News

Nachgefragt

Sparen mit Innovationen?

14.04.2010 -

Im März brachte Präsident Barack Obama die Gesundheitsreform in den USA auf den Weg. Kritiker sagen, zu einem hohen Preis. In Deutschland arbeitet Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler an einer Reformierung des deutschen Gesundheitswesens, um den stetig steigenden Kosten Herr zu werden. Dr. Michael Reubold befragte dazu Dr. John C. Lechleiter, CEO von Eli Lilly, der Ende März zu einem Besuch nach Deutschland kam, um das 50-jährige Bestehen von Lilly Deutschland zu feiern.

CHEManager: Warum stellt die Gesundheitsversorgung ein scheinbar so unlösbares Problem dar?

Dr. J. C. Lechleiter: Das Gesundheitswesen ist Opfer seines eigenen Erfolgs. Durch den Fortschritt der Medizin hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung deutlich erhöht, in Deutschland z.B. um zwei Drittel allein in den vergangenen 100 Jahren. Innovative Medikamente, wie Antibiotika, Impfstoffe, Krebs- oder HIV-Therapeutika, haben dabei eine bedeutende Rolle gespielt. Da wir heute länger leben, nehmen wir aber auch die uns zur Verfügung stehenden medizinischen Innovationen mehr und mehr in Anspruch - und das stellt für unsere Gesundheitssysteme eine große Belastung dar.

Gibt es einen Ausweg?

Dr. J. C. Lechleiter: Medizinische Innovationen haben uns in diese Lage gebracht, sie können uns aber auch wieder aus dieser Lage heraus helfen. Wissenschaftliche Durchbrüche, die uns noch bevorstehen, können die Gesundheitsversorgung ebenso drastisch verändern - vielleicht sogar noch mehr - als die Durchbrüche des vergangenen Jahrhunderts. Dazu müssen wir jedoch dem schwierigen Spagat zwischen Kosten und Versorgung mit Innovationen begegnen, sonst sind wir zu weiteren, noch komplizierteren und kontraproduktiveren Maßnahmen verdammt. Investitionen in die Gesundheitstechnologie gehören zu den produktivsten, die die Gesellschaft in den nächsten Jahren tätigen wird. Denn sie erhöhen nicht nur unsere Lebenszeit und -qualität, sie finanzieren auch hochwertige Arbeitsplätze und deren Infrastruktur. In Deutschland stellt die forschende Pharmaindustrie über 100.000 Arbeitsplätze, davon 17.000 in der Forschung. Sie generiert Exporte mit einem Wert über 40 Mrd. € und tätigt über 10% aller F&E-Investitionen.

Welche Forderungen haben Sie an die deutsche Gesundheitsreform?

Dr. J. C. Lechleiter: Wenn wir nicht aufmerksam sind, besteht die Gefahr, dass die Gesundheitsreform genau die Innovation drosselt, die für die Lösung des Problems  unabdingbar ist und dabei eine Industrie mit einem enormen Potential zur Wertschaffung schädigt. Tatsächlich muss die Förderung medizinischer Innovation der Zweck - und nicht das Opfer - von Gesundheitsreformen sein, sowohl in den USA als auch in Deutschland. Wir müssen den Schwerpunkt in unserem Denken weg von den Kosten der Therapieoptionen hin zu dem Verständnis des von ihnen geschaffenen Wertes lenken. Ein Beispiel hierfür: Mit der Einführung hoch wirksamer, antiretroviraler Medikamenten sanken in den Jahren 1996 bis 1998 die Gesamtgesundheitskosten für die Behandlung von AIDS in den USA um 16%. Oder: Eine Studie über Brustkrebs und HER2-positive Patienten in Großbritannien, Nordirland, Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien ergab, dass innovative Behandlungen einen gesellschaftlichen Wert von 41 Mrd. bis 122 Mrd. € schufen.

Darüber hinaus sollte sich ein weiterer Denkansatz bei der Gesundheitsversorgung ändern: Der Fokus sollte mehr denn je auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten ausgerichtet sein, statt Qualitätsmaßnahmen nur bezogen auf die breite Bevölkerung zu betrachten. Die öffentliche Gesundheitspolitik muss den Fortschritt hin zu einer personalisierten Medizin anerkennen und belohnen oder sie wird weitere Innovationen bedrohen.