Mehrwert schaffen als Partner von Lieferanten und Kunden
Rolf Kuropka, CEO der Krahn Chemie, zur stetigen Weiterentwicklung des Chemiedistributors und den aktuellen Herausforderungen
Krahn Chemie ist seit über 100 Jahren in der Chemiedistribution tätig. Die Kernkompetenzen des Hamburger Unternehmens liegen im Vertrieb, Marketing und Verkauf von Spezialchemikalien und Wärmeträgerflüssigkeiten. 2022 erzielte die Krahn Chemie Gruppe mit rund 260 Mitarbeitenden einen Umsatz von rund 340 Mio. EUR. Krahn Chemie ist Teil der in Familienbesitz befindlichen Otto Krahn Gruppe, zu welcher auch der Kunststoffdistributor Albis, der Kunststoffcompoundeur Mocom, der Distributor und Verarbeiter von Keramik- und Metallpulvern Krahn Ceramics sowie der Recyclingspezialist Wipag gehören. Michael Reubold und Birgit Megges befragten den CEO der Krahn Chemie, Rolf Kuropka, der in den letzten Jahren die internationale Expansion und die Erschließung nachhaltiger und rentabler Geschäftsfelder des Unternehmens vorangetrieben hat, zur stetigen Weiterentwicklung und den aktuellen Herausforderungen.
CHEManager: Herr Kuropka, seit Ihrem Start bei Krahn Chemie im Jahr 2011 hat sich das Unternehmen stark verändert. Was waren die wichtigsten Meilensteine in der Entwicklung des Unternehmens in der zurückliegenden Dekade?
Rolf Kuropka: Seit dem Beginn meiner Tätigkeit für die Krahn Chemie stand besonders im Fokus, die regionale Expansion und die Stärkung der Kernmärkte in Europa voranzutreiben. Vor einem Jahrzehnt waren lediglich anderthalb Punkte auf der Landkarte erkennbar, während wir heute stolze 13 Standorte verzeichnen. Dank einer Reihe von Merger- und Akquisitionsmaßnahmen konnten wir unsere Präsenz sowohl auf dem europäischen Markt als auch in Israel erheblich ausbauen. Des Weiteren haben wir unseren Fokus verstärkt auf den Kundenservice gelegt, insbesondere auf unsere anwendungstechnische Beratung sowie unsere Labordienstleistungen. In unseren vier bestens ausgestatteten Laboren in Deutschland, Polen, Italien und Schweden bieten wir ein umfangreiches Dienstleistungsportfolio an.
Zur Expansion in neue Märkte haben Sie auch Zukäufe getätigt. Wie ist die Krahn Chemie Gruppe heute hinsichtlich geografischer Präsenz und Produktportfolio aufgestellt?
R. Kuropka: Wir sind ein kompetenter paneuropäischer Distributor von Spezialchemikalien. Unsere Stärken sind lokale Präsenz sowie fundierte Kenntnisse in den jeweiligen Märkten. Seit 2013 sind wir nahezu jährlich gewachsen: in Polen, in den Beneluxländern, Italien, Frankreich, Griechenland, Schweden, Spanien sowie im Vereinigten Königreich. Vertriebsbüros sind zudem in Rumänien, Tschechien, Ungarn und China. Durch unsere vielfältigen Akquisitionen haben wir unser Produktportfolio ausgebaut: Rund 5.000 Kunden bieten wir über 6.000 Produkte von mehr als 50 namhaften Produzenten in insgesamt zehn verschiedenen Märkten an. Wir verstehen es also, Komplexität zu managen.
Welche Trends und Strategien sind maßgeblich für die Auswahl Ihrer Akquisitionen? Können Sie hierfür Beispiele nennen?
R. Kuropka: Es geht uns nicht nur darum, in dem jeweiligen Land vertreten zu sein, das wir noch nicht durch Tochtergesellschaften oder lokale Vertriebsteams abgedeckt hatten, sondern auch darum, das bestehende Geschäft zu inspirieren. Durch die wichtige Akquisition in den Beneluxländern haben wir beispielsweise Zugang zu zwei Laboren in Deutschland und Polen erhalten, die bereits eine starke Kernkompetenz in der Farbmetrik bieten.
„Unser Ziel ist es,
eine dezentrale Organisation mit starken
lokalen Verantwortlichkeiten zu sein,
um einen bestmöglichen Service anzubieten.“
In Europa ist es äußerst selten, einen unabhängigen Anbieter von Farbmetrik-Lösungen zu finden, der über eine derart umfangreiche Kompetenz verfügt wie Krahn Chemie. Darüber hinaus erlangen wir umfangreiches Wissen über spezifische Kundenanforderungen in der jeweiligen Region. Unser Ziel ist es, eine dezentrale Organisation mit starken lokalen Verantwortlichkeiten zu sein, um einen bestmöglichen Service anzubieten.
Auf welchen Märkten ist die Krahn Chemie vertreten und in welchen dieser Märkte sehen Sie die besten Möglichkeiten für Wachstum?
R. Kuropka: Krahn legt den Schwerpunkt auf verschiedene Märkte in den weiterverarbeitenden Industrien, darunter Farben und Lacke, Bauchemie, Kleb- und Dichtstoffe, Kunststoffe, Kautschuk, Treib- und Schmierstoffe, Wasch- und Reinigungsmittel, Körperpflege, chemische Zwischenprodukte sowie Wärmeträgerflüssigkeiten. Nach wie vor spielen die Märkte Farben und Lacke, Bauchemie, aber auch der Schmierstoff- und Kunststoffmarkt eine große Rolle. Schaut man auf unsere getätigten Akquisitionen, so waren es Unternehmen, die Wasch- und Reinigungsmittel, aber auch den Körperpflege- und Schmierstoffmarkt im Fokus haben. Wir wollen Krahn für die Zukunft stabil aufstellen und uns mit anderen Industriezyklen verbinden. Dies ist ebenso spannend für unsere Partner, wenn wir aufzeigen, dass Produkte auch in anderen Bereichen eingesetzt werden können. Derzeit steht in allen Märkten Nachhaltigkeit im Fokus. Durch unsere nachhaltigen Lösungen und Services wie Workshops und Ökobilanzierung sind wir optimal positioniert, um das Wachstum in sämtlichen Märkten zu unterstützen.
Chemiedistribution hat sehr viele Facetten. Das Angebot von Dienstleistungen ist in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Welche Leistungen bieten Sie Ihren Kunden an oder anders gefragt: Wie verstehen Sie sich als Distributor?
R. Kuropka: Als Partner unserer Lieferanten und Kunden streben wir danach, für beide Seiten einen nachvollziehbaren Mehrwert zu schaffen. Es muss also einen Sinn geben, warum es uns in der Wertschöpfungskette gibt. Wir fungieren praktisch als eine Verlängerung des Verkaufsapparates unserer Lieferanten und verfügen gleichzeitig über einen umfassenden Überblick sowie technisches Verständnis für die Anforderungen unserer Kunden und der jeweiligen Märkte. Das spiegelt sich in unserer dezentralen Denkweise und in der Segment-fokussierten Organisation unseres Außendienstes wider. Krahn Chemie schaut mit einem ganzheitlichen Blick auf den Kunden. Es geht heute weit über Produkte und Logistik hinaus: Die Logistik ist eine Grundvoraussetzung – wir sind sehr gut aufgestellt, weil wir zum Beispiel innerhalb der Otto Krahn Gruppe die vorhandenen Lager gemeinsam nutzen. Unser Gesamtpaket hat viel mit Services zu tun. Wir stehen mit unseren Partnern auf Augenhöhe und sind Inspirator, indem wir neue Einsatzmöglichkeiten aufzeigen und in die Zukunft blicken. Wir beobachten zukünftige Trends und schauen auf Themen wie Nachhaltigkeit und neue Gesetzgebungen wie zum Beispiel den EU Green Deal. Vor allem kleine Kunden profitieren von unserer Unterstützung durch Nachhaltigkeitsseminare und Lebenszyklusanalysen. Zudem haben wir angefangen, Abfallströme anzuschauen, und helfen unseren Kunden, diese – aufgearbeitet – als Rohstoff zu verkaufen. Zusätzlich haben wir unsere Labordienstleistungen, insbesondere im Bereich der Farbformulierungen, durch die Einführung eines neuen Schnelltests zur mikrobiologischen Analyse erweitert.
Die Transformation zur Klimaneutralität ist für alle Unternehmen unumgänglich. Wie sehen Ihre Umsetzungspläne aus?
R. Kuropka: Krahn möchte nachhaltig Werte schaffen – sowohl für Lieferanten als auch für Kunden. Denn eine nachhaltige Zukunft lässt sich nur durch die Zusammenarbeit aller Beteiligten entlang der gesamten Wertschöpfungskette erreichen. Unser Ziel ist es, der Partner der Wahl zu sein, wenn es um nachhaltige Produktion geht. Wir arbeiten gemeinsam daran, neue innovative und gleichzeitig nachhaltige Produkte zu kreieren und zu fördern: Kreislaufwirtschaft, der Einsatz biologischer Materialien, Langlebigkeit und ein geringer CO2-Fußabdruck sind sehr wichtige Aspekte, die uns stark beschäftigen.
„Krahn möchte nachhaltig Werte schaffen –
sowohl für Lieferanten als auch für Kunden.“
Als Unternehmen selbst versuchen wir, wo immer möglich, den Energieverbrauch zu senken und beziehen Strom aus erneuerbaren Energien. Unser Umweltschutzmanagementsystem ist bereits nach ISO 14001 zertifiziert und wir befassen uns intensiv mit Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen. Selbst auf kleiner Ebene gehen wir Themen an, indem wir zum Beispiel für mehr Biodiversität Bienenstöcke aufstellen. Auch unsere Mitarbeitenden spielen eine entschiedene Rolle: Wir sensibilisieren dafür, weniger Geschäftsreisen zu tätigen und kompensieren unvermeidbare. Zudem haben wir ein eigenes internes Trainingskonzept mit individuellen Workshops entwickelt, in dem wir dazu aufrufen, umweltbewusst zu handeln.
Eine weitere Problematik, die viele Unternehmen – auch gerade in der Chemiedistribution – betrifft, ist der zunehmende Mangel an Fachpersonal. Wie würden Sie Ihre Situation beschreiben, und welche Konzepte haben Sie, um dem entgegenzuwirken?
R. Kuropka: Auch für uns ist es eine sehr große Herausforderung, Fachpersonal zu finden. Insbesondere weil wir Mitarbeitende benötigen, die eine hohe technische Kompetenz mitbringen und im Moment sehr gefragt sind. Ein bedeutender Teil unserer Bemühungen besteht darin, die Attraktivität unserer Branche darzustellen und unsere eigene Bekanntheit zu stärken. Wenn man unter dem Radar bleibt, bleibt man auch unentdeckt. Es ist ebenso wichtig, eine zielgruppengerechte Ansprache zu wählen. Das merken wir derzeit bei nicht leicht zu besetzenden Traineestellen. Wir sind also in Schulen und Unis vertreten und haben einen Ausbildungsfilm, der gezielt junge Talente anspricht. Außerdem bieten wir die Möglichkeit, sowohl global als auch landesweit zu arbeiten. Mit unserem Mobilitätsprogramm können Mitarbeitende für eine Zeit von einem unserer internationalen Büros aus tätig sein. Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, Mitarbeitende langfristig an uns zu binden. Dazu gehört unter anderem die Überwindung von starren Hierarchien und die Förderung von Verantwortungsübernahme sowie eigenständigen Entscheidungsprozessen. Diese Denkweise haben wir bereits erfolgreich in unsere Unternehmenskultur integriert.
ZUR PERSON
Rolf Kuropka ist seit Dezember 2011 Geschäftsführer bei der Krahn Chemie. Zuvor arbeitete der promovierte Chemiker knapp fünf Jahre bei Celanese als Vertriebsleiter EMEA für das Polymerdispersionsgeschäft. Kuropka studierte Chemie an der RWTH Aachen und verfügt über mehr als 30-jährige Branchenkenntnisse in den Bereichen Forschung, Sales und Marketing in der chemischen Industrie.