Vertrauensaufbau als Erfolgsfaktor Nr. 1
Kolumne Perspektivenwechsel von Prof. Carsten Suntrop
Das Geschäft mit der industriellen Dienstleistung ist eine große Herausforderung, da der Chemiestandortkunde das Produkt nur selten faktisch erfassen kann. In den meisten Fällen stellt der Mitarbeiter des Dienstleisters einen Großteil des „Produktes" für den Standortkunden dar. Der Kunde an einem Chemiestandort ist davon abhängig, dass die Menschen in der Dienstleisterorganisation ihren Job perfekt machen.
Das Vertrauen des Chemiestandortkunden in die Erstellung der Dienstleistung und deren Anforderung wie Sicherheit, Qualität und Aufwand wird damit zu einem besonderen Faktor. Aus Sicht zahlreicher Erhebungen ist für langfristig, erfolgreiche Dienstleistungsbeziehungen der Erfolgsfaktor Nr. 1 „Aufbau von Vertrauen" beim Kunden durch den Chemiestandort-Dienstleister. Die Hürde bei der Generierung von Vertrauen ist die Definition von Vertrauen als „... subjektive Überzeugung (Gefühl/ Glaube) von der Richtigkeit, Wahrheit bzw. Redlichkeit von Personen, von Handlungen und Aussagen eines anderen ...". Der Chemiestandortdienstleister ist also in großem Maße von der subjektiven Einschätzung seines Kunden abhängig.
Dies führt uns zur Frage, ob eine gesamte Kundenorganisation einen subjektiven Eindruck eines Dienstleisters haben kann? Es sind doch eher die einzelnen Ansprechpartner in der Organisation des Chemiestandortkunden, welche sich ein subjektives Bild von ihrem industriellen Dienstleister aufbauen. Dann ist es doch für einen Chemiestandortdienstleister extrem wichtig zu wissen, wie diese subjektiven Bilder entstehen ... und wie man dann noch diese subjektiven Bilder beeinflussen kann. Dies führt dazu, dass es eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitern in der Dienstleisterorganisation gibt, welche diese subjektiven Bilder ihres Kunden aufnehmen, verstehen, verarbeiten, austauschen und zu einem Gesamtbild formen sollten. Auf dieses Gesamtbild sollte dann eine ähnlich großen Anzahl von Mitarbeitern mit individuell für diesen Ansprechpartner geschaffene Botschaften und Aktionen reagieren. Dies beeinflusst das subjektive Bild (hoffentlich) positiv und erhöht das Vertrauen auf ein Maximum.
Diese Perspektive scheint zu kompliziert und zu aufwändig, daher muss es ausreichen, einfach ein gutes Produkt wie Dampf oder Wasser oder Leistung wie Abwasserentsorgung, Pumpenreparatur oder Hafenumschlag zu erstellen!
Sollte sich die Dienstleisterorganisation aber doch über die Wichtigkeit von Vertrauen und der Beeinflussung von subjektiven Wahrnehmung von einzelnen Ansprechpartnern in der Kundenorganisation einig sein, sind es nur wenige Schritte zur Umsetzung. Die wichtigen Ansprechpartner sind zu identifizieren, im Detail ist jeder Ansprechpartner in der Kundenorganisation zu verstehen, welche Themen für ihn interessant sind, welche Bedürfnisse dieser hat und was für einen Charakter dieser Ansprechpartner besitzt. Anschließend ist eine Taktik festzulegen, wie ich den einzelnen Ansprechpartner begeistern kann. Dies erfolgt, indem ich seine subjektive Wahrnehmung in Gesprächen, Kontakten, Terminen über ein professionelles, inhaltlich perfektes und individuelles Miteinander beeinflusse. Dazu ist es notwendig, sich immer wieder auf der Seite des Chemiestandortdienstleisters zu einzelnen Ansprechpartnern auszutauschen, die Botschaften klar zu formulieren, mit Transparenz und guter Termin-Vor- und Nachbereitung zu überraschen. Wenn der Dienstleister mehr Wissen über die Kundenorganisation aufgebaut hat, als die Kundenorganisation selber, und dieses zur positiven Gestaltung der Dienstleistungsbeziehung einsetzt, ist es gut!
In einem Umfeld sich seit Jahrzehnten kennender Ansprechpartner auf Seiten des Chemiestandortkunden als auch -dienstleisters ist dies sicherlich eine große Herausforderung und kostet immer wieder Überwindung, begeistern zu wollen. Dabei sind sowohl die inhaltliche Perfektion der Leistung, die thematische Brillanz in den Dienstleisterthemen als auch die vertrieblich-menschliche Professionalität für den Aufbau von Vertrauen gleichbedeutend von großem Einfluss. Der Chemiestandortdienstleister muss in die Perspektive des Chemiestandortkunden wechseln und prüfen, inwieweit diese Einflussfaktoren immer wieder zutreffen. Im weltweiten strategischen Kampf um Investitionen an deutschen und europäischen Chemiestandorten ist das einer der möglichen Stellhebel, die mit vorhandener Mitarbeiterkraft und Aktivierung der eigenen kundenorientierten Konsequenz umgehend eingesetzt werden kann.