Chemie für Funktion und Design
Follmann produziert Spezialchemikalien für Papier, Textilien, Kleb- und Duftstoffe
Haben Sie sich auch schon mal gefragt, wer dafür sorgt, dass unsere Wäsche auch noch nach Tagen so frisch duftet wie am ersten Tag? Oder wer die Farben für Tapeten und die Klebstoffe für Möbel herstellt? Dahinter verbirgt sich ein international tätiges Familienunternehmen der chemischen Industrie aus Minden. Zu der umfangreichen Produktpalette von Follmann gehören Druckfarben für Papier und Verpackungen, Plastisole für Tapeten und technische Textilien, Holz- und Papierklebstoffe und die Mikroverkapselung von Duftstoffen. Susanna Bartl von der Hochschule des Mittestands Bielefeld sprach mit Geschäftsführer Stefan Wernecke.
S. Bartl: Follmann ist...?
S. Wernecke: ...ein Unternehmen für Spezialchemikalien, das viele anspruchsvolle und kundenindividuelle Produktlösungen entwickelt. Unsere hier ebenfalls ansässige Schwesterfirma Triflex entwickelt und vertreibt zudem anspruchsvolle Abdichtungslösungen für Dächer, Balkone und Parkdecks sowie Markierungssysteme für Straßen und Radwege. Daraus ergibt sich eine sehr unterschiedliche Kundenstruktur. Follmann beliefert etwa 500 Industrieunternehmen, während Triflex rd. 3.000 Handwerksbetriebe zu seiner Kundschaft zählt. Beide Unternehmen sind weltweit tätig. Follmann hat mit der OOO Follmann einen Standort in Russland und Triflex mehrere Vertriebsgesellschaften im europäischen Ausland.
Als Familienunternehmen sind Sie Minden treu geblieben, haben aber auch einen Standort in Russland. Wie kam es dazu?
S. Wernecke: Bereits seit 1993 sind wir in Russland im Vertrieb aktiv, zunächst zusammen mit einer Agentur. Dann ergab sich für uns die Chance, gemeinsam mit einem deutschen Tapetenhersteller eine Produktion in Moskau aufzubauen. 2004 gründeten wir dafür die OOO Follmann am Standort unseres Kunden, der uns eine Grundauslastung garantierte. Wenig später haben wir dann auch unser Handelswarenlager dorthin verlegt.
Welche Forschungsschwerpunkte sind zurzeit aktuell? Und planen Sie eine Erweiterung der Produktpalette?
S. Wernecke: Follmann ist in sechs unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig. Dem entsprechend haben wir auch technologisch sehr unterschiedliche Entwicklungsbereiche und Schwerpunkte: Eine Besonderheit ist das Labor Mikroverkapselung. Dort „verpacken" wir Duftöle in kleine Kunststoffkugeln, die einen Durchmesser von etwa 0,006 mm haben. Eingesetzt werden diese u.a. in der Parfümwerbung oder sie sorgen in Waschmitteln für einen lang anhaltenden Frischegeruch. Wir betreiben generell eine starke, kundennahe Neu- und Weiterentwicklung. Aktuell arbeiten wir z.B. an Mikrokapseln für Kosmetika und an wässrigen Druckfarben für Anwendungen auf Folien, z.B. für Lebensmittelverpackungen. Lösemittelfreie Druckfarben, formaldehydfreie Mikrokapseln, PVC- und weichmacherfreie Beschichtungen.
Fachkräftemangel ist ein heiß diskutiertes Thema. Welche Maßnahmen haben Sie als Unternehmen getroffen, um auch in Zukunft qualifiziertes Personal zu haben?
S. Wernecke: Den Fachkräftemangel spüren wir tatsächlich auch schon ein wenig, können aber immer noch alle Stellen adäquat besetzen. Follmann ist als innovatives, in vielen Bereichen marktführendes Unternehmen bekannt und kann als Mittelständler jungen Mitarbeitern Freiräume und die frühe Übernahme von Verantwortung bieten. Diese und weitere Eigenschaften eines klassischen Familienunternehmens machen uns besonders attraktiv. Wir reagieren aber auch mit speziellen Qualifizierungsmaßnahmen und haben z.B.l gemeinsam mit Triflex ein unternehmensübergreifendes Trainee-Programm entwickelt. Schwerpunktmäßig suchen wir derzeit Trainees für die Abteilungen Marketing und Vertrieb, die insbesondere unsere internationale Expansion unterstützen wollen. Außerdem bieten wir seit letztem Jahr in Kooperation mit der Hochschule BW ein duales Studium an. Wir suchen Tischler, die nach der Ausbildung ein Studium zum Holzingenieur absolvieren wollen und parallel die Follmann Anwendungstechnik für Holzklebstoffe kennen lernen. Mit Abschluss der Ausbildung stehen uns damit hochspezialisierte Experten zur Verfügung. Wir fördern den Chemieunterricht eines Mindener Gymnasiums und verleihen jährlich einen Chemiepreis an die beste oder den besten Abiturientin/-en. Und natürlich bilden wir engagierte junge Menschen zum Industriekaufmann, Chemikant, Chemielaborant und zukünftig auch zur Fachkraft für Lagerlogistik aus.
Welches Bild hat Ihrer Meinung nach die Öffentlichkeit von der Chemie?
S. Wernecke: Das früher einmal problematische Bild der chemischen Industrie, auf das Sie vermutlich ansprechen, gibt es schon lange nicht mehr. Die Branche hat sich schon lange geöffnet und sehr viel und offensiv kommuniziert. Auch wir leisten dazu unseren Beitrag und laden zum Dialog ein, zeigen gern unser Werk und unsere Leistungen und schaffen dadurch Transparenz und Vertrauen. Und viele Menschen wissen die Produkte der chemischen Industrie zumindest unbewusst zu schätzen, schließlich beliefert sie fast alle anderen Branchen und ist einer der wichtigsten Innovationstreiber Deutschlands.
Das Thema der Energieeffizienz gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wie gehen Sie damit um?
S. Wernecke: Der Schlüssel für eine erfolgreiche Energieeffizienz liegt neben dem rein wirtschaftlichen Aspekt in dem festen Willen zur Nachhaltigkeit. Es gibt keine Investition in unserem Unternehmen, die nicht auf diese Stellschraube hin geprüft wird. Dabei analysieren wir unsere Arbeitsprozesse sehr genau, um den Energiebedarf so gering wie möglich zu halten. Aktuell sind wir in der Planung hier in Minden ein Blockheizkraftwerk zu errichten, um unseren Strom selber zu erzeugen. Dort werden wir dann auch aus der Abwärme Dampf erzeugen, um damit unsere Anlagen zu betreiben sowie Wärme und Kälte für unsere Gebäude zu gewinnen.
Begleitet Sie Ihr Beruf auch bis in Ihre Freizeit?
S. Wernecke: Das tut er tatsächlich. Man hört auch in der Freizeit nicht auf, sich mit den Themen zu beschäftigen. Chemie ist ständig präsent, egal ob man streicht, klebt oder kocht. So auch die Follmann-Produkte! Jede dritte Serviette, die in Europa hergestellt wird, wird mit unseren Druckfarben bedruckt. Durch unsere Tapetenbeschichtungen „hängen" wir in sehr vielen Räumen und unsere Klebstoffe halten Möbel und Verpackungen zusammen. Bereits auf dem Heimweg sorgen Triflex-Straßenmarkierungen für die nötige Sicherheit und im Notfall unterstützen unsere Textilbeschichtungen Airbags bei ihrem oft lebensrettenden Einsatz. „Chemie aus Minden" steckt in unserem aller Alltag.