Standorte & Services

Wettbewerbsposition internationaler Chemiestandorte im Vergleich

Teil 2 von 3

26.09.2012 -

Der Vergleich des eigenen Chemieparks mit Best Practices und Benchmarks der weltweit führenden Chemiestandorte in Europa, USA, China, Südostasien und im Mittleren Osten schafft einen über die Betrachtung des einzelnen Chemieparks hinausgehenden hohen Mehrwert. Die Abbildung der eigenen Wettbewerbsposition um potentielle Investoren eröffnet Wege zu einer gezielten und nachhaltigen Standortentwicklung.

Der Benchmarking Ansatz schafft die Informationsbasis, um Instrumente wie Best-In-Class Analysen zu Standorterfolgsfaktoren, Stärken- und Schwächenprofile, Leistungsanalysen des Angebotes von Standortdienstleistungen und Infrastruktur oder Strukturkostenbewertungen anzuwenden.

Wettbewerbsposition internationaler Chemiestandorte

Die grundlegende Erkenntnis aller weltweit durchgeführten Standortuntersuchungen ist nicht überraschend. Den „idealen Chemiestandort für alle Arten von Chemieinvestitionen mit optimalen Ausprägungen hinsichtlich aller relevanter Standorterfolgsfaktoren für die Chemieproduktion" gibt es nicht. Jeder Standort bringt ein Portfolio von unterschiedlich positiven oder nachteiligen Faktoren mit sich, die im Rahmen einer Investition hinsichtlich der projektspezifischen Anforderungen bewertet werden müssen. Dabei bleibt die Ausprägung des Standortfaktors bestehen. Nur seine individuelle Relevanz für das Projekt kann sich für eine Investitionsentscheidung in diesem Chemiepark aussprechen oder aber eine prohibitive Wirkung entfalten.

Die Herausforderung für global agierende Chemieunternehmen in Anbetracht der großen Heterogenität möglicher Produktionsstandorte ist die Ermittlung desjenigen Investitionsstandortes, der möglichst optimale Ausprägungen der projektrelevanten Standortfaktoren aufweist. Dieses ist im umgekehrten Sinne die Möglichkeit für Chemieindustrieparks und ihre Betreiber, die standortbezogenen Vorteile durch eine klare strategische Positionierung und gezielte Kommunikation zu betonen. Der globale Benchmarking Ansatz dient der Identifikation von Wettbewerbsvorteilen aber auch von proaktiv zu adressierenden Optimierungsfeldern. Dabei sind nicht alle standortrelevanten Faktoren durch das Chemieparkmanagement beinflussbar. Viele Faktoren unterliegen der Kontrolle und Verantwortung von anderen Institutionen, z.B. Regierung, oder sind durch geographische und weitere natürliche Bedingungen gegeben. Doch trotz der nicht existierenden oder eingeschränkten Beeinflussbarkeit dieser Faktoren wie zum Beispiel Steuern, Tiefseehafenzugang oder Kundenmarkt, werden die Standortbetreiber in der Kommunikation mit potentiellen Investoren, nationalen Institutionen, etc. dazu befähigt, ihren Chemiestandort bestmöglich im internationalen Vergleich zu vermarkten und zu entwickeln.
Die folgende Abbildung stellt die Benchmarking Ergebnisse auf der höchsten Aggregationsstufe der Faktoren in einem regionalen Vergleich dar (Abb. 1).

Die Ausprägung der untersuchten 13 Standorterfolgsfaktoren ergibt sich über die mehr als 70 hinterlegten qualitativen und quantitativen Benchmarking Kriterien. Die folgende Darstellung zeigt einen Auszug der Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit von Chemiestandorten in den Regionen Europa, USA, Südostasien, Mittlerer Osten und China (Abb. 2).

C.1 Wirtschaftliches und administratives Umfeld
Insbesondere bei den steuerlichen Gegebenheiten und den Investitionsanreizen zeigen sich starke Unterschiede zwischen den betrachteten Chemiestandorten in den verschiedenen Regionen. Hohe Attraktivität dieser Kriterien findet sich insbesondere an Chemiestandorten in Südostasien und im Mittleren Osten. Investoren auf dem Chemiepark Jurong Island, Singapur, beispielsweise profitieren von bis zu 12 Jahren Steuerbefreiung und einer anschließenden Unternehmensteuer (hier: Körperschafts-/Gewerbesteuer) von 17%. Im Vergleich müssen sich Investitionen an deutschen Standorten mit einer nahezu doppelt so hohen Steuerbelastung und ohne weitere steuerliche Investitionsanreize rechnen lassen. Grundsätzlich zeigen alle Standorte positive Ausprägungen bei den weiteren Kriterien wie politische, rechtliche und finanzielle Stabilität sowie die Managementkomplexität der Genehmigungsverfahren. Gesetzliche Vorgaben von Joint Venture Strukturen mit lokalen Partnern kommen insbesondere im Mittleren Osten und in China vor.

C.2 Absatzmarkt
Eine hohe Attraktivität hinsichtlich Größe des regionalen Absatzmarktes zeigt sich insbesondere für Standorte im europäischen, amerikanischen und chinesischen Chemiemarkt, ohne hier auf eine Einzelproduktebene einzugehen. Unterschiedlich ist das zukünftig erwartete Wachstumspotential der Märkte. Hier wird insbesondere für den chinesischen Chemiemarkt mittelfristig mit einem weiterhin hohen Wachstum gerechnet.

C.3 Beschaffungsmarkt
Im Bereich des Beschaffungsmarktes ergeben sich insbesondere für den Mittleren Osten optimale Bedingungen. Der Zugang zu den weltweit größten Erdgas- und Erdölreserven, eine weitreichende Rohstoffverfügbarkeit und weltweit führende Produktionskostenvorteile hinsichtlich Rohstoffpreise und Energiekosten ergeben hier den Wettbewerbsvorteil für Standorte in dieser Region. Am Chemiepark Al Jubail in Saudi-Arabien werden zum Beispiel Erdgaspreise zwischen US$ 0.75 und US$1 pro mmBtu bezahlt, die derzeit zu den weltweit günstigsten Konditionen gehören. Im Vergleich der Energiekosten zeigen sich insbesondere Kostennachteile an den europäischen aber auch an südostasiatischen Standorten mit Preisaufschlägen zwischen 150% bis zu 400% im Vergleich zum Mittleren Osten.
Der Beschluss zur Förderung von Schiefergas-Vorkommen in den USA hat einen sehr positiven Effekt auf die Situation im amerikanischen Beschaffungsmarkt.

C.4 Intellectual Property
Schutz des geistigen Eigentums wird in China noch als problematisch eingeschätzt. Auch wenn die entsprechenden Gesetze und Regularien gemäß internationalem Standard eingeführt sind, bieten Genehmigungsprozesse mit hohen Offenlegungspflichten Risiken eines unkontrollierbaren Know-how Abflusses.

C.5 Umwelt, Sicherheit & Gesundheit
Grundsätzlich folgen die Bestimmungen zum Umweltschutz, Sicherheit und Gesundheit an den untersuchten Chemieparks internationalen Regularien. Dazu kommen noch unternehmensinterne Vorgaben zur Einhaltung entsprechender Standards innerhalb der Anlagen.

C.6 Arbeitnehmer
Wettbewerbsvorteil der europäischen als auch amerikanischen Chemiestandorte ist die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal. Während Unternehmen insbesondere in Deutschland von einem sehr guten Ausbildungssystem (Universitäten, Fachhochschulen, Forschungseinrichtungen, duale Ausbildung, etc.) profitieren, sind sie bei Anlageninvestitionen im Mittleren Osten, China oder Südostenasien stark auf eine eigene, unternehmensinterne Ausbildung der Mitarbeiter angewiesen. Verfügbarkeit von gut qualifiziertem Personal ist stark limitiert.
Arbeitskostenlevel an Standorten wie dem Shanghai Chemical Industry Park (SCIP) und Südostasiatischen Standorten ergeben jeweils nur 10% respektive 50% der entsprechenden Kosten im Vergleich mit den europäischen Standorten.

C.7 Positionierung und Strategie
Klar definierte Standortstrategien und Positionierung finden sich insbesondere bei den auf der „grünen Wiese" geplanten Standorten in Südostasien, China und Mittleren Osten. Hier finden sich Masterpläne zur Standortentwicklung, die die gezielte Ansiedlung bestimmter Wertschöpfungsketten bis auf Einzelproduktebene, Produktzusammensetzungen, mögliche Investoren, etc. mit einer mittel- bis langfristigen Perspektive vorskizzieren. Aber auch Standorte mit einer langen Produktionshistorie wie in Deutschland haben die Herausforderungen der Globalisierung und des Strukturwandels proaktiv angenommen und haben sich strategisch gut für Investoren positioniert.

C.8 Produktionsnetzwerk
Es ist einer der großen Wettbewerbsvorteile der europäischen und insbesondere deutschen Chemieparks: die Verbundproduktion. Der hohe Grad einer Stoffstrom- und Infrastrukturintegration mit allen damit verbundenen Synergien und die hohe Abdeckung gesamter chemischer Wertschöpfungsketten am Standort sind immer noch Rollenmodel und Vorbild für die Planung und den Aufbau von integrierten Chemieparks weltweit.

C.9 Infrastruktur
Die Verfügbarkeit einer an der chemischen Produktion ausgerichteten Parkinfrastruktur, i.e. Logistikinfrastruktur, Versorgungs- und Entsorgungsnetzwerk sowie Kommunikationsinfrastruktur, genießt bei den meisten untersuchten Chemiestandorten eine hohe Priorität. Auch hier können sich insbesondere deutsche Chemieparks mit ihrem hohen Grad an Infrastrukturintegration und den dadurch entstehenden Synergien und Wettbewerbsvorteilen für die Chemieunternehmen hervorheben. An vielen Südostasiatischen Standorten sowie an einigen Standorten in China zeigen sich noch substanzielle Defizite in der Versorgungssicherheit und Qualität der bereitgestellten Infrastruktur.
Eine optimale logistische Anbindung hinsichtlich eines Tiefseehafenzugangs ist insbesondere für stark exportorientierte Chemieparks wie Ras Laffan in Qatar entscheidend. Aber auch Jurong Island in Singapur oder das Chemiecluster Antwerpen in Belgien bieten für den Absatz chemischer Produkte mit einem globalen Markt sehr günstige Voraussetzungen bei entsprechenden Frachtraten. Regional fokussierte Chemieproduktion findet an vielen europäischen und amerikanischen Standorten eine exzellent ausgebaute logistische Infrastruktur mit Schiene, Straße und Wasserkanälen.

C.10 Investitionskostenlevel
Verglichen zu dem Investitionskostenlevel an einem europäischen Standort, also Investitionskosten für Material, Engineering, Konstruktion, Administration und Genehmigung, sind Kostenzuschläge zwischen 25-30% für Anlageninvestitionen im Mittleren Osten einzukalkulieren. Auf der anderen Seite versprechen Engagements in China und Südostasien Investitionskostenniveaus, die bis zu 25% unter dem europäischen Vergleichsniveau liegen.

C.11 Servicedienstleistungen: Kundenzufriedenheit/ -orientierung
Europäische und insbesondere deutsche Chemieparkbetreiber bieten den ansässigen Unternehmen eine exzellent auf die chemische Produktion ausgerichtete Infrastruktur und das dementsprechende Dienstleistungsportfolio an. Das „Plug & Play" Prinzip führt zu einem hohen Maß an Kundenzufriedenheit und ermöglicht den Chemieunternehmen, sich voll und ganz auf ihre primären Produktionsprozesse zu konzentrieren. Ein breites Angebot mit hoher Kundenorientierung, garantierte Verfügbarkeit und Versorgungssicherheit, Qualität und Effizienz führen zu einem klaren Standortvorteil im internationalen Vergleich.

C.12 Projekthandling
Die Planung und Durchführung von Investitionsprojekten hinsichtlich Einhaltung von Zeit- und Budgetvorgaben sowie Unterstützung durch offizielle Stellen und Parkmanagement zeigen insbesondere an europäischen und amerikanischen Standorten hohe Ausprägungen. Sehr viel heterogener zeigt sich das Bild an chinesischen Standorten, wobei hier besonders weniger entwickelte Chemieparks im Landesinneren Nachholbedarf aufweisen.

C.13 Reputation und soziales Umfeld des Chemieparks
Hohes Ansehen in der Bevölkerung genießen insbesondere Chemiestandorte in den USA und im Mittleren Osten. Geringe Attraktivität der einzelnen Standorte aus einer westlichen Arbeitnehmersicht zeigt sich vor allem bei den Chemieindustrieparks im Mittleren Osten und einigen Standorten in Südostasien sowie China.

Fazit und Ausblick

Europäische Chemiestandorte behaupten sich im internationalen Wettbewerb um Investitionen und befähigen zu einem hohen Integrationsgrad der hier produzierenden chemischen Industrie.

Das Erfolgsmodell Chemiepark mit seinem umfassenden Angebot von Service- und Infrastrukturleistungen für die am Standort ansässigen Unternehmen sichert den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von gesamten Produktionsketten. Die enge Zusammenarbeit unterschiedlicher Industrien entlang der gesamten chemischen Wertschöpfungskette zeigt sich in der hohen Prozentzahl einer direkten Weiterverarbeitung chemischer Erzeugnisse von über 80%. Dabei kommt dem Mittelstand insbesondere in Deutschland mit einem Drittel des Gesamtumsatzes der chemischen Industrie sowie seiner hoher Innovationskraft eine besondere Rolle zu.

Die Entwicklung neuer Technologien und das Ausrichten der eigenen Forschungsprojekte an den globalen Megatrends schafft eine langfristige Perspektive für den europäischen Chemiestandort. Die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen der chemischen und pharmazeutischen Industrie in der Europäischen Union betrugen im Jahr 2011 ca. 31 Mrd. € und machten somit rund 30% des globalen Gesamtinvestitionsvolumens aus. Im internationalen Vergleich liegt Europa auf Platz zwei hinter den Vereinigten Staaten (40,5%).

Die gezielte, nachhaltige Entwicklung der Chemiestandorte in Europa bietet eine langfristige Zukunftsstrategie für den wirtschaftlichen Erfolg mit gesellschaftlicher und sozialer Verantwortung sowie der Sicherung einer hohen Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich.

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Diese Beitragsserie basiert auf einer durch das Beratungsunternehmen Scopein Management Consultants durchgeführten Benchmarking Studie zur Wettbewerbsfähigkeit internationaler Chemieparks.

Im ersten Beitrag in der CHEManager Sites & Services Ausgabe Mai 2012 wurde die Vorgehensweise und Methodik des Standortbenchmarking vorgestellt.

Der aktuelle zweite Beitrag präsentiert nun ausgewählte Ergebnisse und Erfahrungen aus der Analyse von Chemieparks in Europa, Nord-/ Südamerika, Südostasien, China und dem Mittleren Osten.

Im abschließenden dritten Beitrag (ab 14. November 2012) werden unterschiedliche Erfahrungen und Möglichkeiten zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und Steigerung der Attraktivität von Chemieparks mit Schwerpunkt auf den europäischen Standorten im internationalen Vergleich dargelegt.