Von der Idee zum Produkt
Prinzip der verlängerten Werkbank beschleunigt Innovation in der Chemie
Das Unternehmen bearbeitet Projekte aus allen Bereichen der organischen Chemie. Dazu gehören die Entwicklung neuer pharmazeutischer Wirkstoffkandidaten, die Erforschung und Herstellung hochspezieller Polymere, bspw. für fotografische Anwendungen, und die Synthese komplexer Moleküle, die in optoelektronischen Anwendungen oder zukunftsweisenden Batterien zum Einsatz kommen. Ralf Kempf befragte Youri Mesmoudi, Executive Vice President von Taros, zum Leistungsportfolio des Unternehmens im Bereich Performance Chemicals und der strategischen Entwicklung dieses Geschäftsfelds.
CHEManager: Herr Mesmoudi, Taros Chemicals wurde 1999 gegründet. Wie kam es zur Gründung des Unternehmens? Was war der ausschlaggebende Impuls?
Youri Mesmoudi: Schon während seiner Promotion in Chemie Ende der 1990er Jahre erkannte Dimitrios Tzalis, Gründer und Gesellschafter des Unternehmens, dass sich aufgrund der Reduzierung von Laborkapazitäten in der Industrie ein großer Bedarf nach externen Synthesekapazitäten entwickelt und gründete noch auf dem Campus der Universität Marburg mit zwei Mitarbeitern die damalige Taros Custom Chemicals. Erster Kunde war die Pflanzenschutzsparte eines international bekannten Konzerns, dem rasch auch dessen Pharmasparte folgte. Bis 2005, dem Jahr, in dem Dimitrios Tzalis zusätzlich zum deutschen Laborstandort auch die indische Dependance gründete, zählte die Firma bereits 35 Mitarbeitende. Heute beschäftigen wir etwa 120 Wissenschaftler auf beiden Kontinenten und werden zumeist für komplexe, anspruchsvolle Innovationsprojekte herangezogen, die für unsere Kunden hohe Priorität genießen.
Die Chemie spielt als Innovationstreiber auch hinsichtlich Materialien der nächsten Generation eine immer wichtigere Rolle. In welchen Bereichen ist Taros auf diesem Gebiet aktiv?
Y. Mesmoudi: Unser Wirkungsfeld der organischen Chemie ist so vielfältig wie die Industriebranchen, in denen unsere Kunden beheimatet sind. So konnten wir in den letzten Jahren unser spezielles Synthese- und Anwendungs-Know-how in herausfordernden Projekten wie der Kosmetik- und Duftindustrie, der Medizintechnik, der Farb- und Lackindustrie, der Konsumgüterindustrie oder in der Anwendung von Display-Technologien einbringen. Unsere in der überwiegenden Mehrzahl promovierten Chemiker unterstützen ihre Projektkunden vor allen Dingen, wenn es ganz zu Beginn einer jeden neuen Produktidee oder -anwendung darum geht, das richtige Molekül für den gewünschten Einsatzzweck zu identifizieren, im Labor zu synthetisieren und im Anschluss auch über eine adäquate Prozessentwicklung in industriell relevanten Maßstäben verfügbar zu machen. Dass unsere Wissenschaftler das eine oder andere Mal auch als Miterfinder auf einer Patentschrift unserer Kunde auftauchen, ist eine Anerkennung unserer Leistungen.
Welche Leistungen bietet das Unternehmen seinen Kunden für die Prozessentwicklung?
Y. Mesmoudi: Anders als in der Wirkstoffforschung kommen unsere Kunden im Geschäftsbereich Performance Chemicals in der Regel nicht mit wenigen Gramm Material für anstehende Konzeptvalidierungen und Testreihen aus; hier bedarf es häufig schnell einiger Dutzend oder auch Hunderte Kilogramm Produkt, beispielsweise für erste Bemusterungen ihrer eigenen Kunden. Die Leistungen von Literatur- und Patentrecherchen, Machbarkeitsstudien bis hin zur Etablierung von Syntheserouten für den technischen Einsatz über die Prozessoptimierung, Parametrisierung und Scale-up zum Pilot-Maßstab, bieten wir unseren Kunden aus einer Hand an. Natürlich tragen unser Experten auch bei gewünschten Effizienzsteigerungen schon bestehender Prozesse oder bei der Evaluierung sicherheits- und umweltrelevanter Fragenstellungen einer Synthese bei.
Taros betreibt eine eigene Mehrzweck-Pilotanlage in Asien. Welche Aktivitäten finden dort statt?
Y. Mesmoudi: Nachdem der Wunsch vieler Kunden an uns herangetragen wurde, Projekte nicht nur bis in den Labormaßstab, sondern auch darüber hinaus aus einer Hand durchzuführen, haben wir unser indisches Labor sukzessive zur Multi-Purpose-Pilotanlage erweitert. Heute tragen unsere etwa 50 Kollegen vor Ort zur Wertschöpfungskette unserer Kwunden bei, indem sie die in Dortmund erfolgreich abgeschlossenen Kilo-Labsynthesen in den nächsten Maßstab, zumeist Hunderte Kilo, schnell und effizient skalieren und die Produkte in den gewünschten Mengen synthetisieren. Unsere Kunden gewinnen durch diesen integrierten Ansatz doppelt: Während die gesamte Projektsteuerung und Kommunikation wie gewohnt über den Projektleiter in Dortmund – als Single Point of Contact – läuft, profitieren sie vom Standortvorteil Indien. Selbstverständlich steht unsere Anlage bei passender Chemie auch für Kunden offen, die einen kurzfristigen Bedarf nach schneller Herstellung von Mustermengen mit schon bestehenden Rezepturen haben. Dabei kümmern wir uns um sämtliche Export- und Zollformalitäten bis zum Kunden.
Taros bietet ein sehr flexibles Dienstleistungsmodell für vielfältige Anwendungen. Wie sieht dieses Angebot genau aus?
Y. Mesmoudi: Unser Modell hat sich mit den Anforderungen unserer Kunden aus unterschiedlichen Branchen über die Jahre weiterentwickelt und tut das bis heute. Treiber sind hier die weiter ansteigende Innovationsdynamik unserer Kunden und die straff organisierten Time-to-Market-Planungen, die im globalen Wettbewerb ausschlaggebend sind. Dem stellen wir uns pro-aktiv mit individuell angepassten Kooperationsmodellen. Dabei hat sich mit zunehmender Komplexität und weiter steigendem Forschungscharakter der Projekte für uns natürlich auch das Risk Assessment über die Zeit verändert, so dass unsere Experten heute nahezu alle Projekte als integrierten Bestandteil der Forschungsabteilung unserer Kunden mit eng geknüpften Kommunikationslinien durchführen. Sämtliche generierte IP verbleibt dabei immer bei unseren Kunden!
Taros synthetisiert auch Polymere mit einem definierten Eigenschaftsprofil und entwickelt sie gemeinsam mit seinen Kunden entlang deren Projektziels. Wo genau liegt die Expertise des Unternehmens auf diesem Gebiet?
Y. Mesmoudi: Der branchenübergreifende Bedarf nach „smart materials“ steigt seit Jahren kontinuierlich an; das betrifft auch und insbesondere den Polymerbereich. Daher bearbeiten wir seit einigen Jahren neben der klassischen (metall)organischen Chemie zunehmend Entwicklungsprojekte mit Fokus Polymerchemie. Um dem gleichzeitig sehr innovativen und stark anwendungsbezogenen Charakter dieser Projekte Rechnung zu tragen, haben wir unser Polymerteam aus jungen, kreativen Wissenschaftlern einerseits und anwendungserfahrenen Polymerchemikern andererseits zusammengestellt. Unser Team ist darin geübt, radikalische, ringöffnende und ionische Polymerisationen in Lösung, Substanz, Emulsion sowie Suspension durchzuführen. Darüber hinaus führen wir regelmäßig polymeranaloge Transformationen und Funktionalisierungen durch und nutzen unsere Expertise aus der Organik zur Individualisierung oder de-novo-Synthese passender, in der Regel kommerziell nicht verfügbarer Monomere.
Wie sehen Ihre Pläne im Bereich Performance Chemicals bzw. Ihre Strategie für die nächsten Jahre aus?
Y. Mesmoudi: Aus regelmäßigen Gesprächen mit unseren Kunden wissen wir, dass der Innovationsdruck in der chemischen Forschung auch künftig nicht nachlassen wird, im Gegenteil. Ob Automotive, MedTech, Consumer, Healthcare oder Energy Storage: Die Entwicklung neuer Materialien für smarte Oberflächen, intelligente Sensorik, höhere Performance oder verbesserte Umweltverträglichkeit bedeuten für unsere Kunden die entscheidenden Wettbewerbsvorteile in globalen Märkten. Wir werden also auch in Zukunft unser Leistungsangebot dahingehend ausbauen, als Outsourcing-Partner und Innovationsbeschleuniger unsere Kunden bei der erfolgreichen Durchführung ihrer Entwicklungsprojekte schnell, effizient und kostengünstig als „verlängerte Werkbank“ zu unterstützen.
ZUR PERSON
Youri R. Mesmoudi studierte Betriebswirtschaftslehre an der European School of Business (ESB) in Reutlingen und dem Centre d‘ Etudes Européennes de Management Supérieures (CESEM) in Reims, Frankreich. Seit 1993 ist er in unterschiedlichen Managementpositionen in verschiedenen Branchen tätig gewesen, darunter bei Mercedes-Benz, Körber, Novomatic und Arvato-Bertelsmann. In den frühen 2000er Jahren co-gründete er ein mittelständisches Software-Unternehmen. Seit 2011 ist er Mitglied der Geschäftsleitung von Taros.
An der Spitze der Innovation
Taros Chemicals engagiert sich regelmäßig in Verbundforschungsvorhaben, wie zuletzt dem Drug Discovery Hub Dortmund (DDHD), der als Inkubator für Wirkstoffforschungsprojekte in ganz Nordrhein-Westfalen fungiert, dem Kompetenzzentrum für Innovative Diabetes Therapie (KomIT) oder der deutsch-katalanischen Initiative Cardioreg zur Entwicklung neuer Therapien für die Herzregeneration. Zudem leitete Taros von 2013-2018 die gesamten Chemieaktivitäten der European Lead Factory (ELF), des mit 196 Mio. EUR größten Einzel-Wirkstoffforschungsvorhabens der EU, das seit 2019 in einem zweiten 5-Jahresprojekt mit weiteren 37,5 Mio. EUR gefördert wird.
Kontakt
Taros Chemicals GmbH & Co. KG
Emil-Figge-Str. 76a
44227 Dortmund