Schwierigkeit der Rahmenbedingungen
18.07.2013 -
Rahmenbedingungen werden schwieriger! CHEManager: Wie beurteilen Sie die gegenwärtige wirtschaftliche Situation der Branche und/oder Ihres Unternehmens?
B. Kuck: Die gegenwärtige wirtschaftliche Situation unserer Branche, ebenso wie die kurzfristige Entwicklung, sehe ich mit Skepsis. Das wirtschaftliche Umfeld erscheint mir alles andere als günstig.
Die große Koalition hat die Chance verpasst, die politischen Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft im Allgemeinen und den Chemiestandort Deutschland im Speziellen neu zu definieren.
Mehr Mut zu der einen oder anderen Entscheidung hätte der Chemie neue Anstöße geben können. Stattdessen sehen wir uns zunehmend schwieriger werdenden Rahmenbedingungen gegenüber.
Diese erwachsen auch aus der weltweiten Finanzkrise, den vor den anstehenden Bundestagswahlen sich abzeichnenden zunehmend unvernünftigen populistische Entscheidungen, aber auch in den die europäische Wirtschaft und insbesondere die Chemie weiter benachteiligenden Alleingang der europäischen Politik, mit der Chemikaliengesetzgebung Reach.
Für unser Unternehmen bin ich hier nicht ganz so pessimistisch. Dieses nicht zuletzt deshalb, da wir nur 31 % unseres Umsatzes in Deutschland realisieren.
In vergleichbarer Größenordnung sind die Wachstumsmärkte Osteuropas sowie Südostasiens für uns von Bedeutung. Die hier realisierbaren Zuwachsraten überkompensieren die Probleme in Deutschland und einigen anderen Märkten Westeuropas.
Welches sind die vorrangigen Themen, mit denen sich Ihr Unternehmen zurzeit beschäftigt?
B. Kuck: Neben der Sicherung unserer Position als europäischer Marktführer in der Kunststoffdistribution sowie dem Ausbau unserer Präsenz in den Bereichen Industriechemie, Agrochemie und Pharma in Südostasien und Zentral- sowie Südamerika gilt unser besonderes Augenmerk der Wachstumsstrategie im Bereich Spezialchemie.
Durch kontinuierliche Verstärkung und Verbesserung der Qualität im Vertriebsbereich erhöhen wir unsere Attraktivität als Vertriebspartner für die chemische Industrie.
Neben den schon länger bedienten Märkten LifeScience, CASE (Coatings, Adhesives, Sealants, Elastomers) und Lebensmitteladditive konzentrierten wir uns in den letzten Monaten zusätzlich auf die zum Bereich Performance Additives zählenden Märkte der Gummichemie, der Schmiermittelchemie sowie der Bauchemie. Des Weiteren wurde das Lieferprogramm im Bereich Elektronikchemie ausgebaut.
Thema Reach: Wie sehen Sie die neuen Verordnungen nach dem ersten Jahr? Welche Auswirkungen - positiv oder negativ - hat Reach für Distributeure?
B. Kuck: Reach stellt eine besondere Herausforderung für unsere Branche dar.
Unter Umwelt- und Verbrauchergesichtspunkten ist Reach sicherlich zu begrüßen. Bedauerlich ist, dass es sich hier um einen europäischen Alleingang handelt, der die europäische Industrie benachteiligt.
Ob sich aus Reach für die Industrie und unsere Branche in Deutschland und der EU auch neue Chancen ergeben, bleibt abzuwarten. Wir als Biesterfeld haben, so meinen wir, das Beste daraus gemacht und unser Reach Know-how in ein neues Unternehmen eingebracht.
Langjährige Arbeit, u. a. in den Gremien des Verbandes Chemiehandel Köln, ebenso wie im europäischen Branchenverband FECC in Verbindung mit Beratung von politischen Entscheidungsträgern und Gremien hat zu einem hohen Wissensstand über den Umgang mit der Reach-Verordnung bei uns im Hause geführt. Die hier vorrangig tätigen Mitarbeiter sind in der Ende 2007 gegründeten Biesterfeld Chemlogs tätig.
Neben Unternehmen der eigenen Gruppe werden Unternehmen der Chemiedistribution im Umgang mit Reach beraten, geschult und unterstützt. Des Weiteren verfügen wir so über ein ideales Vehikel, um die Aufgabe des „only representatives" für nicht in der EU ansässigen Produzenten wahrnehmen zu können.
Das Motto des FECC Kongresses 2008 lautet „Partnership for Success". Welche Rolle spielen Partnerschaften - mit Ihren Lieferanten, Kunden oder auch anderen Distributeuren - für Ihr Unternehmen?
B. Kuck: Die Partnerschaft mit Lieferanten, Kunden, aber auch mit unseren eigenen Mitarbeitern ist in unserer Firmenphilosophie niedergeschrieben. Partnerschaft bedeutet für uns vor allem die Offenheit und Transparenz im Umgang miteinander, Loyalität zueinander und Verständnis füreinander.
Eine sich an diesen Werten orientierende Verhaltensweise sichert Ruhe im Umfeld und gibt die notwendige Zeit und Kraft, sich voll auf den gemeinsamen Nutzen aller Partner konzentrieren zu können.
Partnerschaft heißt, gemeinsam Werte zum beidseitigen Nutzen zu schaffen. Dieses kann nicht aus rein strategischen Motiven erfolgen.
Es bedarf einer gereiften Unternehmenskultur, für die sich ein im Privatbesitz befindliches Familienunternehmen wie die Biesterfeld Gruppe mit Zeit für die Umsetzung und Realisierung langfristiger Visionen deutlich besser eignet als ein durch den Finanzmarkt getriebenes Unternehmen mit ständigem Blick auf das nächste Quartalsergebnis.
Erkennen Sie generelle Trends, die die Chemiedistributionsbranche in den nächsten Jahren prägen wird?
B. Kuck: Spricht heute jemand von Chemiedistribution, so denkt er kaum an die Distribution von thermoplastischen Kunststoffen, obwohl dieses noch vor 15 Jahren ein wichtiger Bestandteil der Chemiedistribution war. Eine ähnliche Entwicklung erwarte ich um die Spezialchemie.
Während die Distribution von Industriechemikalien, z. B. von organischen und anorganischen Flüssigkeiten, zunehmend eine logistische Aufgabe wird, der sich heute noch im Bereich der Spedition und Lagerhaltung tätige Unternehmen widmen werden, wird der Bereich Spezialchemie noch mehr durch Qualität und chemisches Know-how der in der Distribution tätigen Mitarbeiter geprägt werden.
Hier kommt es nicht so sehr auf Know-how und Transport und Lagerung dieser Produkte an, sondern es bedarf hoch qualifizierter, in Anwendung und Theorie geschulter Mitarbeiter, um qualifizierte Ansprechpartner für Kunden ebenso wie für Lieferanten zu sein.
Wagen Sie einen Ausblick auf die Entwicklung Ihrer Hauptabnehmermärkte in den nächsten Monaten und die Faktoren, die sie beeinflussen werden?
B. Kuck: Die Biesterfeld Gruppe hat bereits 2002 begonnen, sich auf das, was wir als Kernkompetenz bezeichnen, zu konzentrieren. Hierbei handelt es sich um Distribution und Dienstleistung im Bereich thermoplastischer Rohstoffe ebenso wie auf dem Sektor der Spezialchemikalien.
Diese stark dienstleistungsorientierten Aktivitäten werden um den Handel von Industriechemikalien, Agrochemikalien sowie pharmazeutischen Rohstoffen in den Wachstumsmärkten Südostasiens, Süd- und Mittelamerikas, aber auch Osteuropas ergänzt.
Wir sind überzeugt, mit der vor einigen Jahren getroffenen Entscheidung, weniger im deutschen Markt und nicht mehr im Bereich Industriedistribution tätig zu sein, eine Entscheidung getroffen zu haben, die uns von den in den nächsten Jahren eher schwächelnden Marktbereichen abkoppelt und uns überproportionales Wachstum auf Zukunftsmärkten ermöglicht.
Als Distributeur und Dienstleister mit einem differenziertem Lieferprogramm und globaler Präsenz sind wir weniger als viele Wettbewerber von lokalen Entwicklung und regionalen Konjunkturschwankungen abhängig.