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„Stillstand können wir uns nicht erlauben“

Im Industriepark Höchst stehen Unternehmen vor großen Herausforderungen

11.12.2024 - In den letzten Monaten gab es einige positive Nachrichten aus dem Industriepark Höchst. Die Firma Vulcan Energy hat eine Lithiumhydroxid-Optimierungsanlage in Betrieb genommen, das Start-up-Unternehmen CO2 BioClean weihte vor kurzem eine Pilotanlage zur Nutzung von CO2 zur Herstellung von biologisch abbaubaren Polymeren ein, und der Pharmakonzern Sanofi hat eine Milliardeninvestition am Standort angekündigt.

Doch diese Meldungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch ein Teil der produzierenden Unternehmen im Industriepark vor großen Herausforderungen stehen und die Lage der Branche insgesamt so ernst ist wie selten zuvor: Schwache Nachfrage und hohe Kosten, vor allem im Energiebereich, sorgen für sinkende Produktionsmengen und rückläufige Umsätze, und für die exportorientierte Chemieindustrie lassen die Ankündigungen der künftigen US-Regierung insbesondere in Bezug auf die Erhebung von Zöllen nichts Gutes erahnen.

Ausgerechnet in dieser Phase, in der die Bundespolitik wirtschaftspolitische Gestaltungsspielräume zugunsten der Schlüsselindustrien nutzen müsste, ist das Bundeskabinett als Minderheitsregierung in einer sehr schwierigen Situation. Das Scheitern der Ampelkoalition stellt eine zusätzliche Belastung für den Wirtschaftsstandort Deutschland dar.

Wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für die Chemiebranche

Neuwahlen im Februar, anschließend Sondierungs- und Koalitionsgespräche, die Bildung einer neuen Regierung, Übergabe der Amtsgeschäfte in Ministerien – es könnte noch einige Monate dauern, bis die Hängepartie auf bundespolitischer Ebene beendet ist. „Diese Phase des Stillstands können wir uns aktuell nicht erlauben“, beklagt Alexander Wagner, Geschäftsführer von In­fraserv Höchst. „Wir brauchen sehr zeitnah Rahmenbedingungen, die es Chemieunternehmen ermöglichen, auch in Deutschland zu international wettbewerbsfähigen Konditionen zu produzieren. Ansonsten werden Standort- und Investitionsentscheidungen international agierender Unternehmen weiterhin zwangsläufig zugunsten anderer Länder ausfallen.“

Hausgemachte Probleme

Die Probleme sind bekannt und wurden von Unternehmen und Branchenverbänden immer wieder adressiert: Bürokratie und lange Genehmigungszeiten, Kostenbelastungen durch regulatorische Vorgaben und vor allem die nach wie vor hohen Energiepreise, die produzierende Unternehmen nicht kompensieren können – überwiegend hausgemachte Probleme der Bundespolitik, die zulasten jener Industrieunternehmen gehen, die nicht nur Wohlstand und Wachstum sichern, sondern auch die Transformation des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Sinne der Nachhaltigkeit vorantreiben sollen und können.

Energiepreis: Kostennachteile können nicht kompensiert werden

„Auch wenn die Preisunterschiede bei den Energien gegenüber anderen Ländern nicht mehr so extrem groß sind wie 2022, so können Unternehmen hierzulande diese Kostennachteile längst nicht mehr allein durch höhere Effizienz und hochqualifiziertes Personal ausgleichen“, sagt Joachim Kreysing, Geschäftsführer von Infraserv Höchst. Unter anderem die Kosten für CO2-Zertifikate, die sich vor allem auf die Strompreise auswirken, belasten die Wettbewerbsfähigkeit von produzierenden Unternehmen. Hinzu kommen Netz­entgelte, die bei den energieintensiven Firmen ebenfalls schon jetzt einen erheblichen Kostenfaktor ausmachen.

 

J. Kreysing © Infrasrv Höchst   Joachim Kreysing, Geschäftsführer, Infraserv Höchst

„Mehr Pragmatismus wäre wünschenswert."

 

Abschaffung „Bandlastprivileg“: Zusatzbelastung für die Industrie

Und anstatt bei diesen Themen über Möglichkeiten einer spürbaren, wirkungsvollen Entlastung für Unternehmen nachzudenken, die viel Energie benötigen und sich im internationalen Wettbewerb behaupten müssen, gehen die auf bundespolitischer Ebene geführten Debatten meist in die entgegengesetzte Richtung. Ein Beispiel: Die Diskussion um die Abschaffung des sog. „Bandlastprivilegs“. Aktuell entlastet das deutsche Entgeltsystem produzierende Unternehmen, wenn sie sehr gleichmäßig Strom verbrauchen und Lastspitzen im Netz vermeiden.

Aktuell profitieren bundesweit rund 400 Unternehmen von dieser Regelung, die nach dem Willen der Bundesnetzagentur zu Lasten der Unternehmen geändert werden soll. Begründung: Die Unternehmen sollen sich stärker am kurzfristigen Strompreis orientieren, der in Zeiten besonders günstig ist, wenn viel erneuerbare Energie zur Verfügung steht. Die Idee: Produzieren, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht und der Öko-Strom billig ist. „Die Argumentation verkennt, dass jedes energieintensive Unternehmen aus betriebswirtschaftlichen Gründen grundsätzlich darum bemüht sein muss, Kapazitäten möglichst vollständig zu nutzen“, erklärt Kreysing. „Besonders in der chemischen Industrie mit sehr komplexen und kapitalintensiven Produktionsprozessen, führt eine gleichmäßige Auslastung zu den geringsten spezifischen Fixkosten.“ Die Anpassung der Produktion an wetterbedingte Strompreisschwankungen kann kein Konzept für die Chemiebranche sein.

Belastungen durch überschüssigen Strom

Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, insbesondere aus Wind und Photovoltaik, liegt mitunter regelmäßig deutlich über dem Verbrauch so dass „überschüssiger“ Strom zu negativen Strompreisen angeboten und zum Teil ins Ausland exportiert werden muss. Da Betreiber von Wind- und PV-Anlagen eine staatlich garantierte Vergütung erhalten, auch wenn der Strom ökonomisch nichts wert ist, belastet der massive Ausbau der Kapazitäten bei den erneuerbaren Energien die Volkswirtschaft. Das Milliardenloch soll auf Kosten von Industrieunternehmen gestopft werden.

Technologieoffenheit und Pragmatismus sind gefragt

Dabei ist der Ausbau der Versorgungsnetze ohnehin mit immensen Kosten verbunden, die Unternehmen und private Verbraucher gleichermaßen belasten werden. Auch vor diesem Hintergrund erscheint es besonders wichtig, bei der Energiewende und der Transformation des Wirtschaftsstandorts Deutschland auf Technologieoffenheit zu setzen und Lösungen voranzutreiben, die unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll und wettbewerbsfähig sind. „Ich würde mir bei manchen Themen mehr Pragmatismus wünschen“, sagt Kreysing. Aus seiner Sicht ist es auch im Sinne der Nachhaltigkeit nicht zielführend, wenn einzelne Technologien nicht unterstützt werden und bspw. Projekte, die auf der Nutzung von grünem Methan basieren, vom Bundeswirtschaftsministerium nicht gefördert werden.

 

A. Wagner © Infraserv Höchst   Alexander Wagner, Geschäftsführer, Infraserv Höchst

„Wir brauchen zeitnah wettbewerbs­fähige Rahmenbedingungen."

 

Bürokratieabbau: Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen beseitigen

Im bevorstehenden Bundestagswahlkampf wird sicherlich der Begriff „Bürokratieabbau“ in den Wahlprogrammen der meisten Parteien auftauchen, wie schon vor den Wahlen der Vergangenheit. Den Lippenbekenntnissen der Wahlkämpfer folgten jedoch in der Regel keine nennenswerten Taten. Im Gegenteil: Die regulatorischen Vorgaben werden immer mehr zu einem Wettbewerbsnachteil für die deutsche Industrie. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ist der mit bürokratischen Hemmnissen verbundene Aufwand mitunter kaum noch leistbar. Stellvertretend für viele andere gesetzliche Vorgaben sorgte das Lieferkettengesetz für Schlagzeilen. Dass immerhin darüber diskutiert wurde, die Industrie an dieser Stelle vor zusätzlichen Belastungen zu bewahren, kann als gutes Zeichen gewertet werden – ein spürbarer und wirkungsvoller Bürokratieabbau darf aber natürlich nicht nur in der Vermeidung weiterer Belastungen bestehen, sondern muss bei der bereits bestehenden Regelungsdichte ansetzen.

Politik ist in besonderer Weise gefordert

„Für diese und viele anderen Themen braucht die deutsche Industrie Lösungen, damit die Zukunftsfähigkeit der wichtigsten Schlüsselindustrien unseres Landes erhalten bleibt“, stellt Wagner fest. In der gegenwärtigen Situation, die auch von den zu erwartenden Veränderungen der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik und den verschiedenen Konflikten weltweit geprägt werde, seien die politischen Parteien in besonderer Weise gefordert, verantwortungsbewusst zu agieren. Dazu gehört auch, die Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland nicht zur Spielwiese für parteipolitische Schaufenster-Konflikte zu machen. Mit schnellen, zukunftsorientierten und pragmatischen Weichenstellungen, die sich am Wettbewerb und der Marktsituation orientieren, können die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass es auch in Zukunft noch positive Nachrichten aus der Chemieindustrie gibt – von Unternehmen, die investieren und Arbeitsplätze schaffen, und die wie Vulcan Energy, CO2 BioClean oder andere Unternehmen im Industriepark Höchst und an anderen Standorten wichtige Beträge zur nachhaltigen Transformation leisten. 

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