Forschung & Innovation

Mehr als nur ein Material

Tide Ocean sammelt und recycelt Plastikmüll, um nachhaltige Qualitätsprodukte herzustellen

12.06.2024 -

Das Geschäftsmodell von Tide Ocean (#tide): Sammeln und Recyceln von Plastikabfällen aus Küstengebieten, um nachhaltige Qualitätsprodukte aus Kunststoff herzustellen. Die Idee dazu stammt von Thomas Schori, der in 2. Generation ein Familienunternehmen leitet, das Uhrenarmbänder herstellt. Gemeinsam mit Marc Krebs gründete er 2019 #tide mit der Mission, dem Plastikmüll einen Wert zu geben, indem er in den Kreislauf zurückgeführt wird. CHEManager befragte Gründer Thomas Schori über die Erfahrungen aus den Anfangsjahren und die weiteren Pläne.

CHEManager: Die Bekämpfung der Plastikverschmutzung ist ein drängendes globales Problem, dessen sich Tide Ocean annimmt. Wie begann die Firmengeschichte?

Thomas Schori: Wir kennen inzwischen alle Bilder von Müllbergen am Strand oder Schildkröten, die sich in einem Plastiksack verfangen haben. Als Familienvater und Unternehmer habe ich mich gefragt, wie ich zur Lösung dieses Problems beitragen könnte. Zusammen mit meinem Bruder führe ich ein Unternehmen, das die Uhrenbranche beliefert. Es lag nahe, hier anzusetzen. Also versuchte ich, meeresgebundenes Plastik in Uhrenbänder zu verarbeiten. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung der Ostschweizer Fachhochschule – IWK OST – ist uns dies gelungen.

Inzwischen wird das recycelte Material für die Herstellung von mehr als 60 Markenprodukten verwendet. War Ihre Geschäftsidee von Anfang an darauf ausgelegt oder wurden Sie von der Nachfrage überrascht?

T. Schori: Es ging tatsächlich recht schnell. Kaum hatten wir den ­Proof of Concept, schalteten wir eine Website auf, präsentierten unseren zirkulären Ansatz und das Potenzial: Die Rezyklate können zu Fäden gesponnen, geblasen, extrudiert oder auf andere Weise in die gewünschte Form gebracht werden. Dadurch erhielten wir rasch Anfragen von Firmen aus anderen Branchen als Uhren und Mode, etwa von Herstellern in der Verpackungs-, Möbel-, DIY- oder Elektronikindustrie. Uns wurde klar: Wir treffen einen Nerv – und unser Lösungsansatz ist für zahlreiche Branchen interessant. So entschieden wir, aus dem Nebenprojekt eine eigenständige Aktiengesellschaft zu machen. Ein Start-up ist selbst auch nur nachhaltig, wenn es mit seiner innovativen Idee bestehen kann. Wir glauben daran, dass wir das schaffen. 

 

„Wir setzen auf zielorientiertes Compounding: ausgehend vom Endprodukt, helfen wir unseren Kunden, das gewünschte Ziel mit Rezyklaten ohne qualitative Einbußen zu erreichen.“



Wie bewerkstelligen Sie die Logistik des Sammelns und Trennens der Kunststoffabfälle vor Ort, und wie die Skalierung der Rezy­klatherstellung?

T. Schori: Wir arbeiten mit sorgfältig ausgewählten, lokal gut verankerten Impact-Partnern. Oft sind dies Sozialunternehmen oder Non-Profit-Organisationen. Über deren Netzwerke können wir rasch auf einen großen Pool an Menschen zugreifen, die für uns Plastikabfälle einsammeln. Gleichzeitig ermöglichen wir zusammen mit unseren Partnern weitere Projekte, um die Lebensrealität der von der Plastikverschmutzung am meisten betroffenen Communities weiter zu verbessern. Ein Projekt in Thailand etwa wird vom WWF unterstützt und ermöglicht den Bau von Waste Hubs oder die Durchführung von Schulworkshops, in denen wir Wissen über Verschmutzungsprobleme und effektive Lösungen vermitteln. Für die Verarbeitung des Plastiks suchen wir Lieferkettenpartner, die unsere ethischen und technischen Anforderungen erfüllen. Wir bauen regionale Hubs auf, um das Material möglichst nahe an der Quelle zu verarbeiten. So bleiben wir effizient, reduzieren die Transportwege und damit auch den Ausstoß von Treibhausgasen.

In Europa soll die Gesetzgebung weiter verschärft werden. Aber liegt das eigentliche Plastikpro­blem nicht viel mehr auf anderen Kontinenten?

T. Schori: Es stimmt, das Problem der Plastikverschmutzung ist in vielen asiatischen oder afrikanischen Ländern besonders sichtbar. Aber es handelt sich um ein globales Pro­blem, das eine globale Lösung erfordert. Weltweit werden nur 10 % des jährlich anfallenden Plastiks rezy­kliert. Es braucht ein Umdenken im Umgang mit Kunststoffen, die Kreislaufwirtschaft ist ein Lösungsansatz. Angetrieben von strengeren Gesetzen braucht es auch smartes Produktdesign und signifikante Investitionen in eine tragfähige Retourlogistik und Recyclinginfrastruktur.


Sie sind mit Ihrer Idee nicht allein, mittlerweile gibt es zahlreiche Unternehmen, die ähnlich agieren. Was ist das Besondere an Ihrem Geschäftsmodell und was ist Ihre Vision für Tide Ocean?

T. Schori: Wir bieten nicht nur eine unerreicht hohe und vor allem konstante Materialqualität, sondern auch das technische Know-how, um unsere Kunden in der Produktentwicklung von A bis Z zu unterstützen. Wir setzen auf zielorientiertes Compounding: ausgehend vom Endprodukt, helfen wir unseren Kunden, das gewünschte Ziel mit Rezyklaten ohne qualitative Einbußen zu erreichen. Zudem bieten wir als Impact-Business eine glaubwürdige, transparente und nachvollziehbare Story. Jeder unserer Kunden leistet einen wesentlichen und benennbaren Beitrag zur Lösung der Plastikverschmutzung. Aufbauend auf den beiden Werten Qualität und Glaubwürdigkeit und mit unserem Netzwerk, das sich über mehrere Kontinente erstreckt, wollen wir #tide zum weltweit führenden Label für ethisches Plastik aufbauen.

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Zur Person

Thomas Schori ist geborener Unternehmer. Zusammen mit seinem Bruder führt er in zweiter Generation ein Familienunternehmen. Die Braloba Group beliefert die globale Uhrenbranche mit Armbändern aus Leder, Gummi und verschiedenen alternativen, veganen und nachhaltigen Kunststoffen. Aus einer Projektidee ging 2019 Tide Ocean als eigenständige Gesellschaft hervor, die längst nicht nur die Uhrenbranche beliefert.

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  CM   Business Idea

 

Material mit Impact und Qualität

Am Anfang stand die Idee, Meeresplastik in Uhrenbänder zu verwandeln, heute werden Rezyklate von Tide Ocean in zahlreichen weiteren Industrien verwendet: Verpackungen für Waschmittel oder Kosmetik, Brillengestelle, Seile und Kordeln, Gehäuse für elektronische Geräte, Bauteile für die Automobilindustrie, Sportböden und Textilien für den Wohnbereich wie Teppiche und Polsterbezüge.
Das Geschäftsmodell beruht auf einem simplen Prinzip: #tide gibt Abfall einen Wert und schließt dabei alle entlang der Wertschöpfungskette ein: Die Umwelt, die betroffenen Küstenbewohner, die Hersteller und Marken wie auch die Konsumenten. So entsteht für Mensch und Natur spürbarer und relevanter Impact.
Ganz am Anfang stehen die Fischer und Küstenbewohner, die das Plastik einsammeln. Das Start-up fokussiert sich auf Südostasien (Thailand, Philippinen und Indonesien) sowie Mexiko, verfolgt aber mittelfristig den Plan, auch nach Afrika zu expandieren. Das Material wird manuell sortiert und für die industrielle Weiterverarbeitung vorbereitet. Auch dieser Schritt geschieht unter Beteiligung der lokalen Community, es werden Menschen ausgebildet und Jobs geschaffen.
Danach wird das Material über ein Netzwerk an Lizenzpartnern unter strenger Qualitätskontrolle zu hochwertigen Kunststoffgranulaten verarbeitet. Aktuell bietet #tide Rezyklate der Kunststofftypen PET, PP, HDPE, LDPE und PA6 sowie Garne, Textilien und Filamente für den 3D-Druck an.
Daneben hat #tide ein Impact-Programm initiiert, die ‚Road to 1 Billion Bottles‘. Über dieses Programm können Unternehmen Teil der Lösung werden und dabei helfen, noch mehr Plastik einzusammeln. Sie unterstützen das Schweizer Start-up etwa dabei, auf abgelegenen Inseln Lagerhäuser zu errichten, so dass diese Abfälle witterungsgeschützt aufbewahrt werden können. Es werden Boots­transporte ermöglicht oder über Schulworkshops Wissen über den sachgerechten Umgang mit Plastik­abfällen vermittelt.
In Mexiko wird neben regelmäßigen Beach Clean-ups über das Impact-Programm zudem eine Forschungsstation für Meeresschildkröten unterstützt. In der Nistsaison von April bis November überwachen Feldforscher permanent mehrere Strandabschnitte, zählen die Nester und dokumentieren die Nisterfolge und Überlebensraten der verschiedenen Schildkrötenspezies.

Tide Ocean SA, Lengnau, Schweiz
www.tide.earth

Logo


 

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 CM   Elevator Pitch

 

Label für nachhaltiges Plastik

Gegründet im Herbst 2019, hat sich Tide Ocean (#tide) zu einem gefragten Partner der kunststoffverarbeitenden Industrie entwickelt. Das Schweizer Unternehmen mit globalem Wirkungskreis zeichnet sich aus durch eine konstante Materialqualität, die Rundumbetreuung in Produktentwicklung und Materialverarbeitung sowie die transparente Lieferkette mit glaubwürdigem Impact für Mensch und Natur. Rund 100 Produkte globaler Brands sind bereits am Markt erhältlich, viele Dutzende weitere Projekte füllen die Pipeline. Zum Kundenkreis gehören Marken wie Ricola, UBS, Kvadrat oder Swiss Tools. Mittlerweile sind auch Projekte in der Bau- und Automobilbranche in der Pipeline.
In den ersten Jahren lag der Fokus auf der Entwicklung einer eigenen Lieferkette in Thailand, ergänzt durch Sourcing-Partner in Indonesien und auf den Phi­lippinen. Seit Ende 2022 ist #tide mit einer Niederlassung in Mexiko auch auf dem amerikanischen Kontinent präsent. Langfristig sollen regionale Hubs aufgebaut werden, um das gesammelte Material möglichst nahe an der Quelle zu verarbeiten und zu vertreiben. So werden Transportkosten gespart und der CO2-Fußabdruck minimiert. Das von #tide initiierte Impact-Programm ‚Road to 1 Billion Bottles‘ wird u.a. von der Lufthansa-Hilfsorganisation Help Alliance unterstützt.

Meilensteine & Awards

  • 2018
    - Entwicklung des Upcycling-Verfahrens in Zusammen­arbeit mit IWK-OST
     
  • 2019
    - Deutscher Design und Technologie Award Materialica
  • 2020
    - Swiss Plastics Award- International Hong Kong Business Award
     
  • 2022
    - Swiss Ethics Award
    - Start des ‘Road to 1 Billion Bottles’-Programms
    - Beitritt zum Nextwave 
    - Plastics-Konsortium
     
  • 2023
    - Swiss Plastics Award
    - Swiss Packaging Award
    - Partnerschaft mit der Umweltschutzorganisation Sea Shepherd

Roadmap

Mittel- und langfristig werden weitere Regionen erschlossen. Der Fokus liegt dabei auf strukturschwachen Gebieten ohne nennenswertes Abfallmanagement. Gleichzeitig wird über ein Lizenzmodell das Partnernetzwerk ausgeweitet und diversifiziert, so dass das Material noch breiter vertrieben und angewendet werden kann. Das Ziel von #tide ist der Aufbau des weltweit führenden Labels für sozial und ökologisch nachhaltiges Plastik.

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Ein Dank gebührt den Sponsoren des CHEManager Innovation Pitch, die diese Veröffentlichung mit ermöglichen!



BioCampus Straubing Sponsor CHEManager Innovation Pitch

 

                           

    Ruhr-IP Sponsor CHEManager Innovation Pitch 

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Kontakt

Tide Ocean SA

Bürenstrasse 16
2543 Lengnau
Schweiz

+41 (0) 32 328 30 33