Millionen für Biotech in Bayern
Life-Sciences-Branche floriert im Freistaat, Experten fordern mehr Innovationsakzeptanz und -förderung
Die Life Sciences - auf Deutsch: Lebenswissenschaften - versuchen Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit zu geben: Wie stellen wir Lebensmittel in ausreichender Menge und guter Qualität global zur Verfügung? Oder: Wie bewahren wir in einer alternden Gesellschaft die Gesundheit der Menschen? In Garching bei München diskutierten kürzlich Experten aus Forschung, Politik und Industrie auf dem Forum Life Science auch die Rahmenbedingungen für die Biotech- und Pharmaindustrie. Das Fazit: Die Branche ist nach Jahren kräftiger finanzieller Unterstützung, viel kreativem Geist und Networking mittlerweile eine etablierte Größe in der deutschen Wirtschaft.
Hochtechnologiesektor mit dichtem Netzwerk
Wenn Prof. Horst Domdey über die Lage der Biotech- und Pharmabranche in Bayern spricht, gerät er ins Schwärmen: „Das ist die beste aller Welten", rief er dem Fachpublikum am Garchinger Campus der Technischen Universität München zu. Was Domdey, der als Geschäftsführer des Biotechclusters BioM im Münchener Vorort Martinsried als eloquenter Förderer und Trommler der Branche auftritt, so in freudige Erregung versetzte ist die Tatsache, dass die Branche seit 25 Jahren vom Land Bayern üppig gefördert wird. Zudem hat sich ein dichtes Netzwerk zwischen akademischen Einrichtungen, Biotech und Big Pharma ausgebildet. Domdey: „Im Freistaat hat sich ein Hochtechnologiesektor entwickelt, der keine Vergleiche zu scheuen braucht."
Doch auch außerhalb von Bayern hat die Branche Wurzeln geschlagen - oftmals in Form sogenannter Cluster, also der Konzentration ähnlich gearteter Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Start-Ups auf engem Raum. Bedeutende Cluster gibt es z.B. neben Martinsried bei Heidelberg, in der Region Düsseldorf-Köln sowie in Berlin-Brandenburg.
700 Biotechfirmen in Deutschland
Nach einer Erhebung der Informationsplattform biotechnologie.de lag die Zahl der Biotechunternehmen 2013 bei 700 mit rund 35.400 Beschäftigten. Das Durchschnittsalter der deutschen Biotech-Firma liegt nach dieser Untersuchung bei elf Jahren. Allerdings haben einige Firmen inzwischen auch ein für die Branche respektables Alter von dreißig Jahren und mehr erreicht.
Bayern sieht sich in der Biotechnologie mittlerweile unter den europäischen Top-3-Standorten. Franz Josef Pschierer, Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium, weist darauf hin, dass hier die komplette Wertschöpfungskette vorhanden sei - erstklassige wissenschaftliche Expertise, entwicklungsstarke klein- und mittelständische Unternehmen als auch global agierende Pharmaunternehmen.
Zukunftsgerichtete Investitionen
Entscheidend für den Erfolg der Branche ist nach Ansicht der Staatsregierung vor allem deren Innovationskraft. Innovationsgetriebener Fortschritt bedeute Wohlstand und eine höhere Lebensqualität, so Pschierer. Um dies zu erreichen, müssten Forschung, neuen Technologien und Innovationen zum Durchbruch verholfen werden. Pschierer: „Das ist der Weg, den wir in Bayern gehen. Entsprechend investieren wir unser Geld zukunftsgerichtet." Die Life Sciences als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts spielen hierbei eine besondere Rolle.
Eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Biotechbranche spielen dabei die zahlreichen Förderprogramme. Innovationsprozesse in der Biotechnologie sind lang, teuer und mit hohem Risiko verbunden. Deshalb sind junge Biotechnologie-Unternehmen stark auf Wagniskapital und öffentliche Förderung angewiesen. Nach Angaben des BMBF haben Biotechnologiefirmen 2013 rund 50 Millionen Euro an öffentlichen Fördermitteln aus Programmen des Bundes, der EU und der Länder erhalten. In der gleichen Zeit warben sie 137 Mio. EUR an Risikokapital sowie weitere 218 Millionen Euro über Kapitalerhöhungen an der Börse ein.
Baxter kauft Suppremol
In Bayern wurde unter anderem mit Bayernkapital eine neue Fondsgeneration mit einem Volumen von 85 Mio. EUR aufgesetzt. Der Risikokapitalfonds hatte sich in der Vergangenheit unter anderem an der Biotechfirma Suppremol beteiligt, die kürzlich für 200 Mio. EUR an den US-Pharmakonzern Baxter verkauft worden ist. Pschierer: „Damit zeigt sich, welche enormen Werte in bayerischen High-Tech-Start-ups stecken."
Darüber hinaus wird die Zusammenarbeit der LfA Förderbank Bayern mit dem Europäischen Investitionsfonds (EIF) ausgebaut. Ein gemeinsamer Dachfonds ist kürzlich um 50 auf 150 Mio. EUR aufgestockt worden. Das Geld soll insbesondere jungen, innovativen Unternehmen zu Gute kommen.
Im März wurde außerdem ein neuer Wachstumsfonds im Umfang von 100 Mio. EUR aufgelegt. Mit ihm sollen Start-Ups unterstützt werden, die in der kritischen Wachstumsphase durchstarten wollen. Ziel ist es, gemeinsam mit privaten Investoren rund 250 Mio. EUR zu mobilisieren.
Wichtige Ausgründungen
Eine wichtige Rolle in der Entwicklung der deutschen Life-Science-Szene spielt zudem die Ausgründung von Start Ups aus Universitäten. Auch hier nimmt Bayern mit der Technischen Universität München eine herausragende Rolle ein. Pschierer: „Die TUM leistet auf diesem Gebiet seit 130 Jahren Pionierarbeit." Ein Beispiel für die aktuellen Aktivitäten der Universität ist der Inkubator „UnternehmerTUM" - einer Top-Adresse für gelungene Gründungen.
Dass die Standortbedingungen für die Life-Science-Branche in Bayern heute exzellent sind, zeigt sich auch am Beispiel von Roche. Der Pharmakonzern hat in seinen Biotech-Standort Penzberg mit mehr als 5500 Beschäftigten seit 1998 rund 1,8 Mrd. EUR investiert. Bis 2018 will der Konzern in Deutschland weitere 830 Mio. EUR investieren, den größten Teil davon erneut in Penzberg.
Austausch in Netzwerken
Doch es ist nicht nur das Geld, das die Pharma- und Biotechbranche in Schwung hält. Innovationen in diesen Disziplinen sind nach Ansicht von Klaus Diepold, Vizepräsident der TU München, in hohem Maße auch das Produkt von Netzwerken. Nur durch den Austausch von Informationen könnten letztlich Innovationen entstehen.
Als Beispiel nennt Diepold das Konsortium EIT Health. Das ist eine 2008 gegründete unabhängige Organisation der Europäischen Union mit dem Ziel, Innovationen und Unternehmertum voranzutreiben. Auf diese Weise sollen jährlich 70 Start-Ups gegründet werden.
Beispiele aus der Praxis
Was Innovationen konkret bedeuten zeigten Wissenschaftler und Unternehmer an Praxisbeispielen. Um die Reduzierung des Medikamenteneinsatzes nach Organtransplantationen geht es in einer weltweiten Studie, die Prof. Edward K. Geissler, Leiter der Experimentellen Chirurgie des Uniklinikums Regensburg, koordiniert.
Was im Bereich der Zelltherapie zur Behandlung von Tumoren möglich ist, demonstrierte Volker Scherhammer von Apceth, München: Das Unternehmen gewinnt mesenchymale Stammzellen aus dem körpereigenen Knochenmark. Die Besonderheit dieser Zellen ist deren Tendenz, zum Tumor zu wandern. Apceth will dies ausnutzen, um krebsbekämpfende Wirkstoffe zum Tumor zu bringen.
Prof. Heike Walles von der Uniklinik Würzburg entführte die Besucher des Forums in die Welt des Tissue Engineering, also der Gewebezüchtung. Nach einer Biopsie des Patienten stellen die Forscher ausreichend Zellmasse her, um diese schließlich transplantieren zu können.
Trotz des guten Zustands der Life-Sciences-Branche gibt es einige Baustellen. So mahnte Staatssekretär Pschierer, das Thema Innovationen noch stärker und auf positive Weise in den Köpfen zu verankern. „Politiker müssen den Menschen heute Ängste vor bestimmten Themen und Technologien nehmen, z.B. vor der Bio- und Nanotechnologie."
Auch BioM-Geschäftsführer Domdey hat einen Wermutstropfen gefunden. Die bayerische Spitzenförderung im Bereich personalisierte Medizin mit einem Volumen von 100 Mio. EUR lief Ende März aus. Doch Domdey lässt sich davon nicht aus der Fassung bringen. „Wir wollen weitermachen", verkündete er selbstbewusst. Die Biotech- und Pharmaunternehmen würden neue Wege finden, das Thema voran zu treiben.
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