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WVIS-Kolumne Neues aus dem Industrieservice: S(ch)ichtwechsel

Im Jahr des Kohleausstiegs rückt das Thema Energiewende noch einmal in den Fokus

18.09.2018 -

Im Jahr des Kohleausstiegs rückt das Thema Energiewende noch einmal in den Fokus. Während es die neu gegründete und seither fleißig tagende Kohlekommission mit ihren sachlichen Themen zunächst nur am Rande in die Sommerlochberichterstattung geschafft hat, brachten die Hambacher Forst-Aktivisten das Thema Energie wieder zurück auf die Titelseiten von Handelsblatt, TAZ und in die Tagesschau.

Mit verschwommenen Bildern von Kleinholz vor bedrohlichen Baggerkulissen unter dunklen Wolken fing es an. Umgehend folgten die Berichte über Familien von Mehrgenerationen-Hofgemeinschaften, die sich nach der Umsiedlung zugunsten des Braunkohletagebaus mit dem Auseinanderbrechen der Familie konfrontiert sehen, weil die Alten nicht mehr in das neue schmucke Einfamilienhaus am neuen Standort passen. Berichte über triste Rodungsflächen wechselten sich ab mit noch mehr Schicksalen aus zerrissenen Dörfern. Es ging um heulende Demonstranten und entnervte Sicherheitskräfte und die Ohnmacht aller Betroffenen gegen die habgierigen Kraftwerksbetreiber.

Währenddessen schwiegen nur die Windräder vor sich hin und die Solarenergie verpuffte trotz Rekordhitze mangels Stromnetzen in der Atmosphäre. Nur gut, dass die allgegenwärtige Sonne die langen Tage ausreichend ausleuchtete. Denn ohne Kohle geht in Deutschland das Licht nicht nur bald aus strukturellen Gründen in den idyllischen Bauernstuben aus, sondern auch mangels Kohle im Portemonnaie.

Aktuell sind durch den vorzeitigen Ausstieg aus der Kohleverstromung rund 35.000 Arbeitsplätze massiv gefährdet. Rechnet man mittelfristig den Effekt des Wettbewerbsnachteils durch schließende Kraftwerke und dem damit verbundenen  Technologie- und Forschungsbedarf dazu, sind es nahezu 800.000 Menschen, die demnächst nicht mehr gebraucht werden. Hinzu kommt, dass fehlende Kohlekraftwerke ein Standortnachteil für Kraftwerkbauer ebenso wie für Anlagenerrichter, insbesondere solche für Filteranlagen, Abgasreinigung und effizientere Verbrennung wären, da die ihre Marktführerschaft im eigenen Land nicht länger präsentieren können. Solange Umwelttechnologie „Made in Germany“ noch weltweit führend ist, wäre minimal ein Kohlekraftwerk in Deutschland für den Schutz des weltweiten Klimas notwendig, damit global auch weiterhin hochwertigste Technik verfügbar ist, angeboten und vor allem auch verbaut werden kann.  Die so erzielte Glaubwürdigkeit der produzierenden Industrie für die Kraftwerkstechnik würde so zumindest für den Export zum Vorteil gereichen.

Wobei wir gleich bei der nächsten späten Erkenntnis im Zuge der Energiewende angekommen sind. Die Rolle Deutschlands, als Vorreiter des Umstiegs auf erneuerbare Energien, verpufft fühlbar im weltweiten Vergleich. Solange in China die alten deutschen Kohlekraftwerke wieder aufgebaut und noch vervielfacht werden, in den USA das Wort Klimaschutz nur attraktiv ist, wenn es darum geht deutschen Autobauern für falsche Emmissionswerte saftige Entschädigungszahlungen abzufordern und in Belgien, Frankreich und anderswo fröhlich die Atomkraftwerke vor sich hin bröseln, können wir mit noch mehr Windrädern auch nicht die Welt retten.

Der Klimawandel entsteht nicht in Deutschland allein, sondern ist ein globales Phänomen, das auch nur global gelöst werden kann. Schade, dass sich unser Land in einem Anflug von sozialem Größenwahn trotzdem berufen fühlt, die Welt im Alleingang zu retten, anstatt sich erst Verbündete zu suchen, um dann gemeinsam die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen. Hätten wir die ganze Energie, die wir in die Energiewende bereits hineingesteckt haben, in die globale Diskussion mit starken Partnern investiert, wäre in Deutschland nicht nur das Klima auf dem Weg der Besserung, sondern auch unsere Wirtschaft und damit die Gesellschaft auf der sicheren Seite. Arbeitsplätze blieben erhalten, die Stromversorgung wäre sicher und finanzierbar, das technische Know-how bliebe im Land und der Marktwert „Made in Germany“ könnte für globale Innovationen maßgebend sein. Für einen S(ch)ichtwechsel auch in der Politik ist es nie zu spät.

Herzlichst Ihr

Reinhard Maaß

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