M&A in der europäischen Chemiedistribution
Studie zur M&A-Situation der Branche und Meinungen von Branchenexperten
Die europäische Chemiedistributionsbranche steht aktuell vor zahlreichen Herausforderungen. Während die Branche insgesamt in den letzten fünf Jahren stark an der positiven Entwicklung der europäischen Chemieindustrie partizipieren konnte und auch die Krise der Jahre 2008/2009 gut gemeistert hat, gibt es aktuell deutliche Anzeichen für eine Stagnation bzw. einen Rückgang von Absatz und Umsatz. So musste beispielsweise der deutsche Chemikalien-Groß- und Außenhandel das Jahr 2012 nach zwei Wachstumsjahren mit Mengen- und Umsatzrückgängen abschließen. Während z.B. Südamerika und Asien weiter als Wachstumsregionen gesehen werden und z.B. durch Übernahmen versucht wird, an diesem Wachstum zu partizipieren, ist die Lage insbesondere in Südeuropa aufgrund der Schulden-Krise vielfach eher ernüchternd. Zahlreiche Unternehmen der Branche wählen Fusionen und Übernahmen (M&A) als strategische Option, um weiterhin am Markt erfolgreich zu sein.
Grosse-Hornke Private Consult hat diese Situation zum Anlass genommen, um die Studie zur Chemiedistribution auf M&A zu fokussieren, nachdem die Studie „Chemiedistribution 2012" eher allgemein gehalten wurde. In der CHEManager-Sonderausgabe "Distribution & Logistics for the Chemical and Life Science Industries 1/2013" gibt Dr. Matthias Hornke in seinem Artikel "Mergers and Acquisitions as Value Lever" einen Einblick in M&A in der europäischen Chemiedistribution und stellt wesentliche Ergebnisse der aktuellen Studie dar.
Die Auswertung zeigt deutlich, dass niemand in der Branche mit einer Abnahme der M&A-Aktivitäten in den nächsten Jahren rechnet, während sogar 56 % der Befragten von einer Zunahme ausgeht. Die restlichen 44 % rechnen mit einer Stagnation. Diese Entwicklung sehen alle als Antwort auf die Herausforderungen, die die Branche zu meistern hat. Als hauptsächliche Treiber für Übernahmen und Zukäufe wurden im Rahmen der Studie günstige Kaufpreise (65 %), die Erzeugung kritischer Massen (59 %) und der Erwerb von Know-how/Expertise angegeben (43 %).
Bei der Nachfrage nach Zielregionen für M&A-Aktivitäten konnte ebenfalls ein deutliches Ergebnis erstellt werden: So wird die höchste Zahl an M&As in Osteuropa erwartet. Auch der Rest Europas, Indien, China und Mittel- und Südamerika liegen hoch im Kurs. Nur wenige Aktivitäten werden dagegen nach Meinung der Distributeure in Nordamerika stattfinden.
Im Folgenden lesen Sie Zitate von Geschäftsführern der Chemiedistributionsbranche, die die Ergebnisse der Studie unterstreichen. CHEManager hatte sie gefragt, wie sie für ihr Unternehmen die M&A-Situation in der Chemiedistributionsbranche einschätzen und was ihrer Meinung nach die Hauptgründe für die Fusionen und Übernahmen sind:
Frank Haug, Geschäftsführer, Bodo Möller Chemie
„Da es eine immer stärkere Konsolidierung im Bereich der Chemieproduzenten gibt, wird dies auch eine Konsolidierung im Bereich der Chemiedistribution unweigerlich mit sich ziehen. Insofern wird auch Bodo Möller Chemie versuchen im Bereich M&A durch strategische Zukäufe seine Position gegenüber den Herstellern in seinen Kerngeschäftsfeldern zu festigen. Die Kerngeschäfte der Bodo Möller Chemie werden Klebstoffe, Composite Werkstoffe, Modellbaumaterialien, Elektrovergussmassen sowie Textilchemikalien und -farbstoffe bleiben."
Axel Sebbesse, Geschäftsführer, Krahn Chemie
„Auch wir gehen davon aus, dass sich die Konsolidierung im europäischen Distributionsmarkt in den nächsten Jahren fortsetzen wird. In der Vergangenheit wurde dieser Prozess vor allem von Unternehmen im Private-Equity-Besitz vorangetrieben. Das hat sich nun geändert, weil diese Firmen in Europa aufgrund des entstehenden Konfliktpotentials kaum noch lohnende Akquisitionen betreiben können. Daher treten nun die traditionellen Distributionshäuser in den Vordergrund, die vielfach noch im Familienbesitz sind oder vom Eigentümer geführt werden. Sie werden die Konsolidierung in Europa in Zukunft weiter betreiben und prägen - zumal sich bei kleineren, familiengeführten Unternehmen sich nicht immer ein Nachfolger finden wird. Darüber hinaus erkennen wir aber auch einen klaren Trend zur Spezialisierung der Marktteilnehmer auf einzelne Branchen. Während ein Distributeur in der Vergangenheit noch viele verschiedene Industrien abgedeckt hat, wird er sich in Zukunft entscheiden müssen, auf welchen Geschäftsbereich er sich konzentrieren möchte, um in diesem erfolgreich zu sein und langfristig zu bestehen. Wir als Krahn Chemie haben das getan und setzen neben anderen Segmenten vor allem auf die Farben- und Lackindustrie, was auch Motivation für den Kauf der niederländischen ICH Gruppe Anfang des Jahres war. In unserer Strategie gibt es eine klare Zielsetzung, wo wir organisch und wo wir durch Akquisition wachsen wollen. Ich gehe insofern davon aus, dass wir auf dem Feld der Akquisitionen auch zukünftig aktiv sein werden, um damit die Konsolidierung aktiv zu begleiten."
Robert Späth, Geschäftsführer, CSC Jäklechemie
„In den letzten paar Jahren gab es eine bedeutende Zunahme der Komplexität im Chemiedistributionsgeschäft. Die Supply Chains sind immer internationaler geworden, die Betriebsvoraussetzungen verkomplizierten sich wegen neuer Sicherheitsregulierungen, wie die Direktive 2012/18/EU zur Kontrolle von Unfallgefahren mit gefährlichen Stoffen oder den neuen Regulierungen für die Luftfracht. Auch die Anforderungen an Qualität und Services sind gestiegen. All diesen Ansprüchen gerecht zu werden ist sicher deutlich schwieriger für ein einzelnes kleines oder mittelgroßes Unternehmen. Die Kosten steigen und die Margen stehen unter Druck. Es wird eine Weile dauern, bis alle Akteure auf dem Markt ihre Strategie diesen Bedingungen angepasst haben. In einigen Fällen bedeutet dies M&A und neue Strukturen, wie wir sie in jüngerer Zeit bemerken."
Weitere Statements und Artikel zum Thema M&A und anderen branchenrelevanten Themen finden Sie in der Sonderausgabe "Distribution & Logistics for the Chemical and Life Science Industries 1/2013".