Chemie & Life Sciences

Chemiehandel robust in der Corona-Pandemie

Die Branche sichert auch in schwierigen Zeiten die Lieferketten

15.10.2020 - Stimmungsbild – Der Chemiehandel und Corona im September 2020

Um die Auswirkungen der dynamischen Entwicklungen abzubilden, hat der Verband Chemiehandel (VCH) bereits zum fünften Mal seine Mitglieder zum Stimmungsbild der Branche vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemi befragt. Die Umfrage wird jeweils zum Monatsanfang bezogen auf den zurückliegenden Monat durchgeführt und gibt eine Orientierung über die Auswirkungen der Pandemie auf die Branche.

Die Krise hat die Branche gleichsam zeitversetzt erreicht. Denn bis April ist der Chemiehandel gut in das Jahr gestartet. Neben der zu Beginn des Jahres positiven Entwicklung der Wirtschaft allgemein, lag dies auch daran, dass Kunden zu Beginn der Pandemie und der restriktiven Maßnahmen zunächst „ins Lager hinein“ gekauft haben. Dies möglicherweise aus Sorge um Störungen und Engpässe in den Lieferketten.

„Die Sorge der Kunden
um die Liefersicherheit hat sich weitestgehend
als unbegründet erwiesen.“

Die Sorge der Kunden um die Liefersicherheit hat sich weitestgehend als unbegründet erwiesen. Denn Dank des vielfältigen und weltweiten ­Sourcings konnte der Chemiehandel seine Kunden durchgehend und sicher versorgen. Dies auch zu Anfang der Pandemie, als die Beschaffung – insbesondere aus China und Indien – problematisch war. Dort hat sich die Lage, wie auch insgesamt bei der Beschaffung, entspannt.

Sondereffekt bei Desinfektionsmitteln
Seine Flexibilität konnte die Branche insbesondere zu Beginn der Pandemie bei der Versorgung mit Desinfektionsmitteln beweisen. Nach Freigabe der WHO-Rezepturen ist es gelungen, die Versorgung sowohl mit den Grundstoffen als auch Desinfektionsmitteln selbst schnell hochzufahren. Dieser Sondereffekt hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass die Branche den Beginn der Pandemie gut überstanden hat.

Automobilsektor stark betroffen
Über den Sommer hat sich dann aber ein negativer Trend bei den Aufträgen verfestigt. Hier beklagen rund 80 % der Befragten rückläufige Aufträge und aktuell gut 60 % negative Auswirkungen auf das Budget, wenn auch verbunden mit einer leichten Tendenz zur Besserung.

„Verantwortlich für diese negative Entwicklung
ist insbesondere der Automobilsektor
und deren Zulieferer…“

Verantwortlich für diese negative Entwicklung ist insbesondere der Automobilsektor (konstant bei über 80 % der Befragten) und deren Zulieferer, vor allem bei den Farben und Lacken, Schmierstoffen sowie den Kunststoffen. Die hierdurch bewirkte Entwicklung konnte auch durch den breiten Branchenmix der Kunden nicht ausgeglichen werden und wurde durch den traditionell in der Ferienzeit schwächeren Auftragseingang und die Tatsache verstärkt, dass die Läger der Kunden noch gut gefüllt waren. Allerdings scheint die Talsohle erreicht. So zeigt sich aktuell bei den genannten Zulieferern eine positive Tendenz.

Gelungene Krisenbewältigung
Insgesamt hat sich die Branche den Umfrageergebnissen zufolge in der Krise äußerst robust gezeigt. Staatliche Hilfsprogramme (zurzeit rund 5% der Befragten) und auch Kurzarbeit (bei rückläufiger Tendenz noch rund 14 % der Befragten) mussten nur äußerst selten in Anspruch genommen werden. Entlassungen hat es lediglich bei rund 5 % der Befragten und damit allenfalls in Einzelfällen gegeben. Insgesamt ist es der mittelständischen Branche bislang sehr gut gelungen, die schwierige Situation mit eigenen finanziellen Ressourcen zu meistern. Anfänglich war mit über 80 % der Befragten bei einem Großteil die Belegschaft im Homeoffice. Sowohl auf Seiten der Unternehmen als auch der Mitarbeiter waren die Erfahrungen hierbei äußerst positiv, so dass auch zukünftig das Homeoffice häufig wohl ein dauerhaftes Angebot bleiben wird. Mittlerweile aber kommen die Mitarbeiter zunehmend wieder in die Büros zurück, so dass der Wert lediglich noch bei 43 % liegt. Die für die Aufrechterhaltung des Betriebes wichtigen gewerblichen Mitarbeiter wurden in Schichten aufgeteilt, damit die Abläufe auch bei möglichen Infektionen sichergestellt sind.

Keine dramatischen Zahlungsausfälle
Erstmals im September hat der VCH auch nach den Auswirkungen der Krise auf das Zahlungsverhalten und den Reaktionen der Kreditversicherer gefragt. Für den Handel sind diese Fragen wegen seiner Finanzierungsfunktion von besonderer Bedeutung. Zahlungsausfälle sind derzeit nur in sehr geringem Maße bei gut 5 % und verspätete Zahlungen bei knapp 15 % der Befragten zu verzeichnen. Jedoch wird die Entwicklung insbesondere auch in Hinblick auf das Auslaufen der staatlichen Programme von den Unternehmen eng begleitet. In Bezugauf die Kreditversicherer geben immerhin knapp ein Fünftel der Befragten an, dass hier Deckungen gekürzt bzw. gestrichen werden.

Verhaltene Prognose
Wenn auch mit durchaus divergierenden Prognosen schätzen die Unternehmen die Entwicklung in den kommenden drei bis sechs Monaten insgesamt eher pessimistisch ein. Erfreulicherweise ist in der letzten Umfrage erstmals eine leichte Besserung der Aussichten zu verzeichnen. Hier wird zum einen viel von der Automobilbranche, aber vor allem auch von der Entwicklung der Pandemie in Europa abhängen. Denn Deutschland ist abhängig vom Export in die Nachbarländer. Die Entwicklung wieder steigender Infektionszahlen wird daher mit großer Sorge beobachtet. Dies umso mehr in Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung nicht zuletzt in Südeuropa. Zumindest in Deutschland selbst wird derzeit nicht mit erneuten flächendeckenden Maßnahmen gerechnet.

Autor: Ralph Alberti, geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Verband Chemiehandel e. V., Köln

ZUR PERSON
Ralph Alberti ist im Jahr 1997 beim Verband Chemiehandel (VCH) als Assistent der Geschäftsführung in die Verbandsarbeit eingestiegen. Im Anschluss war er sechs Jahre lang als Jurist im Rechtsamt der Stadt Krefeld tätig, bevor er ab 2006 zum VCH zurückkehrte und dessen Geschäfte führte. Seit 2018 ist er geschäftsführendes Vorstandsmitglied. Nach einem abgeschlossenen Jurastudium war er zunächst als Haftpflichtreferent beim Kommunalen Schadensausgleich ostdeutscher Länder (KSA) in Berlin. Alberti besitzt seit 2006 die Zulassung als Rechtsanwalt.

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