Der Neubau eines Pharmalagers erfordert eine intensive Planungsphase
Der Weg von einer vagen Idee zur konkreten Umsetzung
Seit fast zehn Jahren ist die GDP (Good Distribution Practices) Guideline der Europäischen Union für Humanmedizin nun in Kraft. In der Folgezeit wurden weitere GDP für Wirkstoffe und für den Tierarzneimittelbereich (Fertigarzneimittel und Wirkstoffe) implementiert. 2020 erfolgte die Veröffentlichung der Good Storage and Distribution Practices der Weltgesundheitsorganisation WHO. In all diesen Vorgaben erfolgen detaillierte Angaben für die Anforderungen an die Lagerung. Diese ergänzen die nationalen Vorschriften in den jeweiligen Ländern wie die Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung AMWHV oder die Arzneimittel-Härtefall-Verordnung AMHV in Deutschland.
Im Folgenden sollen Details zu den Anforderungen an die Lagerung von Arzneimitteln aufgezeigt und Erläuterung zu deren Umsetzung im Rahmen eines Bauprojekts der Spedition Hütter gegeben werden.
Anforderungen an ein Pharmalager
Die Räumlichkeiten sollen ausreichend dimensioniert und beleuchtet sein und sich in einem angemessenen baulichen Zustand befinden, da sie letztendlich die Hardware für eine ordentliche Lagerhaltung sind. Die angemessene Größe gilt ebenfalls für Wareneingangs-/ausgangsbereiche und die Sonderzonen (Quarantäne, Sperrlager, Vernichtungslager, Retourenlager). Insbesondere bei den Wareneingangs-/ausgangsbereichen ist ein Konzept gefragt, das flexibel an das Volumen des Warenumschlags angepasst werden kann. Dabei ist grundlegend, dass eine deutlich abgegrenzte Fläche für die Bereiche ausgewiesen wird. Optional kann eine Pufferfläche Spitzen abdecken.
Die angemessene Größe ist bei einem Neubau eine unscharfe Größe, denn in der Regel ist das Volumen der einzulagernden und/oder umzuschlagenden Produkte nicht genau prognostizierbar. Hier hilft immer der Ansatz, „auf Zuwachs“ zu planen. Orientierung kann man sicherlich auch durch Betrachtung anderer Pharmalager gewinnen. Dies setzt selbstverständlich voraus, dass sich mit dem vorhandenen Baugrund die Wunschgröße auch realisieren lässt.
Lagerräumlichkeiten sollten über eine Zutrittskontrolle verfügen. Dies wird bei Neubauten in der Regel über Chipsysteme realisiert. Der Vorteil besteht darin, dass den Mitarbeitenden individuell Zutritt zu ausgewiesenen Bereichen erteilt wird, ebenso ist der Entzug der Erlaubnis unkompliziert und sehr schnell umzusetzen, indem der individuelle Chip gesperrt wird. Auf Prozessebene sind Anweisungen für Besucher und Handwerker zu verankern. Beim Thema Gebäudesicherheit ist es hilfreich, sich an den Facility Security Requirements der TAPA (Transported Asset Protection Association) zu orientieren und ggf. eine Zertifizierung in diesem Bereich anzustreben. Als Zwischenschritt kann die Zulassung als reglementierter Beauftragter und bekannter Versender durch das Luftfahrt-Bundesamt dienen.
Die Rampen müssen über einen Witterungsschutz verfügen. Bei der Umsetzung dieser grundlegenden Anforderung stehen mehrere Optionen zur Verfügung: Schleppdach, aufblasbare Dichtungen für die Ladedocks oder Überladebrücken für besonders temperatursensitive Produkte.
Neben der Implementierung eines Reinigungsprogramms sollte im Vorfeld die Immobilie so geschaffen sein, dass der Reinigungsprozess erleichtert wird, wie bspw. durch eine glatte Bodenplatte ohne Risse und Spalten.
Eine vorbeugende Schädlingsbekämpfung beginnt mit einer ausführlichen Gefährdungsanalyse. Diese ist entsprechend zu dokumentieren und kontrollieren. Darin werden mögliche Gefährdungspunkte allokiert. Diese Risikoanalyse ist regelmäßig erneut durchzuführen – nicht nur nach einem Schädlingsbefall.
Erforderliche Qualifizierungen
Qualifizierungstätigkeiten spielen bei einem Neubau eine zentrale Rolle. Dafür sind in der Planungsphase ausreichende Zeitfenster zu bestimmen. Die Qualifizierung erstreckt sich auf zwei Bereiche: erstens die eingesetzten Lieferanten und Dienstleister und zweitens den Qualifizierungsprozess der Räumlichkeit und der Einrichtungsgegenstände, sofern anwendbar.
Bei der Qualifizierung von Dienstleistern und Lieferanten erfolgt die grundlegende Entscheidung, welche Form für das ggf. erforderliche Audit eingesetzt wird. Die Entscheidungsgrundlage basiert auf einer Risikoeinschätzung und ist im Wesentlichen von der Art und dem Umfang der Tätigkeiten, dem Ort der Leistungserbringung und dem Vorhandensein der Zertifizierung über das Qualitätsmanagementsystem abhängig. Nehmen wir bspw. einen Pest Controller: Dieser erbringt die Leistung in dem Gebäude. Hier ist in der Regel eine papierbasierte Qualifizierung ausreichend. Ähnlich gelagert verhält es sich mit dem Lieferanten für die Klimatechnik. Die Software für die Temperaturüberwachung sollte einen Validierungsprozess durchlaufen. In der Regel erfolgt dies zusammen mit dem Dienstleister, der diese Programme liefert. Als erster Schritt erfolgt die Erstellung eines Lasten-/Pflichtenheftes, eine Risikoanalyse. Hilfreich ist stets, wenn Anforderungen an die Dokumentation im Vorfeld festgelegt werden, bspw. mittels einer entsprechenden Verfahrensanweisung.
Die Qualifizierung der Räumlichkeiten und Einrichtungsgegenstände nimmt zeitlich einen weitaus größeren Raum ein. Die Qualifizierungsschritte erstrecken sich über die Designqualifizierung, Installationsqualifizierung, funktionale Qualifizierung und abschließend die Leistungsqualifizierung. Die Temperaturverteilungsstudie ist nur ein Teil dieses Prozesses. Die Qualifizierung für den Nachweis der Geeignetheit hat unter saisonalen Bedingungen (Sommer-/Winterbedingungen) zu erfolgen, bspw. könnte nach der Fertigstellung der Lagerhalle im Juli diese im August unter Sommerbedingungen qualifiziert werden, womit sich eine grundlegende Frage stellt: Kann das Pharmalager bereits ab September betrieben werden, also zu einem Zeitpunkt, an dem das Wintermapping noch nicht vorliegt? Eine pauschale Antwort darauf lässt sich nicht geben, man kann aber mit folgendem Sachverhalt argumentieren: Das Sommermapping zeigte keine besonderen Auffälligkeiten, die permanenten Monitoringfühler wurden an den Positionen installiert, die sich aus dem Sommermapping ergaben. In der Regel kann ein Betrieb des Lagers erfolgen, ein Wintermapping ist zwingend durchzuführen und ggf. müssen die Position der Monitoringfühler angepasst werden. Hierbei ist es hilfreich, wenn man die Logger-Positionen für das Mapping fest markiert. Eine Positionierung ausschließlich anhand des Lageplans kann unter Umständen zu Unklarheiten führen. Der Qualifizierungsplan beschreibt die gewählten Akzeptanzkriterien wie bspw. Dauer der Temperaturerhebung, Messintervall, Messgenauigkeit, Anzahl und Position der Logger inkl. Ebenen, Gründe für den Abbruch der Qualifizierung, Umgang mit Abweichungen und Minimal-/Maximal-Temperaturen für Winter-/Sommerbedingungen.
Bei der Qualifizierung von Kühlzellen als Raum im Raumkonzept wird ähnlich vorgegangen, nur entfällt die Qualifizierung unter saisonalen Bedingungen, wenn die Kühlzelle in einer qualifizierten und somit kontrollierten Umgebung steht.
Aktuelles Bauprojekt bei Hütter
Bei Hütter lagen zwischen den ersten Gedanken für den Bau eines neuen Pharmalagers bis zum Spatenstich am 15. Mai 2023 fast fünf Jahre. Für die intensive Planungsphase wurden zwei Jahre benötigt. Diese beinhaltete ebenfalls eine detaillierte Risikoanalyse, die im interdisziplinären Team erstellt wurde. Mit dem ausführenden Bauunternehmer und anderen wurden mögliche Risiken identifiziert, analysiert und bewertet – letztendlich, um die Challenges, die jeder Bau mit sich bringt, auszuschließen oder zu verringern. All dies ist aufwendig und bindet Kapazitäten, hilft aber, Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Nach intensiver Marktrecherche hat sich Huetter entschieden, ein +15 °C bis +25 °C Multimandantenlager mit 9.000 m² (7.500 Palettenstellplätze) zu errichten, wobei einzelne Hallenabschnitte auch dediziert von einzelnen Kunden belegt werden können. Die Lagerung von Betäubungsmitteln kann in einem zweiten Schritt realisiert werden, ebenso die Lagerung von Kühlware von +2 °C bis +8 °C. Die Fertigstellung und Inbetriebnahme sind für das vierte Quartal 2024 geplant.
Autor: Dirk Hütter, Business Development Manager, Hütter Spedition und Logistik, Öhringen
Zur Person
Dirk Hütter ist seit September 2018 im Familienunternehmen Hütter tätig. Zuvor hatte er den BWL-Masterstudiengang mit dem Schwerpunkt „Unternehmensentwicklung“ abgeschlossen. Sein Schwerpunkt liegt dort im Bereich Business Development. Zudem ist er der Sicherheitsbeauftragte für TAPA-geregelte Sicherheitstransporte und die Luftfracht.