Katalysatoren für effizientere Prozesse
Evonik investiert in Schlüsseltechnologien und Zukunftsmärkte für Chemiekatalysatoren
Die Katalyse ist eine Schlüsseltechnologie für nachhaltige Herstellungsverfahren in der chemischen Industrie. Bei rund 90 % aller chemischen Produkte – von anorganischen und organischen Basischemikalien, Kunststoffen über kosmetische Rohstoffe bis zu Pflanzenschutz- und Arzneimitteln – spielen katalytische Verfahren eine wichtige Rolle und tragen entscheidend zur Wertschöpfung bei. Katalysatoren sind auch ein Kerngeschäft von Evonik. Der Essener Spezialchemiekonzern hat das Portfolio seines im Konzernsegment Resource Efficiency angesiedelten Geschäftsgebiets Catalysts mit dem Zukauf des indischen Unternehmens Monarch Catalyst vor zwei Jahren erweitert und damit dessen globale Marktposition gestärkt. Dr. Michael Reubold sprach mit dem Geschäftsgebietsleiter Dr. Steffen Hasenzahl über die Bedeutung von Katalysatoren, aber auch über ressourcenschonende Verfahren und Problemlösungen.
CHEManager: Herr Dr. Hasenzahl, Evonik fokussiert sich auf Megatrends wie Gesundheit und Ernährung, Ressourceneffizienz und Globalisierung. Erläutern Sie uns bitte zunächst, wie das Katalysatorgeschäft in das Konzernportfolio passt.
Dr. S. Hasenzahl: Katalysatoren passen bestens zu Evonik, denn als einer der führenden Hersteller von Spezialchemikalien konzentrieren wir uns auf Geschäftsgebiete mit hoher Wertschöpfung – und Katalysatoren sind der „Wertschöpfer“ in der chemischen Industrie schlechthin.
Evonik hat sein Geschäft auf die in ihrer Frage genannten Trends ausgerichtet und in drei operative Segmente gegliedert: Nutrition & Care, Performance Materials und Resource Efficiency. Catalysts ist eines von neun Geschäftsgebieten im Segment Resource Efficiency, welches im Geschäftsjahr 2016 mit mehr als 8.900 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 4,5 Milliarden EUR erwirtschaftete. Dazu passt unser Geschäftsgebiet hervorragend, denn Katalysatoren helfen, den Energie- und Ressourcenverbrauch von chemischen Verfahren und Prozessen ganz wesentlich zu reduzieren.
Wie ist Ihr Geschäftsgebiet im Markt positioniert?
Dr. S. Hasenzahl: Unser Fokus liegt auf Katalysatoren für die Chemieindustrie und angrenzender Gebiete wie zum Beispiel der Pharmazie und Agrarindustrie. Nicht aktiv sind wir hingegen auf den Gebieten der Abgasreinigungs- und Raffineriekatalysatoren sowie Katalysatoren für die Herstellung von Grundchemikalien wie Ammoniak oder Methanol.
Neben dem Produktgeschäft ist unser Projektgeschäft ein weiteres zentrales Standbein. Hier arbeiten wir mit nahezu allen führenden Firmen in der chemischen und petrochemischen Industrie zusammen und entwickeln mit diesen maßgeschneiderte Katalysatoren für deren Schlüsselprozesse.
Wie sind Sie geografisch aufgestellt?
Dr. S. Hasenzahl: Die Business Line Catalysts von Evonik ist ein globaler Spieler mit insgesamt acht Produktionsstätten. Zu unserem weltweiten Produktionsnetzwerk gehören die deutschen Standorte in Hanau, Marl und Rheinfelden sowie die internationalen Standorte Calvert City in den USA, Americana in Brasilien, Tsukuba in Japan, Shanghai in China sowie Dombivli in Indien. Letztgenanntes Werk haben wir im Jahr 2015 von der ehemaligen Monarch Catalyst erworben. So sind wir in allen relevanten Wachstumsregionen und -märkten vertreten. Von hier aus bedienen wir die Hersteller von pharmazeutischen Produkten, Agrochemikalien und Lebensmitteln, die wir im Marktsegment Life Science & Fine Chemicals zusammenfassen. Außerdem beliefern wir eine Vielzahl unterschiedlichster Kunden in den Segmenten Industrial & Petrochemicals sowie Polyolefine mit Katalysatoren bzw. Katalysator-Komponenten. Unser Produktportfolio umfasst neben aktivierten Nickelkatalysatoren und Nickel-basierten Hydrierkatalysatoren für Öle und Fette, Edelmetallpulverkatalysatoren und Komponenten für Olefin-Polymerisationskatalysatoren auch ein breites Portfolio an Festbettkatalysatoren.
Welche Bedeutung haben Zukäufe wie der von Monarch in Indien für Ihr Geschäft?
Dr. S. Hasenzahl: Der Schwerpunkt des Marktwachstums liegt nach wie vor in Asien, insbesondere in China und Indien. Mit dem erworbenen Produktionsstandort der ehemaligen Monarch Catalyst etwa 50 Kilometer östlich von Mumbai können wir unsere Kunden insbesondere im Marktsegment Life Sciences & Fine Chemicals in Indien und generell im Wachstumsmarkt Asien bestens bedienen. In dem Unternehmen mit ca. 300 Mitarbeitern, das inzwischen komplett integriert und unter dem Namen Evonik Catalysts India firmiert, sind nun alle unsere Katalysatoraktivitäten in Indien gebündelt und inzwischen sogar einige globale Funktionen angesiedelt.
Indien ist mittlerweile auch einer der ganz großen Märkte für Edelmetallpulverkatalysatoren. Mit Evonik Catalysts India verfügen wir über einen eigenen geschlossenen Edelmetallkreislauf, den wir anderswo auf der Welt mit Partnern anbieten. Weiterhin können wir gebrauchte Nickel-Katalysatoren rezyklieren.
Eine Akquisition wie die von Monarch Catalysts passt daher perfekt zu unserem Geschäft. Produkte, Technologien und Anwendungen ergänzen unser Portfolio in idealer Weise und versprechen ein hohes Wachstumspotential.
Ansonsten investieren wir im Geschäftsgebiet in die Weiterentwicklung unserer eigenen Produktionskapazitäten. Zurzeit modernisieren wir den Standort in Indien und bauen ihn aus. Aber auch an unseren deutschen Werken und in den USA investieren wir. Eines unserer größeren Projekte im letzten Jahr war die Erweiterung unserer Formgebungskapazitäten in Marl. Bei Hochleistungskatalysatoren für Festbettanwendungen stellt die Formgebung durch Verfahren wie Granulation, Extrusion und Tablettierung einen wesentlichen Schritt im Herstellungsprozess dar.
Wo investieren Sie derzeit in Forschung und Entwicklung?
Dr. S. Hasenzahl:. Wir sind immer dabei, auch neue Katalysatorsysteme zu entwickeln. Ein prominentes Beispiel, das wir auch weiterhin intensiv verfolgen, sind Katalysatoren für Oxidationsreaktionen mit Wasserstoffperoxid. Weiterhin arbeiten wir daran, neue aktivierte Nickelkatalysatortypen zu entwickeln. Katalysatorforschung und -entwicklung betreiben wir weltweit – an unseren beiden deutschen Forschungsstandorten in Hanau und in Marl sowie in den USA, China, Japan und Indien.
Durch die Akquisition in Indien haben Sie Ihr Portfolio um Katalysatoren zur Öl- und Fetthydrierung erweitert. Welche Bedeutung messen Sie diesem Geschäft zu?
Dr. S. Hasenzahl: Öle und Fette spielen in unserem Leben eine große Rolle, beispielsweise in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie, aber auch in vielen technischen Anwendungen, zum Beispiel als Schmiermittel. Bevor man natürlich gewonnene Öle und Fette weiter verarbeiten kann, müssen sie entsprechend aufgearbeitet und modifiziert werden, z. B. durch Hydrierung von Doppelbindungen in der Fettsäurekette, oft unter Verwendung der Hydrierkatalysatoren von Evonik. Von Indien aus verkaufen wir diese Katalysatoren in die ganze Welt. In Dombivli befindet sich auch unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung für diese Produkte.
Zudem ist Südostasien mit großen Flächenländern wie Indonesien, Malaysia oder Thailand, wo viel pflanzliche Öle und Fette produziert werden, ein interessanter Wachstumsmarkt für uns, den wir von Singapur aus betreuen.
Da wir über Märkte reden: Wie schätzen Sie China ein?
Dr. S. Hasenzahl: China gilt zwischenzeitlich als der größte Markt für Spezialchemikalien. Es ist ein sehr wettbewerbsintensiver Markt, der zwar nicht mehr ganz so schnell wächst wie noch vor einigen Jahren, aber alleine auf Grund seiner Größe unverändert wichtig für unser Geschäft ist. Chinesische Firmen sind an hochwertigen Technologien sehr interessiert, und wir glauben, dass wir mit unseren Produkten und Lösungen, die wir zu regionalen Bedingungen anbieten können, gut positioniert sind. Auch die Bestrebungen der chinesischen Regierung, ressourcen- und umweltschonendere Prozesse sowie wertschöpfungsstarke Industriebranchen wie die Spezialchemie im Land zu fördern, sind für uns als Hersteller hochwertiger Produkte eine große Chance.
Wie können Sie Ihre hochwertigen Produkte in China zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten?
Dr. S. Hasenzahl: Chinesische Kunden sind durchaus bereit, für einen technischen Vorteil etwas mehr zu bezahlen, der Wettbewerbsdruck ist jedoch hoch. Neben dem eigentlichen Katalysator-Know-how spielen deswegen auch der Rohstoffeinkauf und ein geschlossener Metallkreislauf entscheidende Rollen. Und das funktioniert nur, wenn man fähige Leute vor Ort hat, die zum einen etwas von Katalyse verstehen, zum anderen aber auch mit Sprache und Gepflogenheiten in China bestens vertraut sind und so unmittelbaren Zugang zu den Kunden haben.
Was sind denn für Sie die Innovationstreiber im Katalysatorgeschäft?
Dr. S. Hasenzahl: Ressourceneffizienz ist das großes Thema. Deswegen sind wir als Geschäftsgebiet Catalysts im Segment Evonik Resource Efficiency so gut aufgehoben. Wir beliefern ja nicht nur externe Kunden mit Katalysatoren, sondern auch zahlreiche Geschäftseinheiten innerhalb von Evonik selbst. Die Value Proposition unseres Segments lautet “more value, less resource”, und das passt ideal zu unserem Geschäft. Es bringt mit wenigen Worten zum Ausdruck, was unsere Kunden von uns erwarten: immer effizientere, aktivere und selektivere Katalysatoren mit einer längeren Standzeit, die sie in die Lage versetzen, ihre Prozesse noch effizienter, ressourcenschonender und mit höheren Ausbeuten zu fahren. Prozessentwicklung geht dabei immer Hand in Hand mit der Katalysatorentwicklung.
Weitere Treiber für Innovationen in der Katalyse sind Regulationen wie REACh. Der Regulierer ist gewissermaßen immer auch Innovator. Auch die Verwendung neuer Rohstoffe fördert Entwicklungen in der Katalyse, denken Sie zum Beispiel an Schiefergas in den USA, Biomasse bzw. neuerdings auch CO2 als Rohstoffe.
Wie schätzen Sie den Trend zu biobasierten Chemikalien ein?
Dr. S. Hasenzahl: Dabei geht es ja insbesondere um die Herstellung von Plattformchemikalien wie Bernsteinsäure oder Hydroxymethylfurfural aus Biomasse. Wir haben zahlreiche Kundenanfragen aus allen Teilen der Welt zum Thema Katalysatoren für Biomasse-Konversion. Oft steht dabei die Rohstoffflexibilität im Vordergrund. Die Herstellung von Chemikalien aus nachwachsenden Rohstoffen erfordert neue Synthesestrategien, die biotechnologische und chemische Prozesse miteinander verknüpfen. Damit ist man schnell auch bei der Frage nach neuen Katalysatorsystemen. Biobasierte Plattformchemikalien stehen allerdings immer im Wettbewerb mit aus fossilen Rohstoffen gewonnenen, vor allem bei den derzeitig relativ niedrigen Öl- und Gaspreisen.
Was tut sich bei den Katalysatoren selbst?
Dr. S. Hasenzahl: Die Substitution von Edelmetallen durch andere Metalle wie Kobalt, Nickel, Eisen, Kupfer sehen wir als Chance, da dies mit echten Kostenvorteilen für alle Beteiligten verbunden wäre. Auf Grund ihrer hohen Effizienz wird es wird jedoch nicht auf breiter Front möglich sein, edelmetallbasierte Katalysatoren zu ersetzen. Auch die Substitution von Chrom-VI ist ein Thema.
Wie beurteilen Sie den Absatzmarkt Pharma für Ihr Geschäft?
Dr. S. Hasenzahl: In der pharmazeutischen Industrie werden unsere Katalysatoren vorwiegend für bestimmte Prozessschritte wie beispielsweise Hydrierungen zur Synthese von Wirkstoffen – APIs - bzw. Zwischenprodukten eingesetzt. Wir passen die Katalysatoren stetig an und optimieren sie. Beim Thema Innovation für die Pharmaindustrie geht es jedoch mehr um Produkt- und Prozessverbesserungen, weil es hohe regulatorische Anforderungen gibt. Außerdem nimmt der Druck durch Generika zu. Übrigens sind auch deswegen Indien und China wichtige Märkte für uns, weil viele dieser generischen Wirkstoffe dort produziert werden.
In der Pharmaindustrie gibt es zudem schon seit längerem die Bestrebung, die typischen Batch-Prozesse durch kontinuierliche Prozesse zu ersetzen – Flow Chemistry ist das Schlagwort. APIs kontinuierlich herzustellen, bietet Chancen. Und dafür werden geeignete Katalysatorsysteme benötigt, an deren Entwicklung wir arbeiten. Die Frage, wann das Thema Flow Chemistry in der Pharmaproduktion den Durchbruch schaffen wird, ist hingegen schwer zu beantworten. Das hängt von vielen Faktoren ab.
Das Thema Nachhaltigkeit spielt auch zunehmend bei der Herstellung von Kunststoffen wie Polyolefinen eine Rolle. Welches Innovationspotential sehen Sie hier?
Dr. S. Hasenzahl: Auch bei der Erzeugung von Polyolefinen ist man ständig auf der Suche nach immer effizienteren Katalysatoren. Wir produzieren ja vor allem Komponenten für Ziegler- und Ziegler-Natta-Katalysatoren und verfolgen jetzt verstärkt die Entwicklung von neuen Trägermaterialen. Wichtig für die Entwicklung von wirksamen Katalysatoren ist die Kontrolle der Morphologie, die wir als Konzern basierend auf unseren Erfahrungen im Bereich Silica gut beherrschen.