Chemiedistributeure stellen sich den Herausforderungen der Zeit
Interview mit Christopher Erbslöh, Carsten Güntner, Thorsten Harke, Gabriele Henke, Dr. Rolf Kuropka und Christian Westphal
Vom 21. bis 23. Mai 2012 findet der 48. FECC-Kongress in Lissabon statt. Das diesjährige Motto " Sustainable and responsible distribution: the formula for success" hat CHEManager zum Anlass genommen, FECC-Mitglieder unabhängig voneinander nach ihren Meinungen zu aktuellen Themen der Chemiedistributions-Branche zu befragen.
Im Folgenden lesen Sie die Antworten von Gabriele Henke und Carsten Güntner, Geschäftsleitung, Nordmann, Rassmann (NRC); Christopher Erbslöh, Geschäftsführer, C. H. Erbslöh; Thorsten Harke, Geschäftsführer, Harke Chemicals; Dr. Rolf Kuropka, Geschäftsführer, Krahn Chemie und Christian Westphal, Geschäftsführer, Ter Hell.
Die Fragen stellte Dr. Birgit Megges.
Laut dem Motto des diesjährigen FECC-Kongresses führt eine nachhaltige und verantwortliche Distribution die Unternehmen zum Erfolg. Schließen Sie sich dieser Aussage an? Welche Faktoren sind Ihrer Meinung nach für den Erfolg eines Distributeurs wichtig?
Thorsten Harke: Ja, dieser Aussage schließe ich mich an. Die Erfolgsfaktoren sind meiner Meinung nach Schnelligkeit, exzellenter Kundenservice und Zuverlässigkeit.
Carsten Güntner: Auf jeden Fall stimme ich der Aussage zu. Wir von Nordmann, Rassmann haben frühzeitig die Notwendigkeit vom verantwortlichen Handeln im Chemiehandel erkannt. Bereits seit 1997 beteiligen wir uns am "Responsible Care Programm" und waren damit einer der Vorreiter in der Distributionsbranche. Als Präsident des FECC treibt Edgar E. Nordmann die Ausweitung dieses Programms auf europäischer Ebene aktiv voran. Und dies wird von den Kunden in der verarbeitenden Industrie gefordert.
Insbesondere europäische Industrien sind führend in der ökologischen Nachhaltigkeit. Den gleichen Anspruch stellen sie an Produzenten und Distributeure. Für den Erfolg von Nordmann, Rassmann ist es daher unabdingbar, den Nachhaltigkeitsgedanken fest in der Unternehmensstrategie zu implementieren. Wir tun dies aber nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht: Als Nordmann, Rassmann sind wir uns der Verantwortung gegenüber dieser und nachfolgenden Generationen voll bewusst.
Rolf Kuropka: Nachhaltigkeit und verantwortliches Handeln sind heute die Grundlage für jede professionell arbeitende Unternehmung. Der Erfolg eines Distributeurs wird wesentlich von seiner Kundenorientierung bestimmt.
Bei der Krahn Chemie zeigt sich diese in der Fokussierung auf klar definierte Abnehmerindustrien und durch die enge Kundennähe unseres fachkundigen und branchenspezifischen Außendienstes. Wir nehmen uns Zeit, im persönlichen Dialog die Produkte vorzustellen und auf die individuellen Fragestellungen des Kunden einzugehen. Aber auch das hat nur einen nachhaltigen Kundennutzen, wenn dieser sich auch auf eine zuverlässige, schnelle Belieferung mit der notwendigen Flexibilität verlassen kann. Die Kundenorientierung ist aber auch Grundlage für einen weiteren wesentlichen Erfolgsfaktor: dem Kunden ein auf seine Bedürfnisse abgestimmtes Produktportfolio von qualifizierten Produzentenpartner zu bieten.
Die dritte Erfolgskomponente eines Distributeurs ist ein klares Bekenntnis zu den Ländern, in denen man als Partner für die jeweiligen Branchen auftritt. Die Krahn Chemie ist heute in DACH, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien, Slowenien, Kroatien und Serbien aktiv - die Positionierung in weiteren Märkten in Europas ist ein wichtiger Bestandteil unserer Wachstumsstrategie.
Christian Westphal: Für den Erfolg eines Distributeurs werden drei Punkte zukünftig noch wichtiger sein: Erstens ist entscheidend, inwieweit er in der Lage ist, seinen Lieferanten logistische Komplexität abzunehmen und eine europaweite, industriespezifische Abdeckung seiner Leistungen zu gewährleisten. Zweitens muss es gelingen, im Rahmen einer Buy & Build-Strategie die übernommenen Unternehmen organisatorisch und motivatorisch in den Gruppenverband einzubinden. Drittens muss der Distributeur in der Lage sein, die Investitionen in Qualitätsmanagement und REACh wirtschaftlich zu nutzen und in der Preispolitk zu rechtfertigen.
Christopher Erbslöh: Für die C.H. Erbslöh spielt die Nachhaltigkeit unseres Tuns und Handelns immer eine große Rolle, da die langfristig Perspektive immer im Vordergrund steht. Die Tatsache, dass wir nach 136 Jahren immer noch ein Familienunternehmen sind und ich als fünfte Generation im Unternehmen tätig sein darf, ist hierfür, denke ich, der beste Beweis.
Die Frage nach den Erfolgsfaktoren wird durch Ihre Einleitung sowie dem diesjährigem Motto des FECC-Kongresses gegeben. Eine nachhaltige und damit auch verantwortliche Distribution sind aus meiner Sicht der Schlüssel zum Erfolg; denn Entscheidungen die nur den kurzfristigen Erfolg zur Maßgabe haben, führen auf lange Sicht meist zu erheblichen Mehrkosten und erhöhtem Aufwand, der letztendlich den Fortbestand eines Unternehmens gefährden kann.
Welchen Herausforderungen müssen sich Distributeure Ihrer Ansicht nach in der Zukunft vor allem stellen und wie werden sich die Anforderungen der Kunden verändern?
Gabriele Henke: Hierfür braucht man keinen Blick in die Zukunft werfen. Die Anforderungen werden schon heute gestellt. Lieferanten und Kunden wünschen sich vom Distributeur Leistungen aus einer Hand. Die Märkte verändern sich permanent. Daraus ergeben sich höchste Ansprüche an Service, Beratung und Logistik, und das im Gesamtpaket.
Nordmann, Rassmann bietet dies. Zudem haben wir in unserem Portfolio ausgewählte, technisch anspruchsvolle Rohstoffe und Spezialchemikalien und besitzen ein umfassendes Märkte-Know-how. Einer unserer Schwerpunkte in nächster Zukunft wird der weitere Ausbau von Service-Dienstleistungen sein - auf dem Gebiet der Anwendungstechnik, im Bereich Labor sowie in der Abfüllung und Compoundierung.
Christopher Erbslöh: Die Herausforderungen sind wahrscheinlich so vielschichtig wie die Distributorenlandschaft selbst. Eine ganz entscheidende Frage wird aber sein, ob ein Unternehmen den nötigen Service bieten kann und die richtige „Value Proposition" hat um mit ihrem Portfolio erfolgreich zu sein. Das benötigte „Business Model" wie auch die Kernkompetenzen für Commodities und Spezialitäten sind sehr verschieden. Wer über alle Bereiche hinaus erfolgreich sein will, muss dies beherzigen und den richtigen Service bieten. Ein wirklich erfolgreiches „One fits all Model" habe ich noch nicht gesehen.
Christian Westphal: Einstellen müssen wir uns auf eine beschleunigte Konsolidierung der Marktteilnehmer sowohl auf der Seite der Produzenten als auch auf der Seite der Distributeure. Wir gehen davon aus, dass sich die im Kunststoffmarkt weitgehend fortgeschrittene Konsolidierung auf den Bereich der Spezialchemikalien übertragen wird.
Eine andere Schwierigkeit ist die ausreichende Gewinnung von Nachwuchskräften bedingt durch den demographischen Wandel. Dafür notwendig ist die Steigerung der Attraktivität der Chemiebranche für Schul- oder Universitätsabsolventen - etwa im Vergleich zur Automobilindustrie.
Die Distributeurkunden erwarten zunehmend eine anwendungsorientierte technische Beratung mit Problemlösungen und eine Sortimentsvielfalt vom Distributeur, welche ihren Produktbedarf weitestgehend abdeckt.
Thorsten Harke: Die Herausforderung wird sein, die ständig steigende Flut von Auflagen und Regulierungen zu bewältigen und trotzdem noch kostendeckend zu arbeiten.
Die Kunden werden sich Unterstützung bei der steigenden Auflagen- und Regulierungsflut wünschen.
Rolf Kuropka: Entscheidend ist, Verarbeitern und Herstellern auch morgen noch Mehrwert zu bieten und dadurch das Geschäft für alle Beteiligten nachhaltig zu entwickeln. Hierfür ist essentiell - so abgedroschen es auch klingt -, die sich ändernden Anforderungen der Kunden zu kennen und das mit den Produktentwicklungen der Produzenten zu verbinden. Bei der Krahn Chemie gelingt das durch unseren branchenspezifischen und technisch versierten Außendienst. Der Erfolg zeigt sich an vielen innovativen Kundenprojekten, wobei die Auslöser hierfür vielschichtig sind: alternative Produkte in bestehenden Anwendungen zu platzieren oder mit neuen Produkten bestehende Anwendungen zu optimieren oder für neue Anwendungen die richtigen Produkte finden.
Damit ist die Krahn Chemie ein wertvoller Partner, um die immer anspruchsvolleren technologischen und/oder ökologischen Anforderungen, denen unseren Kunden unterliegen, zu begleiten oder für diese auch alternative, qualitative und hochwertige Lieferquellen zu erschließen. Dabei ist es wichtig, dass wir als Distributeur die kontinuierliche und zielgerichtete Weiterentwicklung des eigenen Produktportfolios vorantreiben - sei es mit unseren bestehenden Produzenten oder aber auch mit neuen Partnern. Um sowohl Kundenprojekte als auch Qualifizierung neuer Produzenten in Zukunft stärker zu unterstützen, baut die Krahn Chemie ihre Dienstleistung weiter aus und wird zukünftig auch ein eigenes Labor unterhalten und Produkte unter einem eigenen Label vertreiben, um Lücken im Portfolio zu schließen.
Laut einer aktuellen Studie werden Asien und insbesondere China und Indien für die Beschaffung von Chemikalien immer wichtiger. Können Sie das für Ihr Unternehmen bestätigen? Wenn ja, welche Chemikalien betrifft das hauptsächlich und warum?
Thorsten Harke: Ja, das kann ich bestätigen. Es geht dabei natürlich insbesondere um die Produkte, die eher über den Preis verkauft werden - Commodities und Commodity ähnliche Produkte - und weniger um sog. „Performance" Produkte, deren Entwicklung und die damit verbundenen Dienstleistungen nah am Kunden und seinen Problemen erbracht werden müssen.
Christopher Erbslöh: Auch wir sehen die wachsende Bedeutung der asiatischen Länder und deren Einfluss auf die Lieferkette bestimmter Produktgruppen. Nichtsdestotrotz zeigt sich aber auch weiterhin die Stärke anderer Regionen im Chemiesektor.
Rolf Kuropka: Krahn Chemie unterhält seit Jahrzehnten beständige und vertrauensvolle Kooperationen mit asiatischen Produzenten. Diese Erfahrung ist sehr hilfreich bei der Akquise neuer Lieferanten aus diesem Raum. Insbesondere indische und chinesische Spezialchemikalienhersteller werden in der Zukunft manchem europäischen „Platzhirschen" das Leben schwer machen. Voraussetzung für die Krahn Chemie ist aber, dass die neuen Lieferantenpartner aus Asien genau wie die bereits bestehenden Partner sich durch hervorragende Produktqualität, eine professionelle Supply Chain und Innovativität auszeichnen. Hier können wir als Distributeur eine bedeutende Rolle für unsere Kunden spielen, in dem wir interessante Produktalternativen aus anderen Regionen qualifizieren und in den hiesigen Markt bringen.
Gabriele Henke: In unserer hundertjährigen Firmengeschichte gehören die Länder der asiatisch-pazifischen Region schon immer zu unseren bedeutenden Beschaffungsmärkten. Dazu zählen natürlich auch China und Indien. Aus China beziehen wir insbesondere chemische Rohstoffe für die Kunststoff- und Gummiindustrie sowie für die Pharmaindustrie. In China haben wir jedoch derzeit die allseits bekannte Währungsproblematik. Indien ist als Beschaffungsmarkt für die Industrien Food und Pharma interessant.
Christian Westphal: Bei Basischemikalien und Commodities gehen wir im Weltmarkt von wachsenden Anteilen für Asien und Indien aus. Bei Spezialchemikalien hingegen werden Europa, die USA und Japan mithilfe umfangreicher Investitionen in Forschung und Entwicklung ihre Innovationskraft behaupten und ihre führende Rolle im nächsten Jahrzehnt halten.