Zweite Heimat Asien
Deutsche Mittelstand-Champions sichern mit der richtigen Asienstrategie ihre globale Marktposition
Die deutschen Mittelstand-Champions haben in Asien eine Erfolgsgeschichte geschrieben: Der durchschnittliche Umsatzanteil Asiens am Gesamtumsatz liegt bereits bei 20% und damit sogar höher als bei den Dax-Konzernen (16%).
Um die Chancen und Herausforderungen für eine nachhaltig erfolgreiche Marktbearbeitung in Asien herauszuarbeiten wurden im Rahmen einer Studie Inhaber und Geschäftsführer sowie Asien-Verantwortliche von ca. 100 Mittelstand-Champions befragt sowie umfangreiches Datenmaterial ausgewertet.
Über 5.200 deutsche Mittelständler sind in China mit eigenen Tochtergesellschaften aktiv. Für viele Unternehmen, vor allem im Automobilsektor und im Maschinenbau, ist China bereits der größte Einzelmarkt. Auch in anderen Regionen Asiens besteht eine starke Präsenz. So agieren bspw. in Singapur rund 1.480 deutsche Unternehmen mit einer eigenen Tochtergesellschaft, in Indien sind es ca. 1.000.
Exportmodell dominiert Marktbearbeitung
Bisher dominiert bei der Marktbearbeitung das Exportmodell: Die meisten Unternehmen konzentrieren sich auf den Aufbau von Vertriebs- und Servicenetzwerken in der Region, über die die meist im oberen Preissegment angebotenen Produkte vertrieben werden. Über 70 % der befragten Unternehmen habe schon ein regionales Headquarter eingerichtet, um im gewissen Umfang Entscheidungskompetenzen aus dem deutschen Stammhaus in die Region zu verlagern. Der beliebteste Standort hierfür ist Singapur; der Stadtstaat punktet bei wichtigsten Standortkriterien wie Rechtssicherheit, Zugang zu gut ausgebildeten Mitarbeitern und Stabilität des politischen Umfeldes. Das zweitplatzierte Schanghai dominiert natürlich beim Kriterium „Marktnähe“ zum größten Absatzmarkt China.
Nur eine Minderheit der Unternehmen betreibt allerdings bereits eigene Produktionsstätten in Asien und unterhält Forschungs-und Entwicklungskapazitäten vor Ort. Damit unterscheidet sich der Mittelstand von großen multinationalen Unternehmen, die bereits in erheblichem Umfang zu echten „Insidern“ in Asien geworden sind und ihre gesamte Wertschöpfungskette lokalisiert haben oder sogar global spezialisierte Wertschöpfungsverbünde aufbauen. Die Gründe hierfür liegen einerseits darin, dass der industrielle Mittelstand in Deutschland immer noch ein sehr gutes Umfeld für Produktion und F&E vorfindet und zum anderen natürlich in den limitierten Personal- und Finanzressourcen im Vergleich zu Großkonzernen.
Optimistische Wachstumserwartungen
Die Umsatzplanungen für die Region sind weiterhin sehr optimistisch: 56 % der befragten mittelständischen Unternehmen wollen ihren Asien-Umsatz in den nächsten drei Jahren um mehr als 10 % steigern, mehr als ein Drittel (36 %) erwarten immerhin noch ein Wachstum zwischen 6 und 10 %. Diese geplanten Wachstumsraten liegen im Mittel deutlich über den Schätzungen für das Wachstum des Bruttosozialproduktes der Region. Das bisherige Exportmodell soll allerdings beibehalten werden: Vertriebs- und Servicefunktionen sollen weiter stark aufgebaut werden. Nur eine Minderheit plant, auch Produktions- sowie Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in Asien anzusiedeln.
Nach unseren Einschätzungen ist es fraglich, ob viele Unternehmen mit der Fortsetzung ihres bisherigen Exportmodells angesichts der sich verschärfenden Wettbewerbssituation in Asien ihre ehrgeizigen Ziele erreichen können. Um ihre global führende Marktposition zu verteidigen, müssen die Unternehmen Asien-Insider werden, indem sie vor Ort Forschung und Entwicklung, eine entsprechende Produktion und einen zweiten Heimatstandort aufbauen und vor allem innovative Produkte für das mittlere Marktsegment anbieten, um die stark anwachsende Konkurrenz aus Asien, vor allem aus China, in Schach zu halten.
Wettbewerb im mittleren Marksegment
Am besten hat diese Herausforderung Rainer Hundsdörfer, der Chef von EBM-Pabst, dem Weltmarktführer bei Ventilatoren und dazu gehörigen Systemlösungen auf den Punkt gebracht: „Wir müssen mit unseren chinesischen Konkurrenten vor Ort auf Augenhöhe konkurrieren, damit sie nicht zu erfolgreich auf ihrem Heimatmarkt werden und die Gewinne benutzen, um globale Vertriebs-, Produktions- und F&E-Aktivitäten aufzubauen. Wenn wir es nicht schaffen, unsere lokalen Wettbewerber zu schlagen, heißt das im Klartext, dass wir mittelfristig auch unsere globale Marktposition gefährden“.
In vielen B2B-Märkten in den sich entwickelnden Ländern in Asien, Lateinamerika und MENA (Middle East & North Africa) wird auf absehbare Zeit das mittlere Marktsegment das größte und am schnellsten wachsende Segment sein. Während die meisten deutschen Mittelstandunternehmen sich weiterhin auf das Premiumsegment konzentrieren, haben sich viele asiatische Unternehmen, die im unteren Marktsegment gestartet sind, zu ernsthaften Wettbewerbern um das mittlere Marksegment entwickelt.
Insider in Asien zu werden, stellt viele deutsche Mittelständler vor große Herausforderungen. Tiefgreifende Änderungen in allen Teilen der Wertschöpfungskette sowie eine umfassende Kulturveränderung, vor allem die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen aus dem deutschen Stammhaus in die Region und der Aufbau entsprechender Managementkompetenzen vor Ort, sind erforderlich. Um diesen Prozess zu beschleunigen, haben einige größere Mittelstand- Champions wie Trumpf oder Claas lokale Wettbewerber erworben, die gezielt unter einer separaten Marke das mittlere Marktsegment bearbeiten. Andere in Asien sehr erfolgreiche Unternehmen wie Heraeus oder Delo oder fokussieren sich dagegen auf den organischen Aufbau lokaler Einheiten.
Standortwahl entscheidend
Weiterhin zu entscheiden ist die Standortwahl für den Aufbau eines zweiten Heimat-Standortes. Wir gehen mittelfristig von drei starken Wachstumskernen in „Emerging Asia“ aus: China, ASEAN und Indien. Aufgrund des Markpotentials und der geografischen Distanzen ist es selten möglich, diese Sub-Regionen durch einen integrierten (zweiten) Heimatstandort in Asien zu bearbeiten. Für bestimmte Funktionen kann es aber durchaus panasiatische Lösungen geben, so kann sich bspw. Singapur für den Aufbau einer F&E-Funktion mit Mandat für ganz Asien anbieten. Zahlreiche Dax Konzerne wie BASF, Bayer, Evonik und auch viele Mittelständler unterhalten dort Forschungszentren, z.T. auch mit globalen Mandaten für einzelne Business Units. Auch Logistikfunktionen für den ASEAN Raum oder sogar für die gesamte Region werden auf Grund der vorhandenen guten Infrastruktur häufig in Singapur konzentriert. Nicht zuletzt betreiben auch etliche deutsche Unternehmen wie Lanxess oder Evonik auf Jurong Island große Produktionsstätten. Die Singapur vorgelagerte Insel gilt mittlerweile als größter Chemie-Gewerbepark Asiens.
Fazit
Unsere Empfehlung lautet also, dass die deutschen Mittelstand-Champions zum ‚Insider‘ in Asien werden müssen, einer Region auf die in den nächsten fünf Jahren fast 50 % des Weltwirtschaftswachstums entfallen. In ihrem ‚zweiten Heimatmarkt‘ müssen relevante F&E-Funktionen und Fertigungen aufgebaut werden. Die Einrichtung regionaler Headquarterfunktionen erleichtert dann auch die Anwerbung von asiatischem Führungskräften, die mittelfristig neue Perspektiven in die Führung des Gesamtunternehmens einbringen. Dieser Prozess, der ohne die Aufgabe der vorhandenen starken Heimatbasis in Deutschland angegangen werden sollte, ebnet den Weg zur nachhaltigen Sicherung der Weltmarktposition und zu einer neuen Form globaler Unternehmensaufstellung.
Deutsche Mittelstand-Champions in Asien”
Die von Prof. Bernd Venohr und Prof. Gert Bruche konzipierte und durchgeführte Studie "German Mittelstand Champions in Asia – Catching the Next Wave of Growth" liefert Erkenntnisse für strategische und strukturelle Entscheidungen für Manager und Unternehmer des deutschen Mittelstandes. Aus Interviews und Befragungen von mehr als 100 Top-Führungskräften leiteten die Autoren ihre Ergebnisse ab, die sie in einem Whitepaper zur Verfügung stellen. Das Whitepaper ist für Interessierte über die Website des EDB verfügbar!