Neue Materialien revolutionieren den 3D-Druck
Additive Fertigung hat durch neue Druckmaterialien enormes Entwicklungspotenzial
Der industrielle 3D-Druck ist schon lange keine Zukunftstechnologie mehr. Jetzt geht es darum, mit innovativen Druckmaterialien für die Automobil- sowie Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie, aber auch für die Medizintechnik, neue Anwendungsgebiete und Möglichkeiten zu erschließen. Denn insbesondere im Hardware-Bereich sind die technologischen Entwicklungen bereits weit fortgeschritten.
Für die additive Fertigung steht das Jahr 2022 ganz im Zeichen von Druckmaterialien – so sehen es jedenfalls laut einer aktuellen Umfrage fast die Hälfte führender 3D-Druck-Manager, -Ingenieure und -Designer. Für 44 % der Befragten steht fest: Innovative 3D-Druckmaterialien werden jetzt ihr ganzes Entwicklungspotenzial ausschöpfen. Dass der 3D-Druck eine der disruptiven Technologien mit der höchsten Dynamik darstellt, ist nicht neu. Aktuelle Marktanalysen gehen von einem globalen Wachstum von jährlich 22 % bis 2030 aus. Dabei hat insbesondere die Entwicklung im Materialsektor langfristig enormes Potenzial. Voraussetzung dafür ist, dass sie sich an den aktuell führenden Technologien orientiert.
3D-Druck-Verfahren: FDM, SLS, MJ oder VPP?
Die bisher am häufigsten verwendete 3D-Drucktechnologie ist das Fused Deposition Modeling (FDM). Beim FDM-Verfahren wird ein Produkt schichtweise aus schmelzfähigem Kunststoff oder geschmolzenem Metall aufgebaut. Dazu wird das Druckmaterial durch eine beheizte Extruderdüse gedrückt. Der Drucker legt das geschmolzene Material wie vorgegeben auf der Bauplattform ab, wo dies durch Abkühlung zum Festkörper wird.
Immer häufiger kommt auch das selektive Lasersintern (SLS) zum Einsatz. Das Verfahren basiert auf Kunststoffpulver, welches nach dem Auftragen durch einen Laser geschmolzen wird, was zur Herstellung eines Festkörpers führt. Das SLS-Verfahren kommt dabei häufig ohne Stützmaterialien aus, da viele Drucker das Kunststoffpulver gleichzeitig über die gesamte Bauplattform auftragen und glätten. Das überschüssige Druckmaterial umschließt das Bauteil und dient als Stütze.
„Innovative 3D-Druckmaterialien werden jetzt ihr ganzes Entwicklungspotenzial ausschöpfen.“
Der Nachteil beider Verfahren: Es ist nicht möglich, mehrere Materialien oder Farben gleichzeitig zu benutzen. Zudem ist die Produktivität eingeschränkt, da der Druckprozess viel Zeit in Anspruch nimmt. Auch Oberflächengüte und Auflösung des gedruckten Produkts sind im Vergleich zu anderen Druckverfahren gering. Daher setzen Unternehmen vermehrt auf die Vat Photo Polymerization (VPP, engl.: vat = Wanne) und das Material Jetting (MJ). Beim MJ-Verfahren werden die Materialien selektiv als Tropfen auf eine Bauplattform abgesetzt und mit einer Lichtquelle ausgehärtet. Jedes Druckmaterial wird dabei in einem separaten Druckkopf geführt. Das Verfahren ermöglicht es so, verschiedene Farben und Materialien beim Druck dreidimensionaler Objekte zu kombinieren.
Beim VPP-Verfahren kann, ebenso wie beim Fused Deposition Modeling, zwar nur ein Material verarbeitet werden, dafür ist es mit dieser Technologie aber möglich, hochauflösend und produktiv zu drucken. Grundsätzlich setzt das VPP-Verfahren, wie auch das Material Jetting, auf das Prinzip der Fotopolymerisation, um 3D-Modelle aus einem UV-empfindlichen Harz herzustellen. VPP verwendet flüssiges Polymerharzmaterial, das in einem flachen Behälter vorgelegt wird, um das Objekt Schicht für Schicht aufzubauen. Das Harz verfestigt sich beim Auftreffen der Strahlung an der gewünschten Stelle.
Harzbasierte Materialien ebnen den Weg zur industriellen Anwendung
Bei der Entwicklung von harzbasierten Materialien für das VPP-Verfahren liegt der Entwicklungsfokus zurzeit einerseits auf thermofesten Materialien, da sie eine deutlich höhere Temperaturresistenz aufweisen und somit für den industriellen Einsatz besser geeignet sind. Andererseits konzentriert sich die Forschung darauf, Druckmaterialien für die Anwendung in Bereichen zu entwickeln, wo Elastizität und Rückpralleigenschaften gefragt sind.
Insbesondere für den industriellen Einsatz müssen harzbasierte Druckmaterialien für viele Endanwendungen nicht nur besonders temperaturresistent, sondern auch flammgeschützt sein. In Kombination mit weiteren Materialeigenschaften ist dies chemisch besonders anspruchsvoll. Unternehmen mit jahrelanger Test- und Entwicklungserfahrung von chemischen Substanzen und Formulierungen haben hier einen klaren Vorteil.
Neue Potenziale ermöglichen innovative Druckmaterialien für das VPP-Verfahren auch beim Thema Weichheit. Cubic-Ink-Harze von Altana machen eine hohe Deformation der Bauteile bspw. auch bei sehr niedrigen Temperaturen möglich. Anwendung findet dieses Material u.a. bei der Herstellung von Federn, Klammern oder Dichtungen.
Neue Anwendungsgebiete für das Material Jetting
Auch das Interesse am MJ-Verfahren ist kontinuierlich gestiegen. Angetrieben wird dieser Trend durch die Neu- und Weiterentwicklungen passgenauer Druckmaterialien. Die Kombination aus Technologie und Material ermöglicht es, das Potenzial der Multimaterialfähigkeit vollständig zu nutzen: Die Produktivität wird gesteigert und die Produktionskosten werden gesenkt. Gleichzeitig schaffen die Druckmaterialien mehr Flexibilität in der industriellen Herstellung von 3D-Druckobjekten. Besonders häufig wird das Material Jetting daher bei der Herstellung von Prototypen oder Modellen verwendet.
Damit die ersten Produktentwürfe dem Endprodukt bereits stark ähneln, haben Hersteller hohe Standards für die eingesetzten Druckmaterialien. Sollen bestimmte Bauteile bspw. sehr robust sein, kommen Materialien zum Einsatz, die besonders formbeständig oder schlagfest sind.
Anders wiederum sieht es bei der Produktion von Organmodellen aus, mit denen Chirurgen sich auf Operationen vorbereiten können. Hier ermöglichen Cubic-Ink-Druckmaterialien bspw. die Herstellung flexibler, häufig mehrfarbiger oder transparenter 3D-Objekte, die eine hohe Detailschärfe aufweisen.
Worauf beim 3D-Druck oft nicht verzichtet werden kann, sind selbstgedruckte Stützmaterialien. Diese dienen beim Drucken komplexer Formen als Gerüst und werden bei der Nachbereitung wieder entfernt. Cubic Ink etwa setzt dabei auf wasserlösliche Stützmaterialien. Einerseits sind diese umweltfreundlich, weil der Einsatz chemischer Lösungsmittel vermieden wird. Andererseits sind sie industriell einsetzbar, da in kürzester Zeit sehr viele Teile in gleicher Qualität prozessiert werden können.
Individuelle Lösungen für 3D-Druckmaterialien
In einer hochinnovativen und sich rasant entwickelnden Technologie wie dem 3D-Druck besteht die Herausforderung darin, die vielfältigen, oft neuen, Produktanforderungen für spezifische Anwendungen zu verstehen, um gemeinsam mit Kunden maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Damit sich Druckmaterialien erfolgreich im Markt etablieren können, müssen sie flexibel an Prozesse und 3D-Drucksysteme angepasst werden. Dann kann das enorme Entwicklungspotenzial der additiven Fertigung vom Prototyping bis hin zur Serienproduktion nachhaltig ausgebaut werden.
Max Röttger, Leiter Material and Business Development – Additive Manufacturing – Cubic Ink, Altana