Schäden durch ‚Rasenmähen‘ vermeiden
Wertschöpfungspartnerschaft mit Lieferanten als Strategie für intelligente Kostensenkungsmaßnahmen
Die Branchen Chemie und Pharmazie haben sich in den Krisen der Vergangenheit als besonders robust erwiesen. Doch nun muss auch hier in einem bisher nicht gekannten Umfang gespart werden. Kostensenkungsprogramme sollen bei nur leicht steigenden oder sogar sinkenden Umsätzen die Erträge sichern.
„Die Vorgaben der Unternehmensleitungen bzw. der CFO's für Kosteneinsparungen bei Rohstoffen, Material und Dienstleistungen liegen nicht selten bei 20 %", so Dr. Arnd Halbach, Geschäftsführer von Expense Reduction Analysts, einer Beratungsgesellschaft für Kostenmanagement. Im Durchschnitt seien solche Ergebnisse zwar erreichbar. Viele Unternehmen verordneten sich allerdings lineare - prozentuale - Budgetkürzungen. Die ‚Rasenmäher-Methode‘ kann allerdings teuer zu stehen kommen. Die Folgen seien in zweifacher Hinsicht unbefriedigend. Einsparungen gingen entweder zulasten der Qualität und der Liefersicherheit oder aber es würden vorhandene Optimierungspotenziale nur unzureichend ausgeschöpft. Besser ist es, wenn Auftraggeber und Lieferanten Hand in Hand arbeiten.
Preisreduzierung gelungen - Lieferant tot
Typische Beispiele sind die Instandhaltung von Maschinen und Anlagen, das Gebäudemanagement, die Logistik oder die Beschaffung von Komponenten. Wartungsintervalle werden willkürlich reduziert, Facility-Management-Aufträge an den billigsten Anbieter vergeben oder Lieferanten gegeneinander ausgespielt. Die Folgen reichen von Störungen an Anlagen bis hin zu Gebäudeschäden. Fachfirmen, darunter langjährige, bewährte Lieferanten, bleiben auf der Strecke und sind - wenn sie schließlich wieder gebraucht werden - womöglich nicht mehr auf dem Markt. Ein neuer Lieferant für Papier und Bleistifte ist sicherlich schnell gefunden. Beim Fuhrpark, in der Logistik oder im Facility-Management müssen die Leistungen jedoch auf das Unternehmen zugeschnitten werden. Der plötzliche Lieferausfall eines Zusatzstoffs kann eine einen Produktionszweig komplett zum Erliegen bringen. Bis zu 50 % des Beschaffungsvolumens eines produzierenden Unternehmens machen zum Bespiel die Sachgemeinkosten aus. Dass sie in der Regel um 10-20 % reduziert werden könne, ist gängige Expertenmeinung. Allerdings gilt dies nicht pauschal für jedes Unternehmen und schon gar nicht für jeden der rund 50 Kostenbereiche.
„Preisreduzierung gelungen - Lieferant tot", bringt Professor Horst Wildemann, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre an der TU München und Geschäftsführer der TCW Unternehmensberatung, das Problem auf den Punkt. Wildemann rät zu einer partnerschaftlichen Strategie, bei der gemeinsam mit dem Lieferanten nach Potenzialen gesucht wird, um die Kostensituation auf beiden Seiten zu verbessern. Statt sich nur mit den Einstandspreisen zu beschäftigen, gelte es die Betriebsabläufe und Kostenstrukturen beim Lieferanten unter die Lupe zu nehmen. Am Ende könne dieser günstiger produzieren und sich im Wettbewerb besser behaupten.
Gemeinsame Analyse-Workshops
Aber auch die Auftraggeber selbst sind Verursacher unnötiger Kosten. Mangelhafte Verpackungskonzepte für Versandware z.B. erhöhen den Logistikaufwand eines Unternehmens, weil Frachtraum nicht optimal ausgenutzt werden kann und mehr Touren als nötig anfallen. „Lieferanten sollten aufgefordert werden, solche Schwachstellen beim Auftraggeber zu benennen", so Professor Wildemann. Er empfiehlt regelmäßige Workshops. Durch gemeinsame Analysen ließen sich Ausgabenmuster und damit die Ursachen für uneffektive Beschaffung besser erkennen.
Zur Manifestierung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit sei es sogar denkbar, eine Vereinbarung zur Erfolgsbeteiligung abzuschließen, die dem Lieferanten einen festen Prozentanteil von dem realisierten Einsparpotenzial einräumt.
Rund 2,4 Mio. € zahlte z.B. ein Chemiezulieferer pro Jahr an seine Spedition. Verbesserungen in der Datenübermittlung führten zu effizienteren Abläufen, die der Logistiker wiederum mit Preisnachlässen in den einzelnen Tarifbereichen zwischen 2,5 und 4,5 % honorierte. Zudem wurde die Jahresversandmenge an eine Bonusstaffel gekoppelt. Das bedeutet eine weitere Kostenoptimierung und zugleich für den Dienstleister mehr Planungssicherheit. Halbach: „Ein handfester Win-Win-Effekt."
Sparen ist kein ‚Notprogramm‘
Mit solchen Möglichkeiten haben es die Unternehmen selbst in der Hand, die Performance ihres indirekten Einkaufs zu verbessern. Aufgrund des beträchtlichen Wertschöpfungspotenzials handele es sich um eine strategische Aufgabe und nicht um ein bloßes Sparprogramm, das in Zeiten der Not in Gang gesetzt wird. Einer der EBS Business School in Wiesbaden zufolge erkennen zwar 84 % der Manager die Bedeutung von Kostenreduktionsprozessen. Allerdings haben 57 % die Sparprogramme in Vergangenheit der erst dann gestartet, nachdem angestrebte Gewinnmargen nicht erreicht worden waren. 30 % drehten an der Kostenschraube, weil sie nicht profitabel genug waren und weitere 22 % nahmen die Aufgabe erst aufgrund von laufenden Verlusten in Angriff. Unter Zeitdruck wusste man sich oft nur mit dem ‚Rasenmäher‘ zu helfen.
Autor: Manfred Godek, Monheim
NACHGEFRAGT
Kluges Lieferantenmanagement ist der Schlüssel zum Erfolg
Dr. Siegfried Kiese, Senior Vice President Technical Procurement & Logistics, Wacker Chemie AG
„In den jährlichen Bewertungen unserer wichtigsten Lieferanten beurteilen wir nicht allein die Leistung in der zurückliegenden Periode, sondern erarbeiten auch Strategien, Konzepte und Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung der Lieferantenleistung bei optimalen Preis- und Servicebedingungen. Außerdem belohnen wir gute Leistung mit größeren Volumenanteilen aus unserem Geschäft. Zum Beispiel entfällt rund 50 % des technischen Beschaffungsvolumens auf etwa 400 Lieferanten, etwa die Hälfte davon ist bereits zwischen 5 und 10 Jahren für uns tätig."
Dr. Jutta Heckenkamp, Vice President Global Procurement: Fuchs Petrolub AG
„Die Zeiten des einfachen „Preise drückens" sind in der chemischen Industrie schon lange vorbei. Man sollte sich zum Beispiel Gedanken um die eigenen Bedürfnisse an den Rohstoff machen. Bestimmte Grenzwerte sind nur durch eine verlängerte Prozessführung zu erreichen. Verlängerte Prozessführung führt jedoch zu höheren Kosten. In einer guten Kooperation zwischen Lieferant und Kunde untersucht man, ob sich bestimmte Grenzwerte so optimieren lassen, dass nur das Notwendige erreicht wird. Auch wenn dies nicht bei allen Parametern möglich ist, kann es Ansatzpunkte geben. Diese werden in partnerschaftlichen Gesprächen zwischen Kunde und Lieferant diskutiert."
Dr. Norbert Flüggen, Chief Sourcing Officer, Altana AG
„Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten ist für uns eine entscheidende Grundlage für den Unternehmenserfolg. Gemeinsam entwickeln wir Strategien zur Optimierung der Zusammenarbeit - von Verbesserungen der Logistikkette über die Erfüllung von Umweltaspekten bis hin zur Entwicklung gemeinsamer Innovationsprojekte."
Dr. Sven Mandewirth, Partner, Camelot Management Consultants
„Verfügbarkeit und Preisentwicklung von Rohstoffen sind zum größten Wachstumsrisiko für die Chemieindustrie geworden. Bei einer CHEMonitor-Befragung zum Thema Sourcing, die wir vor knapp zwei Jahren durchführten, nannten 64 % der befragten Panel-Mitglieder steigende Energie- und Rohstoffpreise als größte Wachstumsbarriere für ihr Unternehmen. Maßnahmen zur Absicherung gegen Versorgungsrisiken haben höchste Priorität und erfordern neue Kooperationen mit Lieferanten. Für 44 % der Befragten Top-Manager liegt der primäre Fokus bei der Sicherung der Rohstoffversorgung auf Aktivitäten im Lieferantenmanagement."