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Vom Abführmittel zum High-Tech-Produkt

Alberdingk Boley entwickelt Bindemittel auf Basis von Rizinus- und Leinöl

12.12.2013 -

Krefeld: Beim Traditionsunternehmen Alberdingk Boley wird nachhaltiges Handeln und Innovationskraft nicht nur gepredigt, sondern von den Mitarbeitern aktiv eingefordert. Eine vielseitige Pflanze spielt dabei eine wichtige Rolle.

Tropisches Klima. Der Schweiß rinnt. Es ist unerträglich schwül auf der Plantage. Indien im Sommer. Über fünf Meter hohe Pflanzen bilden ein schier undurchdringliches Dickicht. Eifrige Menschen wuseln zwischen den gigantischen Pflanzen und sammeln die Früchte auf. Daheim in Krefeld werden die Früchte des Wunderbaumes von emsigen Händen veredelt: „Bei uns kann man sich austoben. Hier kann jeder schalten und walten wie er will und muss nicht erst zehn Anträge ausfüllen. Wir lassen unseren Mitarbeitern viel Freiraum", beschreibt Frank-W. Dreisörner, geschäftsführende Gesellschafter bei Alberdingk Boley, die Innovationskraft des Unternehmens in Krefeld.

Wundersame Wandlung des Wunderbaums

Die Blätter dieser Pflanzen erinnern von ihrer Form her an Hände und sitzen an langen Blattstielen. Auf dem Boden liegen teilweise kleine, rötlich braune, kugelähnliche Gebilde, die mit weichen Stacheln besetzt sind. Pflanzen, die für alle Menschen von einem hohen praktischen Nutzen sein können. Indien hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zum Hauptexporteur von Samen und Öl weltweit entwickelt. Auf großen Plantagen werden die Früchte, die in ihrem Inneren bohnenförmige Samen beherbergen, geerntet. Diese Samen werden aus ihrer stacheligen Frucht befreit und gepresst, um fast 50% Rizinusöl aus ihnen zu gewinnen. Früher hat das Unternehmen die Samen noch selbst gepresst und war die einzige europäische Ölmühle. Heute presst man die Samen in Indien und das daraus gewonnene Rizinusöl wird über Rotterdam mit Rheinschiffen bis zum hauseigenen Anleger der in Krefeld-Uerdingen ansässigen Firma geliefert, um es dort weiter zu veredeln.

Ein frischer Wind weht um die Nase. Wir stehen am Anleger der Alberdingk Boley und beobachten, wie das Frachtschiff langsam vor und zurück manövriert. Bis das Schiff seine endgültige Position erreicht, vergeht ein Moment. Das Schiff beherbergt in seinem Inneren das indische Rizinusöl, das in Krefeld nun endgültig veredelt werden soll. Der Tank wird leer gepumpt und das Öl wird in großen, silbernen Tanks gelagert. Von hier aus kann entsprechend weitergeleitet oder abgefüllt werden.

Wie kam es dazu, dass Alberdingk Boley ausgerechnet Rizinusöl veredelt? Im Jahre 1828 nahm der Prozess seinen Anfang, als Franz Heinrich Boley in St. Tönis bei Krefeld den Betrieb einer Ölmühle aufnahm, um die Farb- und Lackindustrie mit seinen Ölen zu versorgen. Ganz in der Nähe wurde 1879 im holländischen Leeuwarden die T.I. Alberdingk Söhne Leinölfirnisfabrik gegründet.

Später siedelten beide Unternehmen an den strategisch günstiger gelegenen Uerdinger Rheinhafen, auf Krefelder Gemarkung. Im Jahre 1921 fusionierten die Unternehmen zur Alberdingk Firnis- und Ölwerke AG und 1933 gründete Alberdingk die Deutsche Rizinus-Oelfabrik GmbH. Somit waren die ersten wichtigen Produkte die vertrieben wurden Rizinus- und Lackleinöle. Heute gibt es eine mannigfaltige Anwendungsbreite für Rizinusöle. Vorwiegend finden sie Anwendung in der chemischen, Kosmetik-Industrie und Pharmazie, wobei sie auch als Trägermittel für Spritzen dienen. Die Veredelung bürgt gerade für diese sensiblen Bereiche. Alberdingk Boley legt schon seit einigen Jahrzehnten das Augenmerk auf eine innovative Forschung und Entwicklung, wo heute fast 30% der Mitarbeiter arbeiten.

„Um ‚state of the art‘ zu bleiben, investieren wir gerade in Forschung und Entwicklung sehr viel". sagt der Geschäftsführer. Durch intensive Forschung ist es ihnen gelungen, den Ausgangsstoff zum Polyester-Polyol für wasserbasierte Beschichtungen umzufunktionieren. Für die Entwicklung dieser Technologie wurde 1994 ein europaweites Patent angemeldet. „Wir sind bis heute Weltmarktführer in diesem Bereich. Rizinusöl als nachwachsender Rohstoff findet sich als Innenausstattung in einem Auto, wie z. B. im Lenkrad oder der Armaturenverkleidung sowie auch in Matratzen wieder. Den Gedanken der Nachhaltigkeit und der Umweltverträglichkeit setzt das Unternehmen auch in seiner chemischen Fabrik um. Schon in den 60er Jahren entwickelte Alberdingk Boley wasserbasierte Dispersionen. Erst für die Bautenanstrichmittelindustrie, später dann als High-Tech-Produkte für alle Arten von Beschichtungen.

1986 gelang dann der Forschung und Entwicklung der Durchbruch mit wasserbasierten Polyurethan-Dispersionen, für die gleichzeitig der passende Partner im Acrylatbereich entwickelt wurde. Die wasserbasierte Technologie ist heute das umsatzstärkste Geschäftsfeld der Firma.

Wasser als Basis

„Wir haben, was das Wissen im Bereich der Polyurethan-Dispersionen angeht, weltweit die Nase vorn", berichtet der Geschäftsführer, „Hauptabnehmer für unsere wässrigen Dispersionen sind vor allem die Lack- und Farbenindustrie sowie artverwandte Bereiche. Mit unseren Produkten sind wir quasi das Bindemittel-Ei im Kuchen."

Wir befinden uns jetzt in dem Gebäude mit den Reaktoren, in denen die unterschiedlichsten Dispersionen produziert werden. Die Reaktoren werden vollautomatisch über ein Prozessleitsystem gesteuert, das man auf dem Bildschirm verfolgen kann. Die Reaktionszeiten können bis zu 15 h dauern. Frank-W. Dreisörner blickt stolz. Für ihn ist klar: „Aufgrund der Nachhaltigkeit und Vielschichtigkeit unserer Produkte stehen uns noch viele Anwendungen der Beschichtung offen." Befragt nach der Zukunft des Mittelständlers antwortet er: „Wie die Zukunft des Unternehmens aussieht? Gut."