Logistik & Supply Chain

Sicherheit und Nachhaltigkeit im Pharmatransport

Was Recyclingmaterialien und Mehrwegsysteme für Kühl- und Isolierverpackungen bedeuten

21.02.2024 - Interview mit Florian Siedenburg, Geschäftsführer von Ecocool.

CSRD-Richtlinie, Lieferkettengesetz, Verpackungsverordnung: Wenn es um die Nachhaltigkeit der Supply Chains geht, sehen sich auch Pharmalogistiker mit immer mehr regulativen Anforderungen konfrontiert. Nach wie vor ist die EU-GDP-Guideline die wichtigste gesetzliche Grundlage, wenn es um die Sicherheit von Pharmatransporten geht. Gleichzeitig nimmt der Druck auf die Branche zu, nachhaltiger zu verpacken und zu transportieren. Wie lassen sich die Anforderungen an Qualität und Nachhaltigkeit vereinbaren? Welche Lösungsansätze gibt es bei der Transportverpackung für temperatursensible Pharmazeutika? Darüber sprach Bruno Lukas für CHEManager mit Florian Siedenburg, Geschäftsführer von Ecocool. Das Familienunternehmen aus Bremerhaven hat sich auf die Herstellung von Thermohauben sowie Kühl- und Isolierverpackungen für Pharma und Food spezialisiert.

CHEManager: Herr Siedenburg, seit rund zehn Jahren bestimmt die novellierte EU-Leitlinie Good Distribution Practice, kurz GDP, die Bedingungen im Pharmatransport. Wie hat sich der Markt der Transportverpackungen entwickelt? Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit inzwischen?

Florian Siedenburg: Die 2013 erfolgte Novelle der GDP hat zunächst dafür gesorgt, dass Pharmazeutika gemäß Lagerbedingungen transportiert werden müssen. Damit wurde die Produktsicherheit beim Transport erhöht. Temperatursensible Arzneimittel müssen seither unter temperaturkontrollierten Bedingungen befördert werden. Dies kann durch aktiv temperierte Kühlfahrzeuge erfolgen oder durch passive Systeme. Letztere sind Kühl- und Isolierverpackungen, wie wir sie zum Beispiel mit unseren GDP-konformen Pharmaboxen anbieten. Zusätzlichen Schutz bieten unsere Thermohauben für Palettenware. Diese schützen die sensible Fracht gerade beim Warenumschlag vor extremen Witterungseinflüssen. Mit den neu hinzugekommenen Anforderungen nach nachhaltigeren Verpackungsmaterialien stehen Anwender vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen neben der Produktsicherheit auch den zunehmenden Forderungen nach umweltschonenderen Verpackungen gerecht werden.

 

„Die Vereinbarkeit von Produktsicherheit und Nachhaltigkeit ist eine komplexe Herausforderung.“

 

Wie können diese Forderungen nach mehr Nachhaltigkeit und Sicherheit in Einklang gebracht werden?

F. Siedenburg: Beim Pharmatransport wird die Sicherheit der Ware immer an erster Stelle stehen, denn hier geht es um die Gesundheit der Patienten. Deshalb haben Vorgaben wie die GDP auch in Zukunft weiterhin die höchste Priorität. Für die Transportverpackung heißt dies, dass die Temperatur-Range gemäß Lagerbedingungen – also zum Beispiel 2 bis 8 °C oder 15 bis 25 °C – stets eingehalten werden muss. Auch wenn Sicherheit stets vorgeht, kommt langsam Bewegung in den Markt für nachhaltige Pharmaverpackungen. Insbesondere im Bereich der passiven Versandboxen in Paketgröße gibt es hier bereits einige Entwicklungen weg von EPS und hin zu nachhaltigen Isoliermaterialien oder Mehrwegsystemen.

Ein zweiter Aspekt neben dem Verpackungsmaterial ist der CO2-Fußabdruck des Transportprozesses an sich. Hierzu wird von vielen Marktteilnehmern häufig die Verwendung von Mehrweglösungen propagiert. Doch obwohl Mehrwegsysteme ohne Frage Verpackungsmüll reduzieren, ist ihre Gesamtbilanz nicht immer so eindeutig. Dies gilt insbesondere für die Luftfracht. Ein Beispiel: Die Rückholung eines 300 kg schweren Luftfrachtcontainers würde bis zu 1.500 kg CO2 verursachen – dies muss bei einer ganzheitlichen Betrachtungsweise ebenfalls einbezogen werden und kann die Klimabilanz zugunsten von Einweglösungen verschieben.

 

„Auch wenn Sicherheit stets vorgeht, kommt langsam Bewegung in den Markt für nachhaltige Pharmaverpackungen.“

 

Wie sollen Verlader und Pharmalogistiker ihre Prioritäten setzen, wenn es um die Vereinbarkeit von Sicherheit und Nachhaltigkeit geht?

F. Siedenburg: Wie schon gesagt wird die Schutzfunktion der Verpackung bei temperatursensiblen Pharmazeutika immer an erster Stelle stehen. Vorausgesetzt, die Produktsicherheit ist stets gewährleistet, gibt es daneben zunehmend Spielräume für den Einsatz nachhaltigerer Verpackungen. Entscheidend ist jedoch, dass Anwender zunächst über die eigentliche Kernfrage nachdenken: Die Reduktion von Verpackungsmüll steht zwar im Fokus der breiten Öffentlichkeit, gleichzeitig hat aber die Reduktion von CO2-Emissionen innerhalb der Supply Chains große Bedeutung für die Erreichung der Klimaziele.

Pharmalogistiker sollten sich deshalb fragen, welches Problem im Vordergrund steht.

Wir können mit nachhaltigeren Materialien oder der Optimierung von Logistikketten die Emissionslast reduzieren. Wenn bei einzelnen Transporten jedoch aufgrund von unzureichendem Produktschutz gravierende Temperaturabweichungen eintreten, kann es vorkommen, dass einzelne Ladungen komplett vernichtet werden müssen. Das wäre der Worst Case, der unbedingt zu vermeiden ist. Denn in diesem Fall entsteht ein großer wirtschaftlicher und ökologischer Schaden. Deshalb ist die Vereinbarkeit von Produktsicherheit und Nachhaltigkeit eine komplexe Herausforderung. Dies erfordert bei der Auswahl geeigneter Transportverpackungen viel Know-how, Planung und Fingerspitzengefühl. Wir als Verpackungshersteller unterstützen unsere Kunden bei dieser anspruchsvollen Aufgabe.

 

Welche Lösungsansätze gibt es hierfür produktseitig und prozessseitig?

F. Siedenburg: Im Food-Bereich haben wir mit Isoliermaterial aus zellstoffbasierten Werkstoffen, Vlies aus Recycling-PET, bereits neue Maßstäbe gesetzt. Wir sind gerade dabei, diese Konzepte in der Produktentwicklung schrittweise auch auf unsere Pharmaverpackungen zu übertragen. Ein Beispiel für ein bereits verfügbares, nachhaltigeres Pharmaprodukt ist unsere Eco-Xtreme-­Thermohaube, deren mittlere Isolierschicht aus recyceltem PET besteht.

Daneben sind im Pharmaumfeld Mehrwegsysteme etabliert, die auf extrem leistungsstarken Isoliermaterialien wie Vakuumpaneelen und Kühlmitteln auf Paraffinbasis beruhen. In diesem Marktsegment verantworten wir das europäische Fulfillment- und Distributionslager für einen US-amerikanischen Premiumanbieter. Der Benefit dieser Lösung für den Kunden besteht hierbei vor allem prozessseitig in einem „Rundum-sorglos-Paket“. So werden bei Lieferung nicht nur die Isolierboxen, sondern auch die passenden Kühlakkus in dem perfekt vorkonditionierten Zustand angeliefert. Somit wird der Packvorgang maximal vereinfacht. Vor allem aber muss sich der Kunde nicht um die Return-Logistik der Boxen kümmern – dieser Prozess wird vom Anbieter selbst gesteuert, ganz ohne zusätzliche Kosten oder Risiken für den Kunden. Diese Lösung ist aufgrund der prozessualen Einfachheit und der extremen Sicherheit in Bezug auf die Temperaturführung von großem Nutzen – insbesondere im Bereich klinischer Studien oder dem Versand extrem hochpreisiger und sehr sensibler Arzneimittel.

 

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Zur Person

Florian Siedenburg ist seit 2015 Geschäftsführer von Ecocool. Er hat Volkswirtschaftslehre an den Universitäten in Kiel und Lissabon studiert und mit der Promotion in Ökonometrie im Jahr 2010 an der Universität Kiel seine Ausbildung abgeschlossen. Seine berufliche Laufbahn startete Siedenburg im Anschluss als Data Scientist bei Meteolytix, bis er im August 2013 seinen Einstieg bei Ecocool fand.

 

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