Offener Chemiepark als Zukunftsmodell
Chemiepark Bitterfeld beobachtet Megatrends, um Wachstumsfelder zu identifizieren
Gleichzeitig beobachten wir in der Branche Stellenabbau, Investitionsrückgang und die Verlagerung von Produktion und Forschung ins Ausland. Wie positioniert sich der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen in diesem Spannungsfeld, und mit welchen Standortfaktoren können wir bei Investoren noch punkten?
Der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen liegt zwischen Berlin und Leipzig. Rund 80 Produktionsunternehmen – zur Hälfte aus der Chemieindustrie, zur anderen Hälfte überwiegend metallverarbeitend – sind im Chemiepark tätig. Ergänzt wird dies durch ein dynamisches Ökosystem von rund 250 Dienstleistern jeglicher Couleur und Größe am Standort, spezialisiert auf Chemieindustrie. Aktuell arbeiten rund 13.000 Menschen im Chemiepark. Das Profil wird durch anorganische Grundstoffe, Spezialchemikalien und organische Feinchemie bestimmt. In einem Chemiepark profitieren die ansässigen Betriebe von gemeinsam genutzter, und damit kosteneffizienter Infrastruktur und Dienstleistungen wie Energieversorgung, Abwasserbehandlung, Werksfeuerwehr, Logistik und technischen Einrichtungen. In Bitterfeld-Wolfen wird ein offenes Chemiepark-Konzept verfolgt.
Was heißt das konkret? Die ansässigen Firmen können selbst entscheiden, welche Leistungen sie neben dem Kerngeschäft, der Produktion, selbst inhouse machen möchten, und welche Leistungen sie fremdbeziehen wollen. Ansiedler haben vollen Marktzugang bei der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen – von Energie über Werksfeuerwehr bis hin zu Instandhaltung oder Analytik. Sie können bei jeder gewünschten Dienstleistung zwischen mehreren Anbietern auswählen. Dieser offene Dienstleistungsmarkt führt durch Wettbewerb zu niedrigeren Preisen und effizienten Kostenstrukturen. Der Wettbewerbsdruck motiviert zudem die Dienstleister, ihr Angebot ständig entsprechend den Anforderungen der Chemieindustrie weiterzuentwickeln. Die Freiheit der Wahl ermöglicht es Unternehmen, maßgeschneiderte Lösungen für ihre spezifischen Bedürfnisse zu finden. Der Standortmanager versteht sich mit diesem Konzept als Plattform-Betreiber, ähnlich wie Amazon, indem produzierenden Chemieunternehmen und Dienstleistern geholfen wird, möglichst reibungslos zueinander zu finden.
Elektromobilität als Wachstumstreiber für die Chemieindustrie
Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und die kritische Masse an Innovationen und industrieller Aktivität zu sichern, beobachtet der Chemiepark Bitterfeld aktiv Megatrends und Zukunftsmärkte. Ein besonders relevantes Beispiel ist die Elektromobilität. Aufgrund ihrer überlegenen Gesamteffizienz gegenüber Verbrennungsmotoren wird die Elektromobilität mit hoher Wahrscheinlichkeit die vorherrschende Technologie in der Automobilbranche. Diese Entwicklung hat weitreichende Auswirkungen – nicht nur auf die Automobilindustrie, sondern auch auf die eng mit ihr verwobene Chemieindustrie in Deutschland und Europa. Der strukturelle Wandel der Industrien geht mit der Etablierung neuer Wertschöpfungsketten einher: Wer Elektromobilität erfolgreich umsetzen möchte, benötigt Batterien, und für diese wiederum sind spezielle Batteriechemikalien essenziell.
Die Chemieindustrie steht hier vor einer zentralen Herausforderung der Transformation und zugleich einer großen Chance. Um die Zukunft der Automobilindustrie in Deutschland zu sichern, müssen diese Wertschöpfungsketten jetzt aufgebaut werden. Ziel ist es, einen integrierten Stoffverbund zu schaffen, in dem jeder Schritt der Wertschöpfungskette – von der Herstellung der Lithium-Chemikalien über die Produktion von Aktivmaterialien für Elektroden bis hin zum Recycling – vollständig abgebildet wird. Das Fundament für diese neue Wertschöpfungskette ist in Bitterfeld mit der AMG Lithium gelegt. Das Unternehmen hat im September 2024 Europas erste Lithiumhydroxid-Raffinerie eingeweiht – eine Investition von rund 140 Mio. EUR. Stefan Scherer, CEO der AMG Lithium, betont: „Unsere initiale Kapazität beträgt 20.000 t/a in einem Modul mit der Option, auf bis zu fünf Module oder 100.000 t/a zu erweitern. Das reicht aus, um bis zu fünf Millionen Elektrofahrzeuge jährlich mit batteriegeeignetem Lithium zu versorgen.“
Notwendige Verbesserungen der Energiewende
Trotz beachtlicher Erfolge und Fortschritte gibt es nach wie vor Bereiche, in denen entscheidende Verbesserungen der Rahmenbedingungen erforderlich sind, um die Wettbewerbsfähigkeit der Chemieindustrie in Deutschland zu sichern. Insbesondere erwarten wir von der Politik gezielte Maßnahmen, die Investitionen erleichtern und die Attraktivität des Standorts Deutschland erhöhen.
Kürzungen in der Batterieforschungsförderung gefährden Deutschlands technologische Souveränität in einer der zentralen Zukunftstechnologien. Während China und Südkorea massiv in Forschung und Entwicklung investieren, riskiert Deutschland, seine Position als Hightech-Standort zu verlieren. Batterien sind essenziell für Elektromobilität, Energiewende und Kreislaufwirtschaft. Ein Rückzug aus der Forschung würde nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie schwächen, sondern auch die Energie- und Mobilitätswende behindern.
Bereits jetzt führt die unsichere Fördersituation zu einem Verlust von Fachkräften und Expertise. Ohne Fortschritte bei kosteneffizienten, leistungsstarken Batterien droht der Abstieg im globalen Wettlauf um technologische Führerschaft. Deutschland braucht ein klares politisches Bekenntnis, die Batterieforschung nicht nur fortzusetzen, sondern zu intensivieren. Nur so bleibt der Standort international konkurrenzfähig und zukunftsfähig.
Ein zentraler Punkt ist die Sicherstellung wettbewerbsfähiger Energiekosten. Diese könnten bspw. durch eine gezielte Gegenfinanzierung aus den Einnahmen des CO2-Handels unterstützt werden. Eine stabile und kostengünstige Energieversorgung ist essenziell, um in einem globalen Marktumfeld konkurrenzfähig zu bleiben. Darüber hinaus ist der Ausbau erneuerbarer Energien von größter Bedeutung. Nachhaltigkeit und der Zugang zu grüner Energie sind längst zu zentralen Entscheidungsfaktoren für internationale Investoren geworden. Eine Auswertung zeigt, dass 67 % der Investoren, mit denen der Chemieparkbetreiber in Sachsen-Anhalt in den letzten drei Jahren in Verhandlungen stand, eine möglichst hohe Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien als ausschlaggebend für die Standortwahl betrachteten.
Autor: Max Fuhr, Kaufmännische Steuerung, Chemiepark Bitterfeld-Wolfen
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