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Deutsche Kunststoffindustrie verliert weiter an Boden

In Deutschland und Europa werden weniger Kunststoffe hergestellt, verarbeitet und recycelt

29.11.2024 - Die Studie „Stoffstrombild Kunststoffe“ gibt alle zwei Jahre Aufschluss über Produktion, Verarbeitung und Kreislaufführung von Kunststoffen in Deutschland. Über alle Bereiche hinweg sind 2023 Rückschläge zu vermelden: Ein weiteres Warnsignal für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Und auf europäischer Ebene sieht die Situation ähnlich besorgniserregend aus. Deshalb hofft der Kunststofferzeugerverband auf eine ambitionierte und umsetzbare EU-Verpackungsverordnung und ein verbindliches UN-Plastikabkommen.

Die deutsche Kunststoffproduktion ging im Vergleich zu 2021 um 17,6 % zurück. Obwohl die Nachfrage nach Kunststoffen international wächst, wurden in Deutschland 2023 rund 8,5 % weniger Kunststoffe verarbeitet als 2021. Damit verliert die deutsche Kunststoffindustrie an Boden. Für Standort und Transformation sind das schlechte Nachrichten: Die anhaltend schlechte Konjunktur in Deutschland führt zu geringeren Herstellungs- und Verarbeitungsmengen und gefährdet die Transformation der Kunststoffindustrie zur Kreislaufwirtschaft.

Steigende Kosten für Energie und Produktion, häufige Änderungen der politischen Zielvorgaben und steigende Bürokratielasten verhindern häufig die für eine Kreislaufwirtschaft dringend erforderlichen Investitionen in die Modernisierung und den Ausbau von Anlagen in Deutschland.

Auch für Europa zeigen aktuelle Daten von Plastics Europe, dem Kunststofferzeugerverband, einen weiteren Rückgang der Kunststoffproduktion und erstmals einen Rückgang bei recycelten Kunststoffen. Im Vergleich zu 2022 sank die Kunststoffproduktion in der EU im vergangenen Jahr um 8,3 %, und die Produktion von mechanisch recycelten Kunststoffen auf der Grundlage von Post-Consumer-Abfällen ging um 7,8 % zurück. Diese Zahlen stehen im Gegensatz zu einem globalen Anstieg der Kunststoffproduktion um 3,4 %. Der europäische Anteil am Weltmarkt fällt damit auf 12 %.

Sinkende Wettbewerbsfähigkeit

Die Analysen von Plastics Europe zeigen, dass die steigenden Importe von Kunststoffgranulat und Kunststoffprodukten aus Regionen mit weniger strengen Umweltstandards die Wirtschaftlichkeit des Kunststoffrecyclings und die Transformation zur Kreislaufwirtschaft in Europa untergräbt. Diese Entwicklung gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Kunststoffindustrie, die derzeit über 1,5 Mio. Arbeitsplätze in 51.700 Unternehmen sichert und im Jahr 2023 mehr als 365 Mrd. EUR Umsatz erzielte. Ohne ein wettbewerbsfähiges Umfeld droht Europa, seine Führungsrolle bei zirkulären Kunststoffinnovationen zu verlieren – zusammen mit den damit verbundenen wirtschaftlichen und ökologischen Vorteilen.

Marco ten Bruggencate, Präsident von Plastics Europe und Dow EMEAI, warnte: „Europa schlittert in eine wachsende Abhängigkeit von importierten Kunststoffen, die nicht immer den EU-Standards entsprechen, während europäische Produktionsstätten bereits geschlossen werden. Die harte Realität ist, dass industrielle Aktivitäten und Investitionen in die zirkuläre Kunststoffproduktion aufgrund des schwierigen Investitionsklimas aus Europa abwandern. Dieser Trend wird durch mögliche unzureichend deklarierte Importe weiter verschärft und bedroht unsere Wettbewerbsfähigkeit. Wir haben nur ein kleines Zeitfenster, um Investitionen zu sichern und unsere Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen.“

Rezyklateinsatz steigt

Der Einsatz recycelter Rohstoffe nimmt in Deutschland wie in ganz Europa trotz schwieriger Standortbedingungen weiter zu. Die EU weist prozentual den höchsten Anteil an kreislauffähigen Kunststoffen weltweit auf. In Deutschland hat sich – trotz des Produktionsrückgangs – der Einsatz von recycelten Kunststoffen in der Kunststoffverarbeitung im Erhebungszeitraum von 2021 bis 2023 jährlich im Durchschnitt um 8,2 % erhöht. Der Anstieg erfolgte vor allem im Jahr 2022, ausgelöst durch hohe Rohölpreise, und ging 2023 konjunkturbedingt wieder zurück. Insgesamt betrug der Anteil von eingesetztem Kunststoffrezyklat (aus Post-Consumer und Post-Industrial Abfällen) an der Verarbeitungsmenge in Deutschland 2023 ca. 15 %. Das unterstreicht die wachsende Bedeutung der Kreislaufwirtschaft für die Kunststoffindustrie in Deutschland und zeigt klare Fortschritte im Recycling und der Wiederverwertung von Kunststoffen. Dennoch bleiben weiterhin große Potenziale für das Recycling ungenutzt: So ist der Anteil der Kunststoffe, die energetisch verwertet werden, mit 3,6 Mio. t im Jahr 2023 immer noch zu hoch.

Die Unternehmen der Wertschöpfungskette Kunststoff in Deutschland arbeiten weiter mit hoher Innovationskraft an der Transformation zur Kreislaufwirtschaft. Gleichwohl setzt der Erfolg der Transformation gute Rahmenbedingungen für die Kunststoffindustrie voraus: wettbewerbsfähige Energiekosten, realistische und verlässliche regulatorische Rahmenbedingungen für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur für sortenreine Sammlung und Sortierung sowie die mechanische und chemische Aufbereitung von Kunststoffabfällen.

EU-Verpackungsverordnung

Vor diesem Hintergrund begrüßt Plastics Europe, dass das Europäische Parlament die EU-Verpackungsverordnung (PPWR) Ende November angenommen hat. Virginia Janssens, die Geschäftsführerin von Plastics Europe sagte: „Die Verordnung ist ein wichtiger Schritt, um das europäische Kunststoffsystem kreislauffähiger und klimafreundlicher zu machen.“

Während des Gesetzgebungsverfahrens hat sich Plastics Europe für ambitionierte, und umsetzbare Rezyklateinsatzquoten eingesetzt und sich auch für die Umnutzung und Wiederverwertung von Kunststoffen starkgemacht – unter der Voraussetzung, dass dafür ein geeigneter Rechtsrahmen geschaffen wird, der sowohl wirtschaftlich als auch nachhaltig ist.

Deshalb sei es wichtig, die EU-Verpackungsverordnung schnell umzusetzen. „Auch wenn wir nicht mit allen Punkten der Verordnung einverstanden sind, bringt sie die dringend benötigte Klarheit und Planbarkeit, die europäische Unternehmen jetzt dringend brauchen”, sagte Alexander Kronimus, Geschäftsführer von Plastics Europe Deutschland. Es sei entscheidend, dass die erforderlichen Sekundärrechtsakte für diese Regulierung jetzt zügig entwickelt werden. „Ohne klare rechtliche Rahmenbedingungen werden die Möglichkeiten der europäischen Kunststoffindustrie, Innovationen voranzutreiben und ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen, weiter untergraben“, so Kronimus.

UN-Plastikabkommen

Die UN-Verhandlungen zu einem weltweiten Plastikabkommen in Busan, Südkorea, endeten Anfang Dezember ohne Einigung. Plastics Europe sieht Fortschritte, fordert jedoch mehr Einsatz und appelliert an die Verhandlungsführer, den ambitionierten Kurs beizubehalten. Die Verhandlungen werden 2025 fortgesetzt. Virginia Janssens, Geschäftsführerin von Plastics Europe AISBL, erklärte dazu: „Plastikmüll in der Umwelt ist inakzeptabel. Obwohl wir in Busan auf ein ehrgeiziges, umsetzbares und rechtsverbindliches Abkommen gehofft hatten, sehen wir dennoch Fortschritte bei den Verhandlungen.“ Der Verband fordert und fördert „eine Kreislaufwirtschaft, in der Kunststoffe am Ende ihres Lebens nicht als Abfall, sondern als Rohstoff gesehen werden – als wertvolle Ressource, die wiederverwendet werden kann, statt achtlos entsorgt, deponiert oder verbrannt zu werden.“

Auftraggeber der Studie

Das Stoffstrombild Kunststoffe wird von der Conversio Market & Strategy erstellt. Auftraggeber der Studie ist die BKV Beteiligungs- und Kunststoffverwertungsgesellschaft, ein Thinktank der Kunststoffindustrie, mit Unterstützung von PlasticsEurope Deutschland, dem Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft, dem BVSE – Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung, dem VDMA Kunststoff und Gummimaschinen, der IK – Industrievereinigung Kunststoffverpackungen, dem KRV – Kunststoffrohrverband, VinylPlus Deutschland, dem GKV – Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie, der AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe, dem FSK – Fachverband Schaumkunststoffe und Polyurethane, TecPart – Verband Technische Kunststoff-Produkte, pro-K Industrieverband langlebige Kunststoffprodukte und Mehrwegsysteme, der IG BCE Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, sowie dem VCI – Verband der Chemischen Industrie. Die Management-Summary und eine Langfassung der Studie „Stoffstrombild Kunststoffe“ sind auf der Website der BKV erhältlich.

Kontakt

PlasticsEurope Deutschland e.V.

Mainzer Landstr. 55
60329 Frankfurt