Vorteil: Circular Economy
Interview mit James Hogan und Jan Haemer, Simon-Kucher & Partners
CHEManager: Handelskonflikte nehmen zu und als Folge verhängen Staaten oder Wirtschaftsräume Importzölle. Wie reagieren Chemieunternehmen auf diese Situation?
Jan Haemer: Kapitalexporte sind ein bewährtes Mittel der Chemieindustrie, um näher am Markt und Kunden zu sein. Lokale Produktion sichert Marktzugang, stärkt Kundenbeziehungen und macht Unternehmen als Anbieter vor Ort wettbewerbsfähiger. Ein Beispiel ist BASF in China: Die Investition von 10 Mrd. USD in den Verbundstandort Zhanjiang sichert nicht nur Wachstum, sondern schützt auch vor Handelsbarrieren. Unternehmen mit lokaler Produktion sind widerstandsfähiger gegenüber Zöllen und geopolitischen Risiken.
James Hogan: Zudem ist dieser Trend weltweit zu beobachten – Unternehmen investieren nicht nur aus regulatorischem Druck, sondern zur Sicherung lokaler Wertschöpfung und strategischer Unabhängigkeit.
Welche Rolle spielt die Rohstoffverfügbarkeit?
J. Haemer: Europäische Chemieunternehmen sind oft Weiterverarbeiter und auf Importe angewiesen, was sie anfällig für Preisschwankungen macht. Cirucular Economy kann hier Abhilfe schaffen: Mehr recycelte Rohstoffe bedeuten weniger Abhängigkeit von globalen Lieferketten und mehr wirtschaftliche Resilienz.
J. Hogan: In den USA setzen Unternehmen zunehmend auf Circular Economy, um ihre Rohstoffbasis lokal abzusichern.
"Circular Economy verbindet lokale Rohstoffverfügbarkeit mit strategischer Unabhängigkeit."
Können Sie Beispiele nennen?
J. Hogan: Aurubis investiert in Georgia in Metallrecycling, um Primärrohstoffe zu ersetzen und lokale Kreisläufe zu schließen. Das sichert nicht nur Ressourcen, sondern auch Widerstandsfähigkeit – zum Beispiel gegen kurzfristige Zölle.
J. Haemer: Ähnlich Eastman in Frankreich. Eine Milliarde Euro fließt in chemisches Kunststoffrecycling – dort, wo die Abfälle anfallen, nicht dort, wo fossile Rohstoffe historisch gefördert werden.
Ist Circular Economy wirtschaftlich wettbewerbsfähig oder regulatorisch getrieben?
J. Haemer: Leitmärkte beschleunigen den Markthochlauf, indem sie über CO2-Bepreisung, Recyclingquoten und grüne Ausschreibungskriterien gezielt Nachfrage schaffen. So wurden erneuerbare Energien durch verstärkte Nachfrage deutlich günstiger. Circular Economy wird sich wirtschaftlich durchsetzen, sobald Skaleneffekte und steigende CO2-Kosten den Kipppunkt hin zur ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit erreichen.
J. Hogan: In den USA spielte zuletzt der Inflation Reduction Act eine Rolle, doch mit politischen Veränderungen verschiebt sich der Fokus nun auf private Initiativen und Programme wie der „Buy American Act“, die lokale Wertschöpfung stärken sollen.
Bedeutet das eine neue Logik der Rohstoffversorgung?
J. Haemer: Ja. Früher wurden Rohstoffe nur importiert, heute und in Zukunft gewinnen Industrieländer durch Abfälle eine zusätzliche Rohstoffquelle. Die Rohstoffsicherung wird lokaler, während die Weiterverarbeitung global bleibt.
J. Hogan: Genau. Circular Economy verbindet lokale Rohstoffverfügbarkeit mit strategischer Unabhängigkeit.
Welche Voraussetzungen braucht Circular Economy, um wirtschaftlich tragfähig zu sein?
J. Haemer: Skalierbare Technologien, wie chemisches Recycling für hochwertige Anwendungen, effiziente Sammelsysteme – in der Metallindustrie etabliert, in der Kunststoffindustrie oft noch lückenhaft – und regulatorische Anreize wie CO2-Bepreisung und Mindestquoten für recycelte Materialien.
J. Hogan: Und frühzeitige Investitionen. Unternehmen, die sich früh auf Circular Economy einstellen, sichern sich Vorteile. Wer zu lange wartet, wird von Lieferketten oder Regulierung abhängig.
Ihr Fazit?
J. Haemer: Circular Economy ist mehr als Nachhaltigkeit – sie reduziert Rohstoffabhängigkeit, minimiert Handelsrisiken und schafft lokale Wertschöpfung.
J. Hogan: Unternehmen müssen sich entscheiden: Weiter auf globale Rohstoffmärkte setzen oder lokale Kreisläufe schließen?