Namur-Hauptsitzung 2023
Mit offener Automatisierung und Digitalisierung zu mehr Nachhaltigkeit und Effizienz
Die wichtigste Anwenderveranstaltung der Branche präsentiert sich im Zeichen der Nachhaltigkeit und der offenen, herstellerunabhängigen Automatisierung. Für Felix Hanisch, den Vorstandsvorsitzenden der NAMUR, steht das von Schneider Electric (SE) vorgeschlagene Schwerpunktthema „Open Automation and Digitalization for Sustainability and Efficiency” ganz im Einklang mit den Herausforderungen, die die Branche gerade erlebt: „An nachhaltigem Denken und Wirtschaften führt in der Industrie heute kein Weg mehr vorbei. Anders könnten wir das 1,5-Grad-Ziel niemals erreichen. Und gerade digitale IoT-Technologien spielen dabei eine entscheidende Rolle. Denn sie machen es möglich, Produktionsweisen und Geschäftsmodelle so umzustellen, dass sie klimafreundlicher und gleichzeitig wirtschaftlich zukunftsfähig werden. Von SE als einem der maßgeblichen Hersteller in diesem Bereich erhoffe ich mir auf der Hauptsitzung wichtige Impulse dafür, wie sich zukunftsfähiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln mit den richtigen Technologien umsetzen lässt.“
Automatisierungstechnische Anforderungen der Prozessindustrie
Mit Schneider Electric ist in diesem Jahr ein Hersteller Sponsor der NAMUR-Hauptsitzung, dessen Lösungsentwicklung schon seit mehr als 15 Jahren maßgeblich von Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz geprägt wird. „Beim Thema nachhaltiges Wirtschaften waren wir schon vor vielen Jahren ein Early Adopter“, betont Barbara Frei, die als Executive Vice President das globale Industriegeschäft von SE verantwortet. „Mit dieser Erfahrung im Rücken sind wir mehr denn je überzeugt davon, dass es grundlegend falsch ist, Nachhaltigkeit einseitig als wirtschaftliche Belastung zu verstehen. Im Gegenteil: Nachhaltigkeit ist die unternehmerische Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit. Und genau diese Sichtweise möchten wir den Teilnehmenden der NAMUR-Hauptsitzung in diesem Jahr vermitteln. Also wie lässt sich Nachhaltigkeit auch in den verschiedenen Branchen der Prozessindustrie als unternehmerisches Leitmotiv etablieren? Dazu muss nicht unbedingt alles auf den Kopf gestellt werden. Vielmehr geht es darum, bei allem, was wir tun, smarter zu werden und den Wirkungsgrad unseres heutigen Wirtschaftens und Produzierens zu erhöhen.“
Jessica Bethune, Europa-Verantwortliche für den Bereich Prozessautomatisierung bei SE, betont die große Bedeutung der Energiethemen in der Prozessindustrie: „Noch nie war der Anteil der Energie an den Produktionskosten so hoch wie heute. Gleichzeitig sind viele Unternehmen gefordert, ihre Produktionsweisen auf klimafreundliche Alternativen umzustellen – sei es wegen steigender CO2-Kosten, strikteren Gesetzen oder der schlichten Einsicht, dass erfolgreiches Wirtschaften nur auf einem bewohnbaren Planeten möglich ist. So verwundert es auch nicht, dass die Nachfrage nach Energieeffizienzlösungen in den vergangenen Monaten rasant gestiegen ist.“
Mit seinen Marken Foxboro, Triconex, Aveva und ProLeiT bietet der Tech-Konzern ein breit aufgestelltes Technologieportfolio für die Prozessindustrie. Neben der gesamten Mess-, Schutz- und Regelungstechnik finden sich darin auch SPS-Steuerungen, Controller und Prozessleitsysteme sowie das Sicherheitssystem EcoStruxure Triconex. Hinzu kommen anbieterneutrale Softwarelösungen, mit denen sich Daten zwecks vorausschauender Wartung und Prozessoptimierung kontextualisiert und steuerungsunabhängig auswerten lassen. Themen wie künstliche Intelligenz, digital Twin und industrielles Metaversum spielen für die Lösungen des französischen Unternehmens bereits heute eine wichtige Rolle.
Felix Hanisch, Head of Process & Plant Safety, Bayer und VV der NAMUR
„An nachhaltigem Denken und Wirtschaften führt in der Industrie heute kein Weg mehr vorbei."
Herstellerunabhängige Automatisierung
SE verfolgt einen konsequent herstellerunabhängigen Automatisierungsansatz, der auf den Vorgaben der IEC-Norm 61499 beruht. Anders als bei der klassischen, auf IEC61131 basierenden Herangehensweise wird damit eine grundsätzliche Entkopplung von Hardware und Software angestrebt, die eine hardwareübergreifende Wiederverwendbarkeit von Softwareobjekten ermöglicht. Die Probleme proprietärer Systeme gehören damit der Vergangenheit an. SE ist Mitglied der Non-Profit-Organisation UniversalAutomation.Org, die mit ihrer anbieterneutralen Runtime Execution Engine eine Grundlage für das Funktionieren eines herstellerunabhängigen Automatisierungsansatzes schafft. Dass und inwieweit diese Herangehensweise an die Automatisierung mit der NAMUR Open Architecture (NOA) harmoniert, wird eines der Themen für die während der Hauptsitzung angebotenen Workshops sein. Barbara Frei dazu: „Der Wert von IoT-Technologien für den effizienteren und nachhaltigeren Betrieb von Industrieanlagen wird durch eine von proprietären Systemen geprägte Automatisierung konterkariert. Gerade für Anlagen, in denen eine hohe Flexibilität in puncto Produktion und Ressourceneinsatz gefragt ist, sehen wir mit Universal Automation einen riesigen Mehrwert.“
Workshops auf der NAMUR-HV
In verschiedenen Workshops stehen zentrale Aspekte der Prozesseffizienz, Cybersicherheit und Nachhaltigkeit auf der Agenda. Seitens des Sponsors Schneider Electric wird im Zusammenhang mit Aveva PI (früher OSIsoft PI) der intelligente und gewinnbringende Umgang mit großen Datenmengen aufgezeigt werden. Aus den NAMUR-Arbeitskreisen ist u. a. mit Vorträgen zur IT-Sicherheit bei Fernzugriffen, zur Auswahl von Feldgeräten für PLT-Sicherheitseinrichtungen und zu organisatorischen Aspekten der IT/OT-Konvergenz zu rechnen. Dazu haben verschiedene NAMUR Arbeitskreise kürzlich ihre Ergebnisse veröffentlicht.
Barbara Frei, Executive Vice President, Schneider Electric
„Für Anlagen, in denen eine hohe Flexibilität gefragt ist, sehen wir mit Universal Automation einen riesigen Mehrwert.“
IT-Sicherheit bei Fernzugriffen
Die NAMUR-Empfehlung NE135 „Fernzugriff (Remote Access) – Anforderungen an die IT-Sicherheit von Fernzugriffen“ ist an aktuelle Gegebenheiten angepasst worden. Fernzugriffe sind ein wichtiges Werkzeug, um zeitnah und effizient Untersuchungen und Einstellungsänderungen an Systemen der Automatisierungstechnik vorzunehmen. Gleichzeitig können sie, z. B. durch das Einbringen von Schadsoftware, Anlagen und Produktion gefährden und Schäden verursachen. Die zunehmende Vernetzung der Komponenten kann bei einem Fernzugriff zusätzliche Angriffe auf weitere Systeme ermöglichen. Hersteller und Integratoren von Fernzugriffslösungen reagieren mit unterschiedlichen Strategien und entwickeln entsprechende Konzepte, deren Potenziale und Risiken letztlich vom Betreiber beurteilt werden müssen. Das Ziel der NE135 ist es, die Grundlage für eine sichere Planung, Umsetzung und den Betrieb von Fernzugriffslösungen aus Anwendersicht zu bieten. Dazu werden die relevanten Anforderungen an Hersteller sowie Integratoren von Fernzugriffslösungen und die Betreiber über den gesamten Lebenszyklus dargelegt.
Feldgeräte für PLT-Sicherheitseinrichtungen
Der Einsatz betriebsbewährter Geräte ist eine sehr effektive und seit Jahrzehnten bewährte Methode, systematische Fehler zu vermeiden, insbesondere im Bereich des Prozessanschlusses von Feldgeräten. Das Ziel der NE130 „Auswahl von Feldgeräten für PLT-Sicherheitseinrichtungen unter Berücksichtigung von Betriebsbewährung“ ist es, die Anforderungen an den Einsatz von Feldgeräten zu konkretisieren. Sie stellt Auswahlmöglichkeiten dar, um Feldgeräte in Sicherheitseinrichtungen in prozesstechnischen Anlagen zu qualifizieren und dient als Hilfestellung für den Anwender.
Jessica Bethune, Europa-Verantwortliche für den Bereich Prozessautomatisierung bei Schneider Electric
„Die Nachfrage nach Energieeffizienzlösungen ist in den vergangenen Monaten rasant gestiegen.“
Organisatorische Aspekte der IT/OT-Konvergenz
Durch die digitale Transformation bildet sich in den Unternehmen eine immer mehr datenzentrierte Arbeitsweise heraus, die sich in Konzepten wie „Data Driven Enterprise“ oder „Data Driven Business Models“ widerspiegeln. Darüber hinaus gilt es, neue strategische Ansätze zu meistern, wie z.B. die zunehmende Interaktion mit Kunden und Lieferanten im Ecosystem der Produktion oder auch die Evolution in der Fahrweise der Anlagen bis hin zu „Autonomous Operation“. Diese Konzepte erfordern eine immer stärkere Durchgängigkeit der Daten über alle relevanten Systeme hinweg, was wiederum zu deren zunehmenden Vernetzung bzw. sogar zu ihrer Verschmelzung führt. Dafür hat sich der Begriff der Konvergenz etabliert.
Die Systeme und Anwendungen, die dafür im Fokus stehen, sind vielfältig. Sie reichen von den klassischen IT-Domänen bis hin zum Kern der Produktionsautomatisierung und schließen auch die Bereiche für Logistik, Labor, Gebäude- und Produktionssicherheit, Gebäudetechnik, Anlagenplanung und Anlagen-Maintenance inkl. (I)IoT sowie weitere Support-Bereiche mit ein.
Diese Bereiche sind bisher in der Regel in separaten Einheiten organisiert und folgen, historisch bedingt, zum Teil verschiedenen Konzepten und Vorgehensweisen – sowohl technisch wie auch bezüglich administrativer und gewachsener organisatorischer Aspekte. Jetzt verschwimmen die Grenzen dieser Domänen zunehmend; allgemeingültige Definitionen für IT und OT sowie auch die eindeutig abgegrenzte Zuordnung in die traditionellen Organisationsbereiche werden immer schwieriger bzw. zunehmend unmöglich. Hinzu kommen diverse Querschnittsbereiche wie Cyber Security, Safety oder Qualitätsmanagement, zu denen nennenswerte Überschneidungen und Wechselwirkungen bestehen. Deshalb ist es notwendig, für die IT/OT-Konvergenz einen ganzheitlichen Ansatz in technischer und vor allem auch administrativer Hinsicht umzusetzen, der durchaus auch disruptive Entwicklungen beinhalten kann – spannt sich doch das Handlungsfeld bis hin zur grundlegenden Harmonisierung von Mindset und Kultur in den betreffenden Bereichen.
Autor: Volker Oestreich, CHEManager
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