Strategie & Management

Über die Kunst erfolgreicher Projektarbeit

In time, in budget – und dann auch noch innovativ?

22.05.2017 -

Interdisziplinäre Teamarbeit in ziel- und lösungsorientierten, zeitlich und budgetiert abgegrenzten Konstellationen – kurz „Projekte“ – ist die Basis für Veränderung, Verbesserung, Innovation, Wachstum, im weitesten Sinne Change Management. Das ist sicherlich keine neue Erkenntnis, sondern etablierte, gelebte Praxis. Wie passen dann aber dazu die fast täglichen Meldungen über, vorsichtig ausgedrückt, weniger erfolgreiche technische Großprojekte in Berlin und anderswo?

Dieser Artikel versucht keine Einzelanalyse der medienpräsenten Vorgänge, sondern er will Grundprinzipien erfolgreicher Projektarbeit in Erinnerung rufen und Interdependenzen mit Unternehmenskultur und Entwicklungstrends aufzeigen.

Basis-Know-how

Wo immer technische Herausforderungen gemeistert werden müssen und Aufgaben, die über das übliche Tagesgeschäft hinausgehen, anstehen, geschieht die Umsetzung meist im Rahmen von Projekten und in interdisziplinären Teams. So kann ein breites Expertenwissen und ein Maximum an Kreativität nutzbar gemacht werden. Dabei unterliegt das Management von Projekten einer eigenen Dynamik und folgt eigenen Gesetzen, deren Sinnhaftigkeit leider oft erst dann erkannt wird, wenn Zeit- und Kostenplan aus dem Ruder gelaufen sind. Neben technischem Fachwissen werden von einem Projektleiter ganz spezifische Führungseigenschaften und -fähigkeiten gefordert. Solche Kenntnisse sind genauso wie technisches Wissen trainierbar und erlernbar; hier besteht im Rahmen unserer heutigen Hochschulausbildung, gerade in der Chemie, jedoch noch ein erhebliches Defizit. Einige Führungswerkzeuge seien stichwortartig kurz aufgeführt:

  • Abgestimmter, akzeptierter und dokumentierter Projektauftrag
  • Projektaufbaustruktur mit Festlegung von Rollen und Verantwortlichkeiten
  • Stakeholderanalyse
  • Projekt-Netzplan / Zeitplan / Budgetplan
  • Kommunikationsplan für Meetings (Agenda, Protokoll, Berichtslinien)
  • Regelmäßiges Reporting / Phasenchecks
  • Projektdokumentation
  • Feedback

Alles eigentlich klar, logisch, selbstverständlich und doch scheitern viele Projekte bereits in den ersten beiden Punkten: Haben alle Beteiligten wirklich begriffen und akzeptiert, worum es im Projekt gehen wird, oder gibt es eine „Hidden Agenda“? Ist das Budget angemessen oder so unrealistisch knapp bemessen, dass nur gerade noch die Genehmigungsgrenzen eingehalten werden können? Wer ist in letzter Instanz für das Projekt verantwortlich, wer ist der „Project Owner“?

Kommt dann noch eine Fehleinschätzung oder gar Nichtbeachtung von betroffenen Personen oder Gruppierungen (z.B. Bürgerinitiativen oder Betriebsrat) hinzu, kann aus dem Projektmanagement bald ein hochkomplexes Krisenmanagement werden.

Ebenso essentiell sind die weiteren oben aufgeführten Punkte. Denn erst, wenn alle „am gleichen Strick, in die gleiche Richtung ziehen“, stellt sich Erfolg ein gemäß den Formeln:

Qualität x Akzeptanz = Effektivität

Geschwindigkeit x Akzeptanz = Effizienz

State-of-the-art

Flughäfen, Konzerthallen und Bahnhöfe just in time und just in budget zu bauen, sollte also kein Problem darstellen – eigentlich; so zumindest die Meinung eines schlichten Chemikers.

Aber was tun, wenn zu einem existierenden Problem weder die Ursachen noch eine praktikable Lösung bekannt sind? Eine Projektmanagement-Methode, die genau eine solche Situation adressiert, wurde Mitte der 1980er Jahren zunächst von Motorola entwickelt und in den 1990er Jahren von General Electric in den USA weiter ausgestaltet und populär gemacht. Heute ist diese Methodik als Six Sigma bekannt und weltweit in zahlreichen Unternehmen, gerade auch in der Chemie- und Pharmaindustrie, implementiert.

Bei Six Sigma geht es nur am Rande um eine Qualitätskennzahl. So bedeuten z.B. 3 Sigma 99,7% und 5 Sigma 99,999943% Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Ereignisses; in dieser nicht linearen statistischen Standardwert-Skala bewerten Physiker die Existenz neu entdeckter Elementarteilchen, Klimaforscher Extremwetterereignisse jenseits der normalen natürlichen Schwankungen und im Qualitätsmanagement steht 6 Sigma für 99,9999998% fehlerfrei.

Die beiden Kernelemente von Six Sigma sind die Kombination von Qualitätswerkzeugen mit statistischen Verfahren sowie insbesondere die strikte Anwendung dieser Tools in einer festen Reihenfolge von fünf Projektphasen. Im Laufe der vergangenen zwei Dekaden wurde der Kanon der einsetzbaren Werkzeuge immer wieder erweitert, so um Kreativitätstechniken (Design for Six Sigma) und Tools aus dem Bereich Lean Management (Lean Six Sigma). Konstant geblieben ist das Prinzip der Fünf-Phasen-Methodik, die inzwischen in viele andere Bereiche des Projektmanagements Eingang gefunden hat. In Benchmarking-Projekten, Risiko- und Issue Management, Ökobilanz-Studien, überall lässt sich bei professioneller Durchführung ein analoger fünfstufiger Prozess identifizieren.

Das Geheimnis liegt in der logischen Abfolge der einzelnen Phasen (s. Grafik 1), die zwar völlig einsichtig und konsequent ist, aber eben nicht spontanem menschlichen Verhalten entspricht. Insofern durchbricht die Reihenfolge Define – Measure – Analyze – Improve – Control (DMAIC) gewohnte Verhaltensmuster und schafft Raum für kreative Lösungen. Six Sigma befördert damit auch einen Kulturwandel im Unternehmen. Eine neue Fehlerkultur, in der Defizite offen angesprochen werden können, ist das Gegenteil der Aussage: „Bei uns gibt es keine Probleme, sondern nur Herausforderungen.“ Die sachliche Sammlung und Auswertung von Daten tritt anstelle einer Suche nach Schuldigen. Schlüssig abgeleitete Lösungen und Maßnahmen ersetzen den „Schuss aus der Hüfte“.

Wo ein klares Commitment der obersten Führung fehlt, eine faktische Veränderung der Unternehmenskultur über alle Ebenen nicht parallel mitvollzogen wird, wird die Implementierung eines Six-Sigma-Programms auch nur eingeschränkt wirkungsvoll bleiben. Was bleibt, ist jedoch ein wertvolles, für jeden einzelnen Mitarbeiter nutzbares Methoden-Know-how.

Zukunftstrends

Führung und Verantwortung, Unternehmenskultur und die konsequente, sorgfältige Anwendung von Werkzeugen, das sind die Stichworte für erfolgreiche Projektarbeit. Wir sind heute noch weit davon entfernt, dass das Erlernen und Beherrschen von Projektmanagement-Tools in Unternehmen ähnlich selbstverständlich wäre wie das Verständnis von Gewinn-und-Verlustrechnung und Bilanzen. Hier ruht noch ein erhebliches Potenzial, das zu heben sich lohnt.

Bleibt die Frage nach der nächsten Projektgeneration: Triebfeder und Schlüssel zum Erfolg bei der Etablierung von Qualitätsmanagement und Lean Management war die Erkenntnis, dass aus Kundensicht fehlerhafte Produkte, Wartezeiten und Bestände letztlich Verschwendung sind, d.h., sich negativ auf Kosten und Ergebnis auswirken (s. Grafik. 2). Nachhaltigkeit ist aktuell zwar in aller Munde, scheitert aber vielerorts in der Umsetzung.

Erst wenn allgemein erkannt wird, dass der nicht schonende, nicht nachhaltige Einsatz von Ressourcen schlichtweg Verschwendung ist, wird auch Nachhaltigkeitsmanagement eine angemessene Akzeptanz bekommen; neue Tools wird man dann ganz selbstverständlich in die Projektarbeit integrieren.
 

GDCh-Kurs

Projektmanagement mit Lean Six Sigma

3. und 4. Juli 2017, Frankfurt am Main

GDCh-Kurs: 871/17

Leitung: Prof. Marcell Peuckert

Weitere Informationen und Anmeldung über:

Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), Fortbildung

Tel.: +49 69/7917-291 oder +49 69/7917-364

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