalem, Israel, wo sie 2012 am Weizmann-Institut promovierte. Während einer Postdoc-Anstellung entwickelte die Forscherin und Innovatorin die Idee für ein Verfahren, das heute die Grundlage für die Technologie von OrelTech ist.
Business Idea
Kaltes Plasmaverfahren
Herkömmliche Metallisierungsverfahren geschehen meistens bei sehr hohen Temperaturen (z. B. in der Elektronik) und/ oder benötigen giftige Chemikalien (z. B. Galvanik). Darüber hinaus ist der Materialpreis ein großes Problem, da der Preis der Elektroden oftmals bis zu 80 % des Gesamtpreises der Elektronik ausmacht.
Die OrelTech-Technologie adressiert beide Probleme und ermöglicht einen kosteneffizienten Weg, um Elektroniken zu produzieren. Das Team des Start-ups hat eine neue Technologie entwickelt, um metallische Schichten auf Oberflächen aufzutragen. Mit der patentierten Oberflächenbeschichtungstechnologie gelingt die Herstellung von Elektroden, katalytischen und leitfähigen Oberflächen im Vergleich zu den derzeit gebräuchlichen Verfahren materialeffizienter und umweltfreundlicher.
Im Gegensatz zu anderen leitfähigen Tinten basieren die edelmetallhaltigen OTech-Tinten nicht auf Nanopartikeln, sondern sind ionische Lösungen. Bei deren Aushärtung in kaltem Plasma (ionisiertes Argongas) wachsen Metallkristalle direkt auf dem Trägermaterial heran. Dadurch können sehr dünne Schichten schon ab ca. 30 nm aufgebrachtwerden, was bei gleichem Materialansatz zu höherer Leitfähigkeit und Flexibilität führt und, falls gewünscht, sogar Transparenz ermöglicht.
Die Aushärtung mit Plasma ist unproblematisch. Plasmakammern sowie atmosphärisches Plasma werden bereits in vielen Fertigungsprozessen eingesetzt (z. B. zur Reinigung von Wafern und Glassubstraten) und sind generell einfach zu bedienen, was die Hürde für die Einführung dieser neuartigen partikelfreien Tinte verringert.
Durch die vergleichsweise kurze Aushärtungs-/Sinter-/Metallisierungszeit und die moderate Temperatur (< 70 °C) eignen sich OTech-Tinten auch für hochvolumige Rolle-zu-Rolle-(R2R)-Fertigungen, bspw. von Foliensensoren. Partikelfreie Tinten eignen sich generell sehr gut für die Verarbeitung im Inkjet- und anderen digitalen Druckverfahren wie dem Aerosol-Jet-Druck, da keine Partikel die engen Düsen verstopfen können.
Für das galvanische Beschichten von Kunststoffen mit Metall, im englischen Plating on plastics, ist die OrelTech-Technologie interessant, da damit Palladium als erste leitfähige Schicht sehr dünn und umweltschonend aufgebracht werden kann.
Elevator Pitch
Meilensteine und Roadmap
OrelTech wurde 2014 in Rehovot, Israel, von Natalia Zamoshchik und Konstantin Livanov gegründet und siedelte 2018 nach Berlin um, wo das Start-up im Innovations- und Gründerzentrum Berlin-Adlershof seine Technologie und seine Produkte weiterentwickelt. Das junge Unternehmen stellt nanopartikelfreie leitfähige Tinten her, die durch einen Plasmaprozess metallisiert werden und durch Inkjet-, Aerosol- und andere Druckverfahren verarbeitet werden können.
Das erste Geschäftsfeld der OTech-Tinten adressiert insbesondere Anwendungen in der gedruckten Elektronik und soll weiter organisch wachsen. Daneben entwickelt das Team derzeit eine neue Produktlinie: die OrelTech Plating Solutions für die Metalle Palladium und Platin. Damit soll die Technologie in eine weitere Industrie, nämlich die Kunststoffgalvanik, zur Beschichtung von Substraten aus Materialien wie ABS, PLA, PET, PEEK etc. eingeführt werden (Plating on Plastics).
Meilensteine
2015
- Gründung von OrelTech in Rehovot, Israel
2017
- Gewinner bei der Advanced Materials Competition vom Innovation Network for Advanced Materials (INAM) in Berlin
2018
- Gründung der OrelTech GmbH als operative Muttergesellschaft
- Umsiedlung in das Innovations- und Gründerzentrum Berlin-Adlershof
2019
- Patent für transparente Elektrode eingereicht
- Prototyping von transparenten und großflächigen flexiblen Elektroden, 3D-Kunststoffbeschichtung
2020
- Investition durch Ankerinvestor Hüttenes hoch 3
- Nominierung für den Innovationspreis Berlin Brandenburg
2021
- Prototyp einer flexiblen OLED aus OrelTech’s Silbertinte
- Teilnahme am Heraeus Accelerator Programm
Roadmap
2022
- Einführung von OTech Palladium und OTech Plating Solutions (Platin, Palladium, Silber)
2023
- Finanzierungsrunde (voraussichtlich im 1. Halbjahr)
- Skalierung der Produktion zur Unterstützung des weiteren organischen Wachstums