VAIS-Kolumne. Neues aus dem Industrieservice: Besinnung auf eigene Stärken
Verband der Industriedienstleister sieht notwendige Kurskorrektur in der Wirtschaftspolitik in erreichbarer Nähe.
Endlich ist im vergangenen Wahlkampf die von der Industrie als notwendige Kurskorrektur ersehnte Wirtschaftswende oben auf die Agenda gerückt. Die Industrie und auch der Industrieservice ächzen seit Jahren unter den starken Belastungen: durch Netzentgelte noch weiter explodierende Energiekosten und Dokumentations- und Berichtspflichten, die den Unternehmen aufgebürdet werden.
Lähmend wirkt seit Jahren die Bundespolitik in Energie- und Wirtschaftsfragen: Regierung und Opposition haben in den letzten Monaten – von einigen wichtigen Regelungen wie zur Kraft-Wärme-Koppelung abgesehen – versäumt an einem Strang zu ziehen. Gerade das CCUS-Gesetz wäre ein wichtiges Signal für den Produktionsstandort und ein notwendiges Signal für Investitionen der Prozessindustrien in Deutschland gewesen.
Dabei steht das Geschäftsmodell Deutschlands seit Anfang des Jahres noch stärker unter Beschuss. Die protektionistische Handelspolitik der Vereinigten Staaten unter Präsident Trump wird die anhaltende Rezession in Deutschland voraussichtlich weiter verschärfen und mit hohen Zöllen die deutsche Stahl- und Automobilindustrie unter Druck setzen.
Nach der Wahl muss nun schnell Klarheit über eine industrieentlastende, angebotsorientierte Wirtschaftspolitik herrschen, welche die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz des Standorts Deutschlands in den Blick nimmt.
„Nun muss Klarheit herrschen über eine
angebotsorientierte Wirtschaftspolitik."
In Brüssel scheint man allmählich die Zeichen der Zeit richtig zu lesen: Der Clean Industrial Act, der nun kurz nach der Bundestagswahl vorgestellt werden wird, soll Maßnahmen zum Abbau der überbordenden europäischen Bürokratie enthalten, um die Industrie bei den Energiekosten in Europa zu entlasten. Auch beim Thema „Künstliche Intelligenz“ (KI), bei dem Europa bislang eher als Bremser auftrat, kommt Bewegung ins Spiel: Den europäischen AI Act bis zum nächsten Jahr schonend und bürokratiearm umzusetzen und die Entwicklung von KI zu fördern, wird eine der wichtigsten digitalpolitischen Hausaufgaben der neuen Bundesregierung sein. Allein im Service gibt es von der Anomaliedetektion bis hin zur vorausschauenden Wartung zahlreiche Anwendungsfälle für KI. Die Serviceunternehmen arbeiten bereits daran, ihre digitalen Kompetenzen weiter aufzubauen und „KI-ready“ zu werden.
Doch allem Pessimismus über regulatorischen Stillstand und geopolitische Bedrohung zum Trotz: Das Geschäftsmodell Deutschlands bezog seine Stärken nicht zuletzt immer aus sich selbst. Gut ausgebildete Fachkräfte, hohe Produktivität, Planungssicherheit und eng verwobene Wertschöpfungsnetzwerke um Industriestandorte. In diesen Ökosystemen wird der Industrieservice eine noch gewichtigere Rolle spielen, um die Attraktivität des Standorts für die kriselnde industrielle Produktion zu wahren, die Herausforderungen aus dem Fachkräftemangel abzufedern und die – entgegen aller Transformationsmüdigkeit – notwendige Defossilisierung und effizienzsteigernde Digitalisierung von Prozessen voranzutreiben.
Auch das Verhältnis von Betreibern und Serviceleistern an sich wird sich ändern: Hohe Anforderungen aus Regulatorik, Arbeits- und Umweltschutz und Know-how in digitalen Prozessen machen zusehends eine kleinteilige Auftragsvergabe ineffizient und nur schwer koordinierbar. Hier könnten stattdessen Partnerschaftsmodelle auf Augenhöhe entstehen, zumal die Qualität der Dienstleistung eine immer kritischere Größe darstellt.
Einem sich so wandelnden Industrieservice wachsen hierbei neue Aufgaben in dem Verhältnis zu seinen Kundenindustrien zu. Die KI-Anwendungen und Remote Services werden stark an Bedeutung gewinnen und den notwendigen Einsatz von Personal in der Instandhaltung mittelfristig merklich reduzieren und Effizienzpotenziale im Anlagenbetrieb heben.
Im Bereich der Defossilisierung wird der Service mehr Kompetenzen im Engineering aufbauen: Der Branchenreport Industrieservice verzeichnet gerade in diesem Segment große Zuwächse und eine Bewegung von „klassischen“ Dienstleistungen des Industrieservice hin zu technologisch hochwertigen Services.
Sowohl für Deutschland als auch den Service gilt, sich gerade in der oft zitierten VUCA-Welt der eigenen Stärken zu besinnen.
Ihr
Dietmar Kestner, Geschäftsführer, Verband für Anlagentechnik und Industrieservice e.V. (VAIS), Düsseldor
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