EnergyCortex: Kosten senken durch Datenanalysen
Smarte, digitale und automatisierte Lösungen für die immer komplexere „Energie-Welt“
Energiekosten sind ein zentraler Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit von produzierenden Unternehmen. Die Märkte werden im Zuge der Energiewende jedoch komplexer und volatiler, unter anderem durch zunehmende regulatorische Vorgaben, eine Vielzahl an Ausnahmeregelungen und stetige Veränderungen der Rahmenbedingungen. Das im Mai 2018 gegründete Aachener Start-up EnergyCortex gibt Industriekunden mit seiner Software ein einfach bedienbares Instrument an die Hand, mit dem sie einen Überblick erhalten – und zu Gewinnern in dieser komplexen Welt werden können. Die Gründer Bastian Baumgart und Christian Gerloff erläutern im CHEManager Innovation Pitch ihre Motivation und ihr Konzept.
CHEManager: Herr Baumgart, Herr Gerloff, vor gut einem Jahr haben Sie sich entschieden, ein Unternehmen zu gründen, und haben diesen Entschluss in die Tat umgesetzt. Was hat Sie dazu bewogen?
Bastian Baumgart: In meiner Zeit als Geschäftsfeldentwickler habe ich tiefe Einblicke in die Komplexität der Energiemärkte erhalten. Hierbei zeigte sich: „meine Welt“ war teils weit vom Industriealltag entfernt. Energieeinsatz ist für alle ein Muss, aber der Fokus der Industrie liegt auf Produktion. Wir wollen zeigen: gut aufbereitet können Energiedaten Freude bereiten – insbesondere, wenn dadurch Kosten sinken. Da es noch keine funktionale Software gab, die verbraucherseitig über Visualisierung hinaus unterstützt, haben wir uns entschlossen, eine solche Lösung zu entwickeln.
Christian Gerloff: Wir und unsere Kunden sehen verbraucherseitig noch viel Optimierungspotenzial im Bereich Energie: Zähler werden heute oft noch händisch abgelesen. Rechnungen werden – wenn überhaupt – manuell geprüft. Sonderformen von Abgaben und Umlagen sind selten bekannt. Den Energiebeauftragten in Industrieunternehmen fehlt ein Instrument, in dem alle Informationen zusammenfließen. Mittels der Kombination aus energiewirtschaftlichem Know-how und modernen Technologien wollen wir das ändern.
Wo genau unterstützen Sie?
C. Gerloff: Wir beschaffen Energiedaten, die dem Kunden heute in der Regel meist nicht zur Verfügung stehen, obwohl er ein Recht darauf hat. Diese abstrakten Daten bereiten wir auf und machen sie für unsere Kunden greifbar und verwendbar. Dazu ermöglichen wir es, die relevanten Daten automatisiert zu erfassen, selbst ohne auf einen Smart Meter angewiesen zu sein; anschließend werden mittels künstlicher Intelligenz die Rechnungen plausibilisiert und Anomalien im Verbrauchsverhalten detektiert. So können sich unsere Kunden sowohl einen täglichen indikativen Überblick über Mengen, Preise oder ihren CO2-Ausstoß verschaffen, als auch kleinste Verbrauchsveränderungen exakt nachverfolgen. Wir bilden dabei ihre Energiemengen und -kosten flexibel von der Produktionsstraße eines Standorts bis zum gesamten Konzern ab.
Und wie profitierten Ihre Kunden konkret davon?
B. Baumgart: Zunächst entfällt beträchtlicher Zeitaufwand für Plausibilitätsprüfungen; das ist bei laut Branchenangaben mehr als 30 % fehlerhaften Rechnungen leider notwendig. Wir sind dabei bis heute der einzige Dienstleister mit Möglichkeit zur Automatisierung der Prozesse, was uns schneller, genauer und günstiger macht als manuelle Lösungen. Darüber hinaus unterstützen wir bei der Energiebeschaffung. Aufgrund der besseren Datengrundlage bieten Versorger im Anbietervergleich günstiger an, als wenn der Kunde allein anfragt – unsere Kunden haben so sechsstellige Beträge pro Jahr eingespart.
C. Gerloff: Einen der größten Vorteile sehen wir darin, dass Unternehmen Ihre Energiedaten greifbar und leicht zugänglich gemacht werden. Somit können beispielsweise fehlerhafte abrechnungsrelevante Daten oder Lastspitzen vermieden werden. Mittels moderner Analysemethoden werden wir künftige Verbräuche und Rechnungsbeträge prognostizieren. Somit hilft EnergyCortex Unternehmen, eine bessere Kontrolle über ihre Energiekosten zu erhalten.
Wie weit sind Sie in Ihren Plänen fortgeschritten und wie geht es für Ihr Start-up nun weiter?
B. Baumgart: Der „Proof-of-Concept“ wurde erbracht. Unsere Plattform und Modelle sind einsatzbereit und wurden erfolgreich mit industriellen Partnern wie der Freudenberg Gruppe oder CarboTech Production getestet. Nun sind wir auf der Suche nach weiteren Kunden, die Interesse an Kostenersparnissen haben.
C. Gerloff: Wir orientieren uns konkret an den Bedürfnissen unserer Kunden, um so nutzenstiftende Produkte für Industrieunternehmen zu schaffen. Hierzu laden wir die CHEManager-Leser ein. Insbesondere im Bereich der Prognose und Big Data Analytics sehen wir noch viel Potenzial.
ZUR PERSON
Bastian Baumgart studierte an der RWTH Aachen Wirtschaftsingenieurwesen und promovierte im Bereich der Energieökonomie. In seiner 10-jährigen Tätigkeit in der Energiewirtschaft hat er bei m Energieversorgungsunternehmen Trianel die Grünstromvermarktung und einen Flexibilitätspool, in dem sich zu- und abschaltbare Verbraucher befinden, mit aufgebaut. Vor der Gründung von EnergyCortex war er Leiter des Flexibilitätsmanagements. In seinem Co-Founder fand er den idealen Partner, um seine Expertise aus der Praxis mit modernsten, computergestützten Werkzeugen zu kombinieren und daraus gemeinsam ein kundenorientiertes Produkt zu entwickeln.
Christian Gerloff studierte an der RWTH Aachen Wirtschaftsingenieurwesen und lernte in Studienzeiten Bastian Baumgart bei Trianel kennen. Er sammelte in interdisziplinären, internationalen Forschungs- und industrieübergreifenden Projekten Erfahrung im Bereich skalierbarer IT-Architekturen zur Analyse und Verarbeitung großer Datenmengen. Damit künstliche Intelligenz nicht nur ein Schlagwort bleibt, promoviert er zurzeit zum Thema Machine Learning und Bayesian Methods an der RWTH Aachen und dem Forschungszentrum Jülich. Mit seinem Verständnis von Big Data und modernen Analysemethoden, trägt er die aktuelle Forschung in die wirtschaftliche Praxis.
BUSINESS IDEA
EnergyCortex versteht sich als digitaler Datenspezialist im Bereich der industriellen Energieversorgung mit primärem Fokus auf Strom und Gas. Auf ihrer Plattform werden Daten gesammelt, gebündelt und analysiert, um Industrieunternehmen einen Überblick zu verschaffen und gleichzeitig Kostensenkungspotenziale aufzudecken. Den Grundstein bildet die selbstentwickelte, webbasierte Software „VisualCortex“, auf der erstmals abrechnungsrelevante Energiedaten automatisiert aufbereitet und dargestellt werden. Zusätzlich besteht Zugang zu folgenden Modulen, die über Visualisierung hinausgehen:
- Smart Data Metering: Messen
- Smart Verification: Verifizieren
- Smart Analytics: Analysieren
- Smart Tendering: Optimieren
Durch „Smart Data Metering“ – also dem Einsatz von vorhandenen oder neu eingebauten digitalen Zählern – wird eine höhere Granularität und Robustheit der Daten erreicht.
Die gesetzlich vorgeschriebene Rechnungsprüfung mittels automatisierter „Smart Verification“ spart der Industrie Zeit. Denn die Software deckt fehlerhafte Teile der Rechnungen bei Mengen oder Entgelten unter Beachtung von Sonderformen automatisiert auf, was bei energieintensiven Unternehmen schnell zu fünfstelligen Rückerstattungen führen kann.
„Smart Analytics“ erhöht mit Hilfe künstlicher Intelligenz die Analysemöglichkeiten auf solche feingranularen Daten.
Auch in der Beschaffung von Strom und Gas automatisiert das Start-up mit „Smart Tendering“, indem Ausschreibungen des Strom- und Gasbedarfs übernommen werden.
Durch die Kombination der Tools konnte EnergyCortex für Kunden wie Freudenberg und CarboTech eine Gesamtersparnis zwischen 2 % und 15 % der energiebezogenen Kosten realisiert werden.
Zielgruppe sind primär Großabnehmer ab ca. 500.000 EUR Energiekosten pro Jahr bzw. einem Verbrauch ab 2 GWh (Strom und Gas), Multi-Standortbetreiber und Industrieparks.
ELEVATOR PITCH
Meilensteine, Auszeichnungen, Pläne und Ziele
EnergyCortex wurde im Mai 2018 in Aachen gegründet. Das Gründerteam hat eine innovative Cloud-basierte Software-as-a-Service (SaaS)-Lösung entwickelt, um den Energieverbrauch von Industrieunternehmen kostengünstig und zeitnah zu überwachen, energiebezogene Kosten und Rechnungen von Energielieferanten automatisiert zu überprüfen sowie mit Hilfe von gemessenen Verbrauchsdaten Einsparpotenziale zu heben.
Meilensteine:
- Team- & Ideenfindung Q3/17
- Erster Pilotkunde (LOI) Q4/17
- EXIST-Gründerstipendium Q2/18-Q1/19
- Gründung Q2/18
- Erste Ausschreibung Strom & Gas Q3/18
- Abschluss Prototypenentwicklung Q1/19
- Teil der offiziellen Marktkommunikation in Deutschland Q2/19
Auszeichnungen:
- EXIST-Gründerstipendium
- DigitalHUB Aachen Stipendium 2018 by Stawag
- Preisträger Gründerwettbewerb Digitale Innovationen 2018 des BMWi
- Preisträger beim AC²-Gründungswettbewerb (Region Aachen)
- Sieger des 22. NUK-Businessplan-Wettbewerbs (Region Rheinland)
- Sieger Pitch-Session beim ChemCologne-Kooperationstag „Startup trifft Chemieindustrie“
- Auszeichnung im E.ON-Agile-Programm
Roadmap:
- Mehr Industriekunden aus Deutschland gewinnen (Kurzfrist)
- Technische Erweiterungen/Features im Bereich Gas (Kurzfrist)
- ISO 50001-Kompatibilität (2020)
- Ausrollen auf DACH-Region (Mittelfrist)
- Ausrollen auf dezentrale und erneuerbare Stromerzeugung (Mittelfrist)
Über CHEManager Innovation Pitch
CHEManager Innovation Pitch ist nicht nur eine Präsentationsplattform für Start-ups in den monatlichen Printausgaben des CHEManager, sondern auch auf einer eigenen Online-Plattform. Besuchen Sie www.chemanager-innovationpitch.de und finden Sie weitere Start-ups aus der Chemiebranche und Informationen über unsere Sponsoren, die den CHEManager Innovation Pitch unterstützen.