NAMUR Kolumne Prozessindustrie: Digitalisierung und Automatisierung in der Prozessindustrie
18.05.2020 - Die NAMUR, Interessengemeinschaft Automatisierungstechnik der Prozessindustrie, ist ein internationaler Verband der Anwender von Automatisierungstechnik und Digitalisierung der Prozessindustrie.
Seit über 70 Jahren vertreten wir erfolgreich die Interessen unserer Mitglieder. Wir bündeln die Kompetenzen von Automatisierung und Digitalisierung in der Prozessindustrie und leisten einen Beitrag zur Wertschöpfung der Unternehmen mit dem Ziel sicherer, effizienter und nachhaltiger Prozesse.
Mit dieser Kolumne wollen wir regelmäßig aktuelle Themen der Digitalisierung und Automatisierung in der Prozessindustrie vorstellen und zeigen, wie Digitalisierung die Produktion in Chemie- und Pharmaindustrie verändert, wie dadurch Werte geschaffen und die Lieferketten enger vernetzt werden. Diese Kolumne wird in Partnerschaft mit dem jeweiligen Sponsor der NAMUR-Hauptsitzung realisiert. Auch wenn die NAMUR-Hauptsitzung 2020 angesichts der Unsicherheit über die Entwicklung der Covid-19-Pandemie als Präsenzveranstaltung abgesagt ist, freuen wir uns, mit Schneider Electric als Sponsor 2021 hier den Anfang machen zu können.
Mehrwert durch Digitalisierung
Die Digitalisierung in der Prozessindustrie wird bei unseren hoch integrierten Anlagen nur erfolgreich sein, wenn wir sie ganzheitlich angehen und uns auf die Felder fokussieren, die signifikanten Mehrwert für die Zukunft bringen.
Der ganzheitliche Ansatz muss beim Ursprung ansetzen, dem Beginn des Produkt- und Anlagenlebenszyklus. Bisher ist die Produktentwicklung in der Chemie noch sehr empirisch. Wir brauchen Modelle für unsere Produkte, damit wir basierend auf diesen Daten unsere Prozesse und Anlagen simulieren und auslegen können. In der Prozesssimulation hat die Prozessindustrie über die letzten Jahrzehnte einen hohen Reifegrad erreicht. Wir können unsere Prozesse thermodynamisch statisch und zum Teil dynamisch simulieren. Die Simulationsergebnisse, die verfahrenstechnischen Auslegungsdaten, müssen dem Engineering zur Verfügung gestellt werden. Hier findet man in der Praxis den ersten Bruch in der Datenübergabe. Weitere Schnittstellen bestehen im Engineering zwischen den verschiedenen Gewerken, das jedes Gewerk mit einen spezifischen CAE-System arbeitet. Und spätestens bei der Übergabe an die Produktion geht die im Engineering aufgebaute Information verloren, da die Daten in Form von Zeichnungen oder Excel-Listen übergeben werden.
Das Zauberwort heißt durchgängiges Datenmanagement oder „integrated Engineering“, in dem Daten und Informationen in einem integrierten Informationsmodell der Anlage in einer Datenbank gehalten werden, auf die alle CAE-Systeme zugreifen. Damit wird ein durchgängiges, konsistentes Datenmanagement bis in den Betrieb möglich, welches automatisch die Information zur Verfügung stellt, auf denen die Automatisierungstechnik und die digitalen Optimierungstools aufsetzen können.
Das ganzheitliche Datenmodell muss die Stoffinformation, die Asset- und Strukturinformationen enthalten (Asset Lifecycle Datenmodell), damit wir darauf die zeitabhängigen Betriebsdaten aufsetzen können (Operations-Datenmodell). Das reicht aber nicht, um auf einen höheren Level der Digitalisierung zu kommen. Um Voraussagen machen zu können oder komplexe Systeme autonom fahren zu können, brauchen wir ein „Verhaltens- oder Simulationsmodell“ der As-Built-Anlagen. Dann haben wir die Möglichkeit, Prozesse und Anlagen optimal zu fahren und, wenn die Modelle standardisiert sind, komplette Produktionseinheiten und Werke zu optimieren.
Nachhaltig wirtschaften
Der wesentliche Treiber der Entwicklung in der Prozessindustrie in den nächsten Jahren wird die Nachhaltigkeit, d. h. die CO2-Reduktion sein. Das Ziel der CO2-Neutralität werden wir nicht mit der weiter notwendigen Prozessoptimierung allein erreichen. Hier müssen wir in der Zukunft komplette Produktionsverbünde und Werke modellmäßig abbilden und bezüglich Stoffverbund und Energie optimieren. Wir brauchen Konzepte, wie wir unsere kompletten Stoffströme neu aufsetzen und unsere Energieversorgung CO2-neutral gestalten. Die Werkzeuge sind Kreislaufwirtschaft, „Power to Gas“, CO2-Rückgewinnung, Wasserstoffwirtschaft und ein flexibles Energiemanagement. Das bedeutet, dass wir komplette Verbundstrukturen überdenken, verändern und flexibilisieren müssen. Diesen Veränderungsprozess effizient zu gestalten, wird nicht ohne integriertes Datenmanagement gelingen.
Kontakt
NAMUR - Interessengemeinschaft Automatisierungstechnik der Prozessindustrie e.V.
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