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Defossilisierung der Chemie- und Werkstoffindustrie durch Biomasse, CO₂ und Recycling

Erneut ein Volltreffer: Die Renewable Materials Conference

20.06.2024 - 440 Teilnehmer diskutierten über die Defossilisierung der Chemie- und Werkstoffindustrie durch Biomasse, CO₂ und Recycling. Das Publikum wählte außerdem den Gewinner des Preises „Renewable Material of the Year 2024“: Essigsäure aus CO₂ des dänischen Start-ups Again.

An drei Tagen trafen sich 440 Teilnehmende aus 26 Ländern, die führende Markenhersteller, Chemie- und Materialunternehmen und die deutsche und niederländische Regierung vertraten, sowie die Europäische Kommission mit den Generaldirektionen Grow, Clima, Environment und RTD. Wie in den Vorjahren waren die Teilnehmenden äußerst zufrieden: Hochwertige und aktuelle Inhalte in 80 Vorträgen, vertiefende Diskussionen in zehn Workshops, eine Ausstellung, die Wahl des „Renewable Material of the Year 2024“, umfangreiche Netzwerk-Möglichkeiten während der Konferenz und den drei Abendveranstaltungen, eine insgesamt professionelle und angenehme Atmosphäre („special spirit“) – bis hin zu einer traditionellen Karnevalstanzshow als große Überraschung beim Abendbuffet.

Platin-Sponsor der Veranstaltung war das finnische Unternehmen UPM, das in Leuna (Deutschland) die erste neue Bioraffinerie Europas betreibt.

Botschaften der Konferenz
Die Sprecherinnen und Sprecher betonten die Bedeutung der Umstellung auf nachhaltige und erneuerbare Materialien und die Notwendigkeit, Scope-3-Emissionen zu bekämpfen. Ökobilanzen und Kohlenstoff-Fußabdrücke sind topaktuelle Themen: „Messen Sie, was Sie schätzen" (Ivana Krkljus, BASF).

Die Industrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Die verschiedenen Unternehmensstrategien werden durch ein klares Bekenntnis zu bio- und CO2-basierten Lösungen in Verbindung mit Recycling vereint, um Kohlenstoff im Kreislauf zu halten und langfristig keinen fossilen Kohlenstoff mehr zu benötigen. Die industrielle Produktion muss in Zukunft völlig neugestaltet werden, um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden: "Biodiversität ist gleich Robustheit ist gleich Resilienz – Resilienz und Anpassungsfähigkeit werden wichtiger als Effizienz" (Lars Börger, Industrie-Insider). Auf der Konferenz wurden viele neue Produkte und Anlagen vorgestellt, deren Entwicklung erst durch die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette möglich wurden. Im Mittelpunkt der Konferenz standen zum einen typische petrochemische Bausteine wie Naphtha oder Ethylen, die inzwischen auch durch Biomasse, CO2, Pyrolyse oder Gasifizierung hergestellt werden. Andererseits gibt es völlig neue Lösungen wie Füllstoffe aus Lignin, Glucopolymere oder Polyöl und PUR aus Rapsöl. Es gibt viele neuartige Pfade, insbesondere für Feinchemikalien, Körperpflegemittel, Beschichtungen und Klebstoffe oder auch neue hochwertige Snackverpackungen, die 50 % recycelten Kunststoff enthalten und die strengen Anforderungen an den Kontakt mit Lebensmitteln erfüllen.

Ein immer wiederkehrendes Thema in den Vorträgen war, dass es in Europa, im Gegensatz zu den USA oder China, derzeit keinen geeigneten politischen Rahmen gibt, um den Übergang zu erneuerbarem Kohlenstoff in der Chemie- und Materialbranche zu unterstützen. In zwei Workshops wurde erörtert, welche Instrumente der EU zur Verfügung stehen sollten, um die chemische Industrie umzustellen und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Viele Ideen und Impulse müssen nun weiterentwickelt werden.

Obwohl der biologische Abbau in Europa im Gegensatz zu China oder anderen asiatischen Ländern kein großes Thema ist, sind die wichtigsten Methoden zum Verständnis des biologischen Abbaus inzwischen etabliert. Zum ersten Mal kann der Verbleib des Kohlenstoffs in einem biologisch abbaubaren Polymer mit Hilfe isotopenmarkierter Polymere sehr genau nachverfolgt werden, um zu zeigen, dass der Kohlenstoff als CO₂ und in mikrobieller Biomasse endet. Eine neue Technik, bei der fluoreszenzmarkierte Materialien verwendet werden, kann ein für alle Mal beweisen, dass zertifizierte kompostierbare Materialien kein Mikroplastik hinterlassen. Diese Fortschritte im wissenschaftlichen Verständnis des biologischen Abbaus können für künftige Vorschriften genutzt werden, um Verpflichtungen zur Verwendung biologisch abbaubarer Materialien für Anwendungen zu entwickeln, bei denen die Materialien mit einem hohen Risiko in die Umwelt gelangen.

Innovation Award „Renewable Material of the Year 2024”
Zum vierten Mal wurde der Innovationspreis "Renewable Material of the Year" für die Entwicklung neuer Technologien und Anwendungen vergeben, der alle Lösungen für nachwachsende Rohstoffe in einem Wettbewerb vereint – von der Biomasse- und CO2-Nutzung bis zum Recycling. Sechs Innovationen wurden von einer Fachjury aus 38 Einreichungen nominiert. Nach 10-minütigen Präsentationen der Nominierten wählten die Teilnehmenden den Gewinner. Der Innovationspreis wurde vom nova-Institut organisiert und von Covestro (Deutschland) gesponsert. Die drei Gewinner im Einzelnen:

1. Platz
Again (DK): Essigsäure und andere Chemikalien aus CO2

Durch die Kombination von Jahrtausende alten Bakterien mit modernster Biotechnologie fermentiert Again CO2 Abfallströme direkt aus Rauchgas zu CO2-basierten Basischemikalien wie Essigsäure. Das neuartige Biomanufacturing-Verfahren von Again fängt unvermeidbare Kohlenstoffemissionen aus der Industrie ein und nutzt sie zur Herstellung wertvoller Basischemikalien, für die es derzeit nur wenige oder keine umweltfreundlichen Alternativen gibt – und defossilisiert so einige der schwierigsten Wertschöpfungsketten der Welt. Das Biomanufacturing-Verfahren von Again stellt einen Paradigmenwechsel dar, da es die energie- und kostenintensive CO2-Abscheidung und –Reinigung überflüssig macht. Webseite: https://again.bio

Ida Rask Kongsgaard, Again: „Wir fühlen uns geehrt, dass wir auf der diesjährigen Renewable Materials Conference als 'Renewable Material of the Year 2024' unter einer Reihe von inspirierenden Nominierten ausgezeichnet wurden. Ein großes Dankeschön an unseren Abnehmer HELM (Deutschland), der uns auf unserem Weg zur Kommerzialisierung entscheidend unterstützt hat. Wir freuen uns darauf, unsere Produkte gemeinsam auf den Markt zu bringen und damit zu beginnen, die neue Normalität für eine umweltfreundlichere chemische Industrie zu definieren."

2. Platz
Reselo (SE): Reselo-Kautschuk – Kautschuk aus 100 % Birkenrinde

Reselo reagiert auf den Bedarf an alternativen, nicht-fossilen Kautschukpolymeren, der durch externen und internen Druck in der Kautschukindustrie entstanden ist. Die Verringerung der Klimagasemissionen der Materialindustrien hat Priorität: Jedoch gab es bisher nur wenige Innovationen für nachhaltigere Lösungen, insbesondere im Gummisegment. Reselo-Rubber ist daher eine sehr attraktive Entwicklung, da es zu 100 % aus Birkenrinde, einem Abfallstrom aus der Forstwirtschaft, hergestellt wird. Das Polymer kann in bestehenden Anlagen verarbeitet werden und ist mit den gängigen Vulkanisationssystemen, Elastomeren und Additiven kompatibel. Reselo-Rubber wird derzeit in einer Reihe von Anwendungen in Zusammenarbeit mit globalen Unternehmen eingesetzt, um nachhaltigere Produkte auf den Markt zu bringen. Webseite: https://reselo.se/

Josefin Larsson, Reselo: „Von Branchenkollegen als eines der drei besten 'Renewable Materials of the Year 2024' anerkannt zu werden, ist eine Leistung, auf die wir sehr stolz sind und die uns auf unserem Weg bestärkt. Vor allem aber ist es ein Beweis für die Notwendigkeit, neue Materialkategorien aus verschiedenen bio-basierten Ressourcen zuzulassen, um die Gummi- und Kunststoffindustrie letztlich zu defossilisieren."

3. Platz
Vaude Sport (DE): Erstes Polyester-Textilprodukt auf Holzbasis

Bisher wurde recyceltes PET für Textilien bevorzugt, doch die Kritik daran wächst. Mit diesem ersten Meilenstein zeigt Vaude in Zusammenarbeit mit UPM (Finnland), dass es möglich ist, neue europäische bio-basierte Quellen zu erschließen. Das in diesem Demonstrator verwendete MEG wird aus Holzabfällen hergestellt und ist als Drop-in-Lösung ohne Qualitätsverlust konzipiert. Das Ziel für die kommerzielle Version ist eine 100 % bio-basierte Lösung, die neben bio-basiertem MEG auch vollständig bio-basierte, aufgereinigte Terephthalsäure (PTA) enthält. Vaude demonstriert einen skalierbaren kommerziellen Ansatz für erneuerbares PET und zeigt, was eine solche Lösung bedeuten könnte. Webseite: https://vaude.com

René Bethmann, Vaude Sport: „Wir freuen uns sehr über den dritten Preis. Dieser Erfolg unterstreicht einmal mehr die Bedeutung der Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette und zeigt, dass wir nur gemeinsam eine nachhaltige Transformation erreichen können."

Dank an die RMC-Sponsoren
Das Nova-Institut dankt UPM Biochemicals (FI) für die Unterstützung der Konferenz als Platin-Sponsor, IFF (US), Neste (FI), TÜV Austria Belgium (BE), Sugar Energy (CN), Zhongke Guosheng Technology (CN) als Gold-Sponsoren, sowie Alfa Laval (SE), B4Plastics (BE), REDcert (DE), Renolit and Photanol (DE) und Total Corbion (NL), die die Veranstaltung als Silber-Sponsoren unterstützen. Der Innovationspreis „Renewable Material of the Year 2024" wird von Covestro (DE) gesponsert.

Partner
Die Renewable Materials Conference wird von zahlreichen Industrie- und Handelsverbänden, Non-Profit-Organisationen, Forschungseinrichtungen und Interessengruppen unterstützt, die thematisch mit der Konferenz verbunden sind: AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe (DE), BCNP Consultants (DE), B4C – Bioeconomy For Change (FR), Bündnis Mikroplastikfrei (AT), C.A.R.M.E.N. (DE), ChemCologne (DE), Chemie-Cluster Bayern (DE), CLIB – Cluster industrielle Biotechnologie (DE), CO2Value Europe (EU), CSCP – Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (DE), Enterprise Europe Network – Zenit (DE), European Bioplastics (EU), FNR –Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (DE), GO!PHA – Global Organization for PHA (International), IBB – Industrielle Biotechnologie Bayern Netzwerk (DE), ITA – Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen (DE), Kunststoffland NRW (DE), NRW.Energy4Climate – Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz (DE), ÖGUT – Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik (AT), Plastics Europe (DE) und Renewable Carbon Initiative (International).

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