Forschung & Innovation

Bioreaktor für skalierbare Zellproduktion

BioThrust entwickelt Technologie zur schonenden Kultivierung von Stammzellen durch blasenfreie Begasung

16.05.2024 - Das Aachener Start-up BioThrust hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Stammzelltherapie für jedermann zugänglich zu machen.

Das Spin-off der RWTH Aachen entwickelt einen Bioreaktor, dessen innovative Begasungstechnologie auf die Bedürfnisse der Zellen abgestimmt ist und so durch stressfreie Kultivierungsbedingungen höhere Zellkonzentrationen und -qualitäten ermöglicht. So will das Gründerteam um CEO Patrick Bongartz, CTO Moritz Meyer und CFO Konstantin Kurz die Zellproduktion in den industriellen Maßstab bringen.

Patrick Bongartz erläutert das Konzept und die Strategie hinter BioThrust.


CHEManager: Wie begann die Geschichte von BioThrust, was war Ihre Motivation, ein Start-up zu gründen?

Patrick Bongartz: Die Idee für BioThrust entstand im Rahmen meiner Doktorarbeit, für die ich an der Produktion nachhaltiger Waschmittel geforscht hatte. Die ersten Veröffentlichungen weckten das Interesse von Instituten und Firmen, die Potenzial in der Technologie gesehen haben. Das war der Anstoß für die Gründung von BioThrust.
Was mich persönlich motiviert: Mit dieser Technologie können wir Stammzelltherapien, die Millionen (Kassen-)Patienten Heilung versprechen, schneller für alle verfügbar machen. Unser Ziel ist es, dass schon die Generation unserer Eltern von diesen Therapien profitieren kann – mein Vater hat immer körperlich gearbeitet, im Garten- und Landschaftsbau. Die Gelenke sind verschlissen, der Knorpel ist zerstört. Mit Knorpel­ersatztherapien auf Stammzellbasis könnte ihm und anderen viel Lebensqualität zurückgegeben werden!

Was ist das Besondere an Ihrem Bioreaktor beziehungsweise Ihrem Verfahren, wodurch unterscheidet es sich von anderen?

P. Bongartz: Wir entwickeln einen bionischen Bioreaktor, der physiologische Bedingungen für die Zellkultivierung und damit optimale Voraussetzungen für eine erhöhte Zellausbeute bietet. Unsere patentierte Begasungstechnologie kann man sich wie eine künstliche Lunge vorstellen, die die Zellen schonend mit Sauerstoff versorgt. Bei den heute gängigen Begasungen im größeren Maßstab steigen Bläschen auf, die die Zellen zerstören und sich somit negativ auf den Zellertrag auswirken können. Durch unsere spezielle Membrantechnologie ermöglichen wir eine ‚Beatmung‘ der Zellen mit Sauerstoffmolekülen, ohne dass dabei Gasblasen entstehen, und schaffen so eine optimale Wachstumsumgebung für die empfindlichen Zellen.

Welche Anwendungen von Stammzellen adressieren Sie?

P. Bongartz: Im Grunde kann unser bionischer Bioreaktor überall da zum Einsatz kommen, wo die Produktionskosten und der Ertrag von Zellkultivierungen aktuell noch eine Herausforderung darstellen – sei es bei Stammzelltherapien oder auch bei der Herstellung von Clean Meat oder synthetischen Biologika. Wir haben in unserem Bioreaktor sogar bereits funktionelle, schlagende Herzorganoide erzeugt. Die Möglichkeiten sind endlos, aktuell konzentrieren wir uns aber bewusst auf Anwendungsfälle im Bereich Stammzelltherapien, da wir hier den größten Mehrwert für viele Menschen liefern können.

Wo stehen Sie bei der Verfahrens­entwicklung und was sind die nächsten Schritte?

P. Bongartz: Wir sind gerade dabei, zusammen mit potenziellen Kunden aus der Akademie und Industrie bestehende Prozesse zur Kultivierung von sensiblen Zellkulturen, insbesondere Stammzellen, auf die blasenfreie Begasung mit dem bionischen BioThrust-Reaktor zu optimieren und neue Prozesse zu entwickeln. Hierbei unterstützt uns seit Anfang des Jahres nun auch die Bioprozessexpertin Yasemin van Heuvel. In den nächsten Monaten wollen wir erste Pilotprojekte mit industriellen Zellkulturproduzenten realisieren.

Welche Erfolge konnten Sie in der jungen Firmengeschichte bisher feiern und welche Hürden müssen Sie noch nehmen? Wo finden Sie Unterstützung?

P. Bongartz: Wir haben bereits sehr viele Erstgespräche mit Interessenten geführt, zuletzt auf der Advanced-Therapies-Messe in London, wo nochmal deutlich geworden ist, wie dringend die Industrie auf eine Lösung zur Skalierung von Zellproduktionen gewartet hat. Mit der operativen Unterstützung unseres Seed-Investors Freigeist um Frank Thelen konnten wir bereits damit beginnen, das Team auszubauen, den Markt zu verstehen und einige wichtige Pilotprojekte zu starten.

Was ist Ihre Vision für BioThrust?

P. Bongartz: Wir möchten Stammzelltherapien skalierbar und für alle verfügbar machen und hierfür eng mit Zellproduzenten und Forschung zusammenarbeiten.

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Zur Person

Patrick Bongartz, Mitgründer und CEO von BioThrust, hat in Aachen und Jülich Biotechnologie studiert und an der RWTH Aachen in Chemischer Verfahrenstechnik promoviert. Im Rahmen seiner Doktorarbeit hat er eine Technologie entwickelt, die die skalierbare Kultivierung empfindlicher Zellen ermöglicht. Mit BioThrust will er Stammzelltherapien bezahlbar und für alle Menschen zugänglich machen. Das 2022 gegründete Spin-off der RWTH Aachen bringt mit seiner patentierten Begasungstechnologie Stammzelltherapien von der Petri­schale zur kommerziellen Anwendung.

 CM   Business Idea

 

Innovativer bionischer Bioreaktor

BioThrust hat sich auf die Entwicklung von neuartigen Bioreaktoren spezialisiert. Für die Prozesseffizienz von Fermentationen ist die Versorgung von Organismen und Zellen mit Sauerstoff elementar. Üblicherweise wird Sauerstoff in Form von Gasblasen in den Bioreaktor eingebracht, was zu Scherkräften und Schaumbildung führen kann. Mit seiner Technologie gestaltet BioThrust die Begasung von Bioreaktoren effizienter und schonender.
Der von BioThrust entwickelte bionische Bioreaktor enthält eine künstliche Lunge, die stressfreie Kultivierungsbedingungen bietet. Anstatt das benötigte Gas mittels Fritte in das Zellkulturmedium zu blasen, wird es über eine dichte Membran quasi ‚Molekül für Molekül‘ transferiert. Dabei können Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid reguliert und unabhängig aus- oder eingetragen werden. Das Team setzt zudem auf das Konzept der geometrischen Ähnlichkeit, d.h., dass die einzelne Zelle im 250-ml-Reaktor die gleichen Kultivierungsbedingungen erfährt wie im 200-L-System.
Die Begasungslösungen des Start-ups ermöglichen so erstmalig eine physiologische Versorgung der Zellen im industriellen Produktionsmaßstab von mehreren hundert Litern. Damit sollen die Zellproduktion skaliert und z.B. Stammzelltherapien mehr Menschen zugänglich gemacht werden.

Durch die patentierte strömungsoptimierte Membranarchitektur kann ein blasenfreier Gasaustausch erfolgen, der die empfindlichen Zellen nicht schädigt und den Ertrag von Zellproduktionsprozessen um ein Vielfaches steigert. Durch die effiziente Skalierung des Zellkultivierungsprozesses trägt BioThrust dazu bei, Stammzelltherapien erschwinglich zu machen. Zudem soll auch die Anwendung in den Bereichen Laborfleisch und synthetische Biologika möglich werden.
Bislang rüstet das Spin-off der RWTH Aachen Bioreaktoren etablierter Hersteller mit ihren Membranrührern nach. Durch dieses Retrofit können Interessenten die Technologie ohne teure Investments erproben. Das Interesse aus der Industrie ist groß.

In den kommenden Monaten wird sich das Team auf die Produktentwicklung und den Austausch mit der Industrie zur weiteren Schärfung der Anwendungsfälle konzentrieren.
Der Markteintritt mit einem voll funktionsfähigen Bioreaktor für die Therapieentwicklung ist für Ende 2024 geplant.

 

BioThrust GmbH, Aachen
www.biothrust.de

BioThrust_Logo

 

 

 CM   Elevator Pitch

 

Skalierbare Stammzelltherapien
BioThrust ist ein 2022 aus der RWTH Aachen ausgegründetes Biotechunternehmen, das mit seiner patentierten Membrantechnologie die Zellproduktion skalierbar macht und so Stammzelltherapien aus der Petrischale auf einen industriellen Maßstab bringt.
Aktuell arbeitet das Team gemeinsam mit potenziellen Kunden aus der Zellproduktion und Forschung an der Datenerhebung: Bestehende Zellproduktionsprozesse werden mit dem schonenden Verfahren im bionischen Bioreaktor getestet. Noch in diesem Jahr werden erste Pilotprojekte realisiert. Neben mehreren Innovationspreisen und Auszeichnungen bei Gründerwettbewerben konnte das Team bereits die Aufmerksamkeit vieler potenzieller Partner gewinnen.

Meilensteine
 

  • 2019
    - Erster Membranrührer-Prototyp
     
  • 2020
    - Erster Prototyp für Gaszerstäuber (Porous Sparger)
    - Scale-up auf 10-L-Reaktoren
    - Innovation-Sprint-Stipendium
     
  • 2021
    -RWTH-Innovationspreis
     
  • 2022
    - EXIST-Forschungstransfer-Stipendium
    - Unternehmensgründung
    - Preisträger u.a. beim Science4­Life Businessplan-Wettbewerb und HighTech.NRW Pitch-Wettbewerb
     
  • 2023
    - Innovationspreis der Bioregionen in Deutschland
    - Umzug in neue Räume im AGIT-Gebäude, Aachen
     
  • 2024
    - Frühphasen-Finanzierung durch Deeptech-Investor Freigeist

Roadmap

  • 2024
    - Weitere Produktentwicklung, Scale-down auf 250 mL und Entwicklung von in-situ Perfusionsfiltern
    - Erste Pilotprojekte mit industriellen Zellkulturproduzenten
    - Markteintritt mit Bioreaktor für die Therapieentwicklung
    - Teamausbau (Engineering und Business Administration)
    - IP-Portfoilo-Ausbau
     
  • 2025/26
    - Ausbau des Angebots mit skalierten Reaktorsystemen
    - Automatisierung der Fertigung
    - Finalisierung der GMP-ready-to-use Systeme für die Biopharmaproduktion und Ausbau des GMP-ready-to-use Portfolios
    - Finanzierungsrunde 2 für beschleunigten Firmenaufbau und Internationalisierung
    - Teamausbau (Fertigung und Qualitätsmanagement)

  

   

  

 

Ein Dank gebührt den Sponsoren des CHEManager Innovation Pitch, die diese Veröffentlichung mit ermöglichen!



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