Chemie ist ... Die Wissenschaft hinter Meisterwerken
Sein wohl berühmtestes Gemälde, die Nachtwache von 1642, kann heute im Rijksmuseum in Amsterdam bewundert werden. Während des umfangreichen Forschungs- und Konservierungsprojekts „Operation Night Watch“ untersuchte ein internationales Team Zusammensetzung und Materialverteilung und identifizierte dabei eine für Gemälde sehr ungewöhnliche Verbindung. In verschiedenen Bereichen der Nachtwache stellten die Wissenschaftler Bleiformiat fest. Die in der Zeitschrift Angewandte Chemie vorgestellten Ergebnisse geben neue Hinweise hinsichtlich der Malpraktiken Rembrandts und der Reaktivität von Bleitrocknungsmitteln in Ölmatrices historischer Gemälde. Um den chemischen Ursprung des Bleiformiats zu erforschen, stellte das Team Modellfarbschichten nach alten Rezepturen her. Wie sich zeigte, kann Bleioxid in Ölfarben zu Bleiformiat reagieren. Die Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass ein Öl mit einem solchen Bleitrocknungsmittel verwendet wurde. Aber auch vergangene Konservierungsarbeiten, wie etwa der mögliche Auftrag eines ölbasierten Firnisses im 18. Jahrhundert, könnten die Bildung von Bleiformiat auf dem Gemälde begünstigt haben.
Bei „Operation Night Watch“ arbeiteten Konservateure, Kunsthistoriker und andere Wissenschaftler eng zusammen. Zusammensetzung und Materialverteilung wurden durch großflächige Röntgenpulverdiffraktometrie ermittelt, parallel wurden Mikroröntgenverfahren mit Synchrotonstrahlung sowie Infrarot-Mikroskopie an winzigen Proben durchgeführt. So gelang dem Team vom Rijksmuseum sowie der Universität Amsterdam, dem CNRS, der European Synchrotron Radiation Facility in Frankreich sowie der Universität Antwerpen u.a. die Identifizierung und Kartierung verschiedener Bleiverbindungen in Rembrandts Farbschichten.
Bleipigmente wurden breit von Rembrandt eingesetzt. Das gebräuchlichste war Bleiweiß, eine Mischung aus den Bleicarbonaten Hydrocerussit Pb3(CO3)2(OH)2 und Cerussit PbCO3. Daneben kommt Blei in weiteren Pigmenten und daraus entstandenen Verbindungen vor. Sehr ungewöhnlich war dagegen die Entdeckung von Blei(II)formiat Pb(HCOO)2 – eine Verbindung, die zuvor noch nie in historischen Ölgemälden gefunden wurde. Bleiformiat, das Bleisalz der Ameisensäure, wurde in verschiedenen Bereichen der Nachtwache identifiziert – in einigen Fällen zusammen mit Plumbonacrit, Pb5(CO3)3O(OH)2, einer anderen seltenen Bleiverbindung. Um den chemischen Ursprung des Bleiformiats zu erforschen, untersucht das Team jetzt die Kinetik der Entstehung von Bleiformiaten und deren Stabilität in Ölfarben.