Viel Optimierungspotential im Firmenfuhrpark
Wichtig sind die Durchsetzung des Total Cost of Ownership-Prinzips und eine leistungsfähige IT
Der Fuhrpark stand über Jahrzehnte im Schatten anderer Unternehmensbereiche. Nun rückt er in den Fokus, denn in ihm steckt eine Menge Optimierungspotenzial. Die wichtigsten Hebel sind die Durchsetzung des Total Cost of Ownership-Prinzips und eine leistungsfähige IT.
Es gibt keinen Richtwert – zu unterschiedlich sind die Spezialisierungen und Märkte in der Chemieindustrie. Ein Anteil der Fuhrparkkosten von 8% an den Gesamtkosten ist nach Firmenangaben aber eine oft anzutreffende Größenordnung. Solche Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten.
„Spezialfahrzeuge oder Verwaltungskosten, werden nicht selten an anderer Stelle verbucht, sodass kein vollständiger Überblick besteht“, sagt Majk Strika, Geschäftsführer der ARI Fleet Germany, der deutschen Tochter eines weltweit tätigen Fuhrparkmanagement-Dienstleisters und Spezialisten für gemischte Flotten. Solche Intransparenz ist für Controller die schlechteste aller Arbeitsbedingungen. Sie können Ansätze für Optimierungen nicht identifizieren.
Laut Expense Reduction Analysts steckt in der Unternehmensmobilität ein Sparpotenzial von bis zu 19%. Aber schon Kostenreduzierungen von 10% würden – ausgehend von einem Jahresergebnis von 5% vor Steuern und einem Anteil des Fuhrparks an den Gesamtkosten von 10% – die Rendite um knapp 20% steigern.
Erfassung aller direkten und indirekten Kosten
Das beginnt bei der Vertragsgestaltung für Leasingfahrzeuge. Beim weit verbreiteten Full-Service-Leasing sind der Finanzierungs- und Operatinganteil in einer pauschalen Rate zusammengefasst, sodass nicht erkannt werden kann, ob Werkstätten womöglich zu teuer sind oder ob der Rate ein zu niedrig angesetzter Restwert zugrunde liegt. Das Prinzip der Total Cost of Ownership (TCO), nach dem möglichst alle direkten und indirekten Kosten detailliert zu erfassen sind, hat sich in den meisten Unternehmen zwar weitgehend durchgesetzt, am wenigsten jedoch im Fuhrpark.
Bei Wacker Chemie gilt es dagegen durchgängig: „Die in Deutschland zur Verfügung gestellten Dienst-, Pool- und Bereitschaftsfahrzeuge werden nach dem TCO-Prinzip gelistet“, so Fuhrparkmanager Dieter Winklhofer. So hat man in München stets einen detaillierten Überblick über die Kosten der Flotte, differenziert nach Anschaffung und laufender Nutzung, und entsprechende Steuerungsmöglichkeiten.
„Bei einer Entbündelung von Finanzierung und Services sind die TCO im Schnitt um zehn bis 20 Prozent reduzierbar“, weiß Majk Strika von ARI Fleet. Wenn bei der Finanzierung die Effektivzinsen und die angesetzten Restwerte bekannt seien, könnte anhand von Benchmarks überprüft werden, ob sie realen Marktbedingungen entsprächen.
Trennung von Finanzierung und Services künftig empfohlen
Für Unternehmen, die nach dem International Financial Reporting Standards (IFRS) bilanzieren, gibt es für Kostenoptimierungen nun sozusagen einen Anstoß vonseiten des Gesetzes. Von 2019 an müssen sämtliche Leasingverbindlichkeiten als Schulden in der Bilanz ausgewiesen werden, wo operativer Aufwand freilich nicht hingehört; ergo empfiehlt sich eine Trennung von Finanzierung und Services. Die Zeit drängt; viele der in 2019 zu bilanzierenden Verträge werden bereits heute abgeschlossen.
Heike Schmidt, Head auf Fleetmanagement bei Evonik: „Wir haben ein crossfunktionales Team ins Leben gerufen. Gemeinsam diskutieren wir über Lease-or-Buy-Strategien, die Anpassung der IT-Systeme und interne Prozesse.“ Auch mit dem Leasinggeber sucht man das Gespräch. Für HGB-Bilanzierer gilt im Prinzip nichts anderes. Für sie hätte eine Entbündelung die gleichen Transparenzeffekte.
Die Anforderungen an ein professionelles Kostenmanagement übersteigen natürlich die Möglichkeiten von Excel-Tabellen. Die Auswahl einer geeigneten Software ist in erster Linie abhängig von der verfolgten Strategie und nicht etwa eine Frage des Layouts. Das Programm sollte die gesamte Prozesskette abdecken - beginnend bei der Fahrzeugauswahl und -beschaffung und endend bei der Wiederverwertung.
Zudem gibt es in Chemieunternehmen neben den Pkw einen hohen Anteil an Nutz-, Spezial- und Sonderfahrzeugen. Idealerweise ermöglicht die IT eine bereichsübergreifende Datenerfassung, -analyse und Steuerung – für ein Mobilitätsmanagement aus einem Guss. Sämtliche Fahrzeuge verbrauchen z.B. Betriebsstoffe, Reifen und müssen versichert werden. Daraus ergeben sich für den Einkauf weitere Bündelungsvorteile.
Neues Verständnis von Mobilitätsmanagement
Datenintegration ist aber nur ein Aspekt. „Entscheidend sind die Vielseitigkeit und die Qualität der Analysen“, betont Experte Strika. Was z.B. bedeutet, dass nicht nur Kostenbelege addiert, sondern laufend auch Fahrzeug- und mobilitätsbezogene Ereignisse wie Verbräuche, Verschleiße oder Stillstandzeiten ausgewertet werden können.
Zudem gibt es in den nächsten Jahren in der Branche eine Vielzahl an Neuerungen und in den einzelnen Unternehmen ambitionierte Zukunftsplanungen (s. Kasten). Beides erfordert leistungsfähige Auswertungs- und Analysetools. Welche neue Antriebsart für spezielle Einsatzbereiche am besten geeignet ist und welche Alternativen es womöglich gibt, lässt sich nur firmenindividuell anhand einer qualifizierten Datenbasis ermitteln.
Strika: „Essenziell ist ein neues Verständnis von Mobilitätsmanagement, das sämtliche Fahrzeuge einschließt. Sozusagen alles, was sich bewegt und Ressourcen fordert.“ Allein die Umstellung auf neue Antriebe und die Einhaltung von CO2-Vorgaben erforderten ein ganzheitliches Vorgehen.
Was die Unternehmen in den kommenden drei bis fünf Jahren planen.
Bei den Nutzfahrzeugen legen wir den Schwerpunkt auf die Einführung von autonom fahrenden und voll elektrisch betriebenen Fahrzeugen wie beispielsweise dem Automated guided Vehicle mit einer Nutzlast von 78 t. Bei den Kraftfahrzeugen konzentrieren wir uns vor allem auf die Erhöhung der E-Mobilität und von anderen alternativen Antrieben wie z.B. dem Einsatz von Hybridfahrzeugen.
Dr. Thorsten Bieker, Leiter Standortlogistik, BASF, Ludwigshafen.
Die drei größten Herausforderungen an das Fuhrparkmanagement in den nächsten drei bis fünf Jahren sind – von der Dieselproblematik einmal abgesehen: 1. Alternative Antriebsarten wie Elektrizität, CNG und Wasserstoff; 2. Auswirkungen des IFRS ab 2019; 3. Grenzenloses Flottenmanagement, d.h. die Verbesserung bestehender europäischer Lösungen.
Heike Schmidt, Head auf Fleet Management, Evonik Technology & Infrastructure
Neben der aktuellen Thematik der Dieselfahrverbote sehen wir Themen wie die Aufrechterhaltung und Verbesserung unserer Sicherheitsstandards, eine Zusammensetzung der Flotte im Sinne der Nachhaltigkeit und einen hohen Verfügbarkeitsgrad von Mobilität zu geringstmöglichen Kosten als wesentliche Herausforderungen an.
Dieter Hermanns, Geschäftsführer, Akzo Nobel Service
Es müssen nicht immer 313 PS sein; ein umweltfreundlicher Hybridmotor macht auch Fahrspaß. Wir sind dabei, unser Fuhrparkmanagement zu einem Mobilitätsmanagement auszubauen, bei dem der klassische Fuhrpark mit Angeboten wie Car-Sharing, öffentlicher Nah-und Fernverkehr sowie Firmenfahrrädern erweitert wird. Eine weitere Aufgabe wird es sein, die richtige Infrastruktur für moderne Fuhrparks auszuwählen. Mit Blick auf unterschiedliche moderne Antriebstechnologien wird man sehen, ob es immer die E-Ladesäule sein muss. In anderen Ländern, etwa Korea, setzen einige Autohersteller verstärkt auf Wasserstoff als Antriebsenergie.
Stefan Twiehaus, Leiter Fuhrparkmanagement, Altana
Wir sehen v.a. eine große Herausforderung: die E-Mobilität. Zum einen müssen die Fahrzeuge mit einer ausreichenden Reichweite ausgestattet sein, zum anderen muss auch eine geeignete Infrastruktur in Form von Ladestationen oder Abrechnungsmodellen für die Aufladung gegeben sein. Wacker testet bereits verschiedene Fahrzeugmodelle in verschiedenen Einsatzbereichen, ist allerdings bei diesem Thema noch selbst in der Pilotphase.
Dieter Winklhofer, Fuhrparkmanager, Wacker Chemie