Anlagenbau & Prozesstechnik

Nachhaltige Phosphorgewinnung aus Klärschlammasche: Die Zukunft der Phosphor-Ressourcen

Wie Klärschlammasche zur nachhaltigen Phosphorgewinnung beiträgt

04.10.2024 - Phosphor ist ein unverzichtbares Element, das hauptsächlich aus Phosphaterzen gewonnen und überwiegend in der Landwirtschaft eingesetzt wird. Angesichts begrenzter Ressourcen hat die EU ab 2029 die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm vorgeschrieben. Eirich bietet innovative Verfahren zur Nutzung von Klärschlammasche als Düngemittel und zur Gewinnung von Phosphorsäure. Auch die Schweiz fördert die Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm und Tiermehl, um unabhängiger von Importen zu werden. Ab 2029 wird die Phosphorrückgewinnung in Deutschland Pflicht, was die langfristige Versorgung mit diesem lebenswichtigen Element sichert.

Bislang gewinnt man Phosphor größtenteils aus Erzen. Große Fundorte sind in Marokko, China, USA und Russland. In Europa gibt es nur kleine Vorkommen in Finnland und Norwegen[1]. Ähnlich wie bei vielen anderen indus­triell genutzten Rohstoffen sind abbauwürdige Quellen zeitlich begrenzt. Die EU hat daher Phosphor, ähnlich wie Lithium, als strategisch wichtiges Element eingestuft[2] und fordert eine Rückgewinnung aus Klärschlamm. Dadurch werden Ressourcen geschont und vor allem wird man unabhängig von Quellen aus Krisengebieten. Die vorhandenen Phosphormengen in Klärschlamm bieten allein in Deutschland ein Rückgewinnungspotenzial von 50.000 t pro Jahr.

Täglich nehmen Menschen und Tiere Phosphate über die Nahrung auf und scheiden sie größtenteils wieder aus. Die enthaltenen Phosphate finden sich am Ende der Wasseraufbereitung im kommunalen und industriellen Klärschlamm wieder. Laut dem Umweltbundesamt[3] enthält getrockneter Klärschlamm zwei bis 55 g Phosphor pro kg. Allein in Deutschland fallen jährlich 1,8 Mio. t Klärschlamm an (bezogen auf die Trockenmasse). Die EU hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, diese Phosphorressource in Zukunft zu nutzen. Ab 2029 ist es laut Klärschlammverordnung, für Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen und Klärschlamm-Verbrennungsanlagen Pflicht, die enthaltenen Phosphate wieder zu gewinnen. Spätestens ab 2032 gilt dies auch für kleinere Anlagen.

Warum Klärschlamm nicht mehr direkt als Dünger genutzt werden soll

Noch vor wenigen Jahren wurde Klärschlamm vorwiegend in der Landwirtschaft verwendet und war für Landwirte eine kostengünstige Alternative zu Mineraldüngern. Er enthält große Mengen an Stickstoff, Phosphaten, Kalium, Calcium, Magnesium, daneben auch ca. 50 % organische Verbindungen. Allerdings ist Klärschlamm ein Vielstoffgemisch aus Gewerbe und Haushalt, dessen Zusammensetzung je nach Herkunft und Jahreszeit stark schwanken kann. In diesem Gemisch finden sich auch bedenkliche Begleitstoffe wie Schwermetalle, Rückstände aus Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmitteln, pathogene Keime, Arzneimittelrückstände und Mikroplastik. Tierseuchen, vor allem die BSE-Krise, haben zusätzlich die Nutzung eingeschränkt. Ebenso führt Klärschlamm aufgrund der biologischen Aktivität zu einer nicht unerheblichen Geruchsbelästigung. Aus diesem Grunde wird Klärschlamm immer häufiger verbrannt, die direkte Nutzung als Dünger wird nur noch in Einzelfällen genehmigt. Bereits im Jahr 2022 wurden in Deutschland mehr als 80 % des kommunalen Klärschlamms thermisch verwertet.[4]

Klärschlammasche eröffnet neue Möglichkeiten

Die neue Verordnung sieht vor, dass mindestens 80 % des in der Asche enthaltenen Phosphors wiedergewonnen werden müssen. Im einfachsten Fall dient Klärschlamm­asche direkt als Düngemittel, Voraussetzung ist die Einhaltung der Grenzwerte gemäß der Düngemittelverordnung (DüMV) [2]. Hierfür bieten sich insbesondere Aschen an, bei denen der Anteil an Schwermetallen beim Verbrennungsprozess gezielt abgereichert wurde. Es gibt eine Vielzahl von thermochemischen Verfahren, wie z.B. EuPhoRe, AshDec, Pyrophos[5]. Zumeist werden hierbei Alkali- oder Erdalkalichloride (häufig CaCl2 zugesetzt). Die leichtflüchtigen Metalle und Schwermetallchloride (z.B. Cd, Hg, PbCl2, ZnCl2) können bei hohen Temperaturen (850° bis 1.000 °C) abgetrennt werden. Außerdem verbessert die Zugabe von Alkalisalzen (z.B. Soda) die Pflanzenverfügbarkeit durch Aufschluss schwerlöslicher Mineralien. Besonders interessant ist die Herstellung von Phosphorsäure, einer begehrten Basischemikalie der chemischen Industrie.

 

Phosphor-Mobilisierung von Klärschlammasche

Bei der Verbrennung von Klärschlamm, ohne thermochemischen Aufschluss, bilden sich schwerlösliche Mineralien. Vor allem β-TCP (Tricalciumphosphat) Ca3(PO4)2, Apatit Ca5[(OH)(PO4)3], Whitlockit Ca9(Mg, Fe) [PO3OH|(PO4)6], Stanfieldit Ca4Mg5(PO4)6[6] u.v.a. Um die Pflanzenverfügbarkeit zu verbessern, können solche Aschen auch direkt im Eirich-Mischer mit verdünnten Mineralsäuren (Phosphor- oder Schwefelsäure) aufgeschlossen werden. Auf diese Weise wird eine signifikante Verbesserung der Nährstoffverfügbarkeit erzielt:
(1)    Ca3(PO4)2 + 2 H2SO4 + 4 H2O → Ca(H2PO4)2 + 2 CaSO4·2 H2O
β-TCP + Schwefelsäure → MCP + Gips

(2)    Ca5[(OH)|(PO4)3] + 7 H3PO4 → 5 Ca(H2PO4)2 + H2O
Hydroxylapatit + Phosphorsäure → MCP

(3)    Ca4Mg5(PO4)6 + 12 H3PO4 → 4 Ca(H2PO4)2 + 5 Mg(H2PO4)2
Stanfieldit + Phosphorsäure → Calcium- und Magnesiumdihydrogenphosphat

Ein weiterer Vorteil der Säurezugabe ist die Reduktion des pH-Wertes. Insbesondere bei alkalischen Klärschlämmen führt dies zu einer verbesserten Freisetzung von Nährstoffen im Boden. Der Eintrag von Sulfat führt bei der Kombination mit Stickstoffkomponenten zusätzlich zu einer biologisch wertvollen Erhöhung des Stickstoff-Schwefel-Verhältnisses. Ebenso wird die Festigkeit der Granulate durch Kristallisationsprozesse erhöht, sodass in der Regel kein zusätzlicher Binder für die Granulation erforderlich ist. Die freigesetzte Reaktionswärme wirkt sich positiv auf den nachgeschalteten Trocknungsprozess aus. Auf diese Weise lassen sich individuelle Anlagenkonzepte zum Mischen und Granulieren erstellen, um vollautomatisch und kostengünstig Düngemittelgranulate für eine Vielzahl von Einsatzbereichen zu erzeugen.

Eirich-Evactherm-Verfahren zur Gewinnung von Phosphorsäure

Neben der Nutzung von Klärschlammasche als Düngemittel, kann der enthaltene Phosphor auch in Form von Phosphorsäure isoliert werden. Ziel ist es, die Phosphorsäure mit hohen Ausbeuten aus den Aschen zu lösen und in einem nachgeschalteten Extraktionsschritt anzureichern. Bei dem Verfahren werden Klärschlammaschen mit schwerflüchtigen Mineralsäuren, zumeist konzentrierter Schwefelsäure, in einem Evactherm-Mischer zur Reaktion gebracht. Mit dem speziellen Eirich-Mischprinzip können dabei sehr kurze Reaktionszeiten realisiert werden. Bei der Prozessführung bestimmt zunächst der Wassergehalt die Reaktionsgeschwindigkeit und Temperaturerhöhung. Zuerst hydratisiert die konzentrierte Schwefelsäure exotherm mit dem anteiligen Wasser, danach erfolgt die Aufschlussreaktion der Mineralien. Die Temperatur kann dabei vollautomatisch gesteuert werden. Die geschlossene Prozessführung garantiert geringstmögliche Emissionen von Schadstoffen. Dämpfe und leichtflüchtige Säuren werden zuverlässig ausgewaschen.

(4)    Ca3(PO4)2 + 3 H2SO4 + 6 H2O → 2 H3PO4 + 3 CaSO4·2 H2O
β-TCP + Schwefelsäure → Phosphorsäure + Gips

Von besonderem Vorteil ist dabei die Erzeugung eines nahezu wasserfreien Konzentrates. Dies erschließt eine Vielzahl von unterschiedlichen Extraktionsprozessen mit wässrigen und nichtwässrigen Lösungssystemen. Nach der Extraktion kann die erzeugte Rohphosphor­säure durch nachgeschaltete Destillation weiter aufkonzentriert und gereinigt werden. Am Ende kann eine farblose, chemisch reine, bis zu 85-% Phosphorsäure gewonnen werden. Die unlöslichen Bestandteile wie Sand, Silikate, Gips, die als Filtrationsrückstand anfallen, können ebenfalls isoliert und als wertvoller Rohstoff für die Zement- und Baustoffindustrie verwendet werden. Alle entstehenden Produkte können verwertet werden. Evactherm-Anlagen dieser Art sind seit Jahrzehnten für ähnliche Anwendungen im Einsatz und haben sich aufgrund der Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit bewährt. Die platzsparende Modulbauweise ermöglicht ein einfaches Implementieren in Produktionsanlagen und benötigt wenig Zeit bei der Installation und Inbetriebnahme.

 

Weitere Quellen für die Phosphor-Gewinnung

Die Schweizer Regierung hat bereits 2016 ein Gesetz beschlossen, bei dem die Rückgewinnung von Phosphor nicht nur aus Klärschlamm, sondern auch aus Schlachtabfällen (z. B. Tiermehlasche) gesetzlich vorgeschrieben ist[7]. Sie möchte auf diese Weise unabhängig von Importen werden und in Zukunft sogar Überschüsse an angrenzende Länder exportieren. In der Schweiz ist eine Nutzung von Klärschlamm als Dünger bereits seit dem Jahr 2006 nicht mehr erlaubt. Für die Rückgewinnung sind Übergangsfristen bis zum Jahr 2026 vorgesehen. Eirich hat in der Vergangenheit bereits erfolgreiche Untersuchungen zum Säureaufschluss von Tiermehlasche durchgeführt. Somit kann auch in Zukunft, ergänzend zu Klärschlammasche, Tiermehl­asche zur Gewinnung von Phosphor ergänzt werden.

Blick in die Zukunft

Spätestens mit Ablauf der vom Gesetzgeber vorgegebenen Frist ist ab 2029 eine Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm­asche vorgeschrieben. In Deutschland werden aktuell ca. 85 % des eingesetzten Phosphors als Düngemittel verwendet. Hierfür kann die Pflanzenverfügbarkeit (Wasserlöslichkeit der Salze) im Eirich-Mischer signifikant erhöht werden. Gleichzeitig kann eine Anreicherung mit Nährelementen, insbesondere mit Stickstoffverbindungen zu einer Veredelung des Mineraldüngers führen. Für den Einsatz können nicht nur Klärschlamm­aschen, sondern auch Aschen aus der Fleisch­industrie eingesetzt werden. Unmittelbar in einem Prozessschritt kann ein für die Landwirtschaft optimal geeignetes Streugranulat erzeugt werden. Alternativ kann mit Hilfe des von Eirich entwickelten Evactherm-Verfahrens Phosphorsäure gewonnen werden. Damit kann in Zukunft der Phosphatkreislauf geschlossen werden, um in Zukunft eine nachhaltige und verantwortungsbewusste Versorgung mit dem lebensnotwendigen Element Phosphor zu garantieren.

Autor:

T. Lansdorf © Maschinenfabrik Gustav Eirich   Thomas Lansdorf, Chemiker und Sales Engineer, ­Maschinenfabrik Gustav Eirich

 

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Literaturhinweise
[1]     Alexandra Ilina (10.07.2023), VDI-Verlag: https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/werkstoffe/norwegens-phosphorvorkommen-bedeutung-und-potenzial-eines-rekordverdaechtigen-fundes/ [Stand 05.07.2024]
[2]    Klärschlammverordnung - AbfKlärV: Verordnung über die Verwertung von Klärschlamm, Klärschlammgemisch und Klärschlammkompost vom 27. September 2017 (BGBI. 1 Nr. 65, S. 3465), 2017.
[3]    Andrea Roskosch, Patric Heidecke, Klärschlamm-Entsorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Umweltbundesamt, Fachgebiete III 2.4 – Abfalltechnik, Abfalltechniktransfer und III 2.5 [Stand: Okt. 2018]
[4]    Sichler Theresa, Adam Christian, Abschätzung zusätzlich aus Abwasser und Klärschlämmen kommunaler und gewerblicher Herkunft extrahierbarer Wertstoffe, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau [Stand: Dez. 2022]
[5]    Lodwig Claudia, LANUV, Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlamm und Klärschlammasche [Stand: Sept. 2020]
[6]    Okrusch Martin, Frimmel Hartwig E., Mineralogie, Eine Einführung in die spezielle Mineralogie, Petrologie und Lagerstättenkunde, 10. Auflage, Springer Spek­trum, 2022
[7]    Hartmann Stefan, Phosphorverwertung: Recyclingdünger aus Kläranlagen, BAFU Bundesamt für Umwelt, https://www.bafu.admin.ch, Schweiz [Stand 04.12.2019]

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