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Wachstumstreiber Innovation

Merck Millipore ist ein Paradebeispiel für eine strategische Akquisition

30.08.2010 -

Es gibt verschiedene Gründe, Unternehmen zu erwerben, z.B. Wachstum, Investition, Innovation, Synergien, Ausschalten eines Wettbewerbers und nicht zuletzt die Unterstützung der Geschäftsstrategie des eigenen Unternehmens. Was die Strategie angeht, so ist die Übernahme von Millipore durch das Pharma- und Chemieunternehmen Merck ein Beispiel für eine perfekte strategische Akquisition. Millipore ist nun Teil des Unternehmensbereichs Chemie, der aus zwei Sparten besteht: Merck Millipore und Performance Materials. Dr. Michael Reubold sprach mit Dr. Bernd Reckmann, Leiter der neu gegründeten Sparte Merck Millipore und Mitglied der Geschäftsleitung von Merck, über die Strategie hinter der Übernahme und über die Herausforderungen der Branche.

Herr Dr. Reckmann, Millipore ist eine nahezu perfekte Ergänzung des bestehenden Portfolios von Merck. Gab es für diese Transaktion Auflagen seitens der Behörden?

Dr. B. Reckmann:
Nein, denn es ist tatsächlich eine perfekte Ergänzung. Die Akquisition ist äußerst komplementär. Es gibt nur sehr kleine Bereiche, in denen sich Produkte überlappen. Wir sind damit einer der führenden globalen Akteure im Life-Science-Markt geworden mit hoch spezialisierten Produkten in attraktiven Wachstumsmärkten. Das gesamte Geschäft wird durch Innovation getrieben. Bei diesem Geschäft geht es darum, einander ergänzende Unternehmen zusammenzuführen, anstatt die Übernahme nur durch Kosteneinsparungen zu rechtfertigen. Glücklicherweise gab es keinerlei Probleme mit den Behörden, weder in den USA noch in Europa. Genau das hatten wir erwartet.

Wie wird Millipore in die Organisationsstruktur von Merck integriert?

Dr. B. Reckmann: Millipore verändert Merck Chemicals mit dem Endeffekt, dass wir zwei wachstumsstarke innovative Geschäftsbereiche erhalten. Zum einen das Life Science-Geschäft, das wir jetzt in der Sparte „Merck Millipore" mit einem Pro-forma-Umsatz von 2,1 Mrd. € zusammenführen. Das andere ist der Hightech-Geschäftsbereich „Performance Materials" mit einem Pro-forma-Umsatz von mehr als 1 Mrd. €.

Welche Geschäftsbereiche werden zu Merck Millipore gehören?

Dr. B. Reckmann: In der Merck Millipore-Sparte werden wir drei Business Units haben, nämlich Bioscience, Lab Solutions und Process Solutions. Jede Business Unit konzentriert sich auf ihre Produkte, etwa Tests und Reagenzien, Nährlösungen und Produkte für die Produktion in der biotechnischen und pharmazeutischen Industrie, aber auch Laborchemikalien in Forschung und Analytik. Ich glaube, dass wir tatsächlich etwas sehr Besonderes in unserer Branche schaffen. Dies spiegelt sich auch in unserer Vision wider: „unleash the potential of science for life".

Wie setzt sich Performance Materials zusammen?

Dr. B. Reckmann: Performance Materials wird die Aktivitäten von Merck bei Spezialchemikalien umfassen, d.h. die Bereiche Flüssigkristalle, Pigmente und Kosmetika sowie andere materialorientierte Geschäftsbereiche. In dieser Sparte führen wir unser erfolgreiches Angebot an materialbasierten Produkten, Technologien und innovativen Lösungen, unser starkes anwendungstechnisches Know-how und unsere klare Kundenorientierung zusammen, um uns weitere Wachstumspotenziale zu erschließen. Beispiele sind etwa Flüssigkristalle für Displays von Fernsehern, PCs und Geräten der Unterhaltungselektronik, LED- und OLED-Materialien für Displays, Beleuchtung und Photovoltaik, Pigmente für die Kosmetik-, Farben- und Lackindustrie sowie Wirkstoffe.

Was bedeutet die Akquisition für die Präsenz von Merck in Nordamerika?

Dr. B. Reckmann:
Wir haben jetzt die kritische Masse in Nordamerika erreicht. Wir hatten dort immer Schwierigkeiten, waren im Chemiegeschäft stets unterrepräsentiert. Nun wird Merck Millipore immerhin 35 Prozent des Umsatzes in Nordamerika erzielen.

Sehen sie Möglichkeiten für Synergien zwischen Pharma und Chemie?

Dr. B. Reckmann: Synergien sind von untergeordneter Bedeutung. Wir setzen auf die zwei Unternehmensbereiche Pharma und Chemie vor allem aus Gründen des Risikoausgleichs, nicht um Synergien zu heben.

Wie unterscheiden sich bisher Merck und Millipore im Markt?

Dr. B. Reckmann: Millipore hat eine sehr starke Beziehung zur biotechnischen Industrie. Wir selbst haben eher sehr gute Beziehungen zur chemisch-pharmazeutischen Produktion. Diese Dinge fügen sich sehr gut zusammen. Wir werden außerdem einige der „Go-to-market"-Prozesse von Millipore nutzen und werden so agiler und leistungsstärker als zuvor.

Größere und agilere Anbieter, fragen das die Kunden nach?

Dr. B. Reckmann: Meiner Meinung nach ja, denn wenn man heute neue Medikamente entwickeln will, und das ist letztlich das, was unsere Kunden tun, braucht man ganz einfach mehr als nur eine einzige Disziplin. Heute ist alles komplizierter geworden, und man muss mit komplexen Netzwerken interagieren. Andernfalls wird man scheitern. Die Pharma- und die Biotech-Industrie stehen in den kommenden Jahren vor enormen Herausforderungen. Wir alle müssen unser Geschäft und unsere Forschung neu erfinden, um effizienter zu werden. Wir müssen unsere Produktionsverfahren verbessern, um unnötige Kosten zu vermeiden. Der Veränderungsdruck wird enorm sein. Merck Millipore ist aber in einer sehr attraktiven Position, um unseren Kunden beim Bewältigen dieses Wandels zu helfen. Dabei kombinieren wir die Stärken beider Organisationen, um genau zu verstehen, was unsere Kunden brauchen. Mit unseren Dienstleistungen und Problemlösungen können wir unseren Kunden helfen, ihre Unternehmen auf globaler Basis zu verändern und anzupassen und dabei gleichzeitig auf jeder Ebene der Prozesskette zur Wertschöpfung beitragen.

Wie sieht Ihre Strategie für einen reibungslosen Integrationsprozess aus?

Dr. B. Reckmann: Das Schlüsselwort heißt „Das Beste von beiden". Wir haben diesen Ansatz bei der äußerst erfolgreichen Integration von Serono angewandt, und wir werden diese Philosophie auch hier wieder anwenden. Wir wollen lernen und sind offen, Prozesse und Systeme zu übernehmen, wo der Ansatz von Millipore besser funktioniert. Wo der Ansatz von Merck der Bessere ist, wird nichts geändert. Der zweite wichtige Aspekt ist das Tempo aller Integrationsentscheidungen, denn dieses Thema schafft viel Unsicherheit und Angst bei den Mitarbeitern. Hier setzen wir auf Transparenz und Ehrlichkeit. Die dritte wichtige Aufgabe ist es, die Schlüsseltalente auf den Top-Ebenen der Organisation zu halten. Dies ist uns gelungen und ich bin sicher, dass wir mit diesem starken Managementteam auch künftig sehr gute Ergebnisse liefern werden.

Wann erwarten Sie, dass die Integration abgeschlossen sein wird?

Dr. B. Reckmann: Die wesentlichen Integrationsarbeiten werden bis Ende dieses Jahres dauern. Für die Harmonisierung der Prozesse etwa im IT-Bereich werden wir länger brauchen. Meiner Meinung nach ist die Integration aber erst abgeschlossen, wenn die Menschen, die für Merck Millipore arbeiten, wie Merck Millipore fühlen, und dies wird nach meiner Erfahrung mindestens drei Jahre dauern.

Ihr Geschäft ist innovationsgetrieben. Können Sie uns eine Zahl oder Vorstellung nennen, wie viel Geld Sie bei Merck Millipore für Forschung und Entwicklung ausgeben wollen?

Dr. B. Reckmann: Beide Organisationen haben bereits ein sehr attraktives Forschungs- und Entwicklungsbudget. Zusammen wird es in der Größenordnung von 120 Mio. € liegen, was 6 bis 7 % des Umsatzes entspricht. Damit ist unser Forschungs- und Entwicklungsbudget in absoluten Zahlen das drittgrößte in der Life-Science-Industrie. Dies wird uns die kritische Masse geben, um die Wünsche unserer Kunden in Lösungen umzusetzen, die zu echten Innovationen führen.

Können Sie uns auch eine Hausnummer für Ihr R&D-Budget bei Performance Materials geben?

Dr. B. Reckmann: Bei Performance Materials investieren wir noch mehr in Forschung und Entwicklung - etwa 10 % oder mehr vom Umsatz. Für ein Chemieunternehmen ist dies ein außerordentlich hoher Betrag, aber Merck hat den Ruf, sehr innovativ zu sein. Im Hightech-Bereich wollen wir definitiv neue Wachstumsmotoren wie Flüssigkristalle generieren und beschäftigen uns mit Bereichen wie organische Elektronik, flexible Displays, Photovoltaik, Energiematerialien, Beleuchtung und Leistungsadditive. Durch die Konzentration unserer Forschung und Entwicklung auf künftige Nachfragetreiber und ein breites Portfolio innovativer Lösungen wird die Sparte in der Lage sein, effektiver auf aktuelle und künftige Megatrends einzugehen.

Was ist wichtig, um im Geschäft mit spezial- oder materialbasierten Chemikalien zur Wertschöpfung beizutragen bzw. Wachstum zu erzielen?

Dr. B. Reckmann: Der eigentliche Treiber in diesen Hightech-Bereichen ist meiner Meinung nach das entsprechende Verständnis für die Anwendungstechnik. In diesen Geschäftsbereichen reicht es nicht aus, einfach nur eine Substanz anzubieten. Vielmehr muss man den Kunden zeigen, welcher Mehrwert generiert werden könnte, wenn man die betreffende chemische Substanz in ein bestimmtes Produkt oder einen Prozess einbringt. Daher bedarf es einer starken Anwendungstechnik. Sehr oft handelt es sich um ein projektorientiertes Geschäft, und am Ende erhält man mehr oder weniger ein individuelles, maßgeschneidertes Produkt.

Sind Sie auch offen dafür, dieses Geschäft durch Akquisitionen zu stärken?

Dr. B. Reckmann:
Wir sehen derzeit keine große Akquisition im Hightech-Bereich, denn jedes Chemieunternehmen wäre mehr als glücklich, etwas Derartiges zu besitzen. Daher wären sie wohl sicher nicht bereit, es zu veräußern. 

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