Klimaschutz durch Isolierung
Erhöhung der Energieeffizienz von Industrieanlagen setzt riesige Einsparpotentiale frei
Durch fehlende Isolierung von Anlagenteilen verschwendet die europäische Industrie täglich enorme Mengen Energie und Geld und produziert dazu auch noch Tonnen vermeidbares Kohlendioxid (CO2). Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Klimaschutz mit kurzen Amortisationszeiten", die von der Stiftung European Industrial Insulation Foundation (EiiF) in Auftrag gegeben wurde. Untersucht wurde das Einsparpotential konsequenter Isolierungsmaßnahmen an Armaturen, Flanschen, Rohrleitungen und Behältern. Das Ergebnis: Mit verbesserter Dämmtechnik könnte der Brennstoffverbrauch der gesamten europäischen Industrie um 620 Petajoule gesenkt werden. Das entspricht dem Energiebedarf von zehn Millionen Haushalten. Gleichzeitig würde der CO2-Ausstoß um rund 49 Megatonnen gesenkt werden, das entspricht den Abgaben von 18 Mio. Autos.
Die Studie wurde von der auf die Themen Energieeffizienz und -märkte spezialisierte Beratungsfirma Ecofys erstellt und unter dem Titel „Klimaschutz mit kurzen Amortisationszeiten" veröffentlicht. Die Experten haben ausgerechnet, dass durch das wirtschaftliche Dämmen von Industrieanlagen bei gleichbleibenden Energiepreisen Einsparungen von rund 3,5 Mrd. € möglich sind. Dazu müssten Investitionen von rund 900 Mio. € getätigt werden. Doch nicht nur hohe Energiepreise, sondern auch steigende Kosten für CO2-Emissonen machen die verbesserte Dämmtechnik attraktiv.
Im Jahre 2020 tritt das von der Europäischen Union verabschiedete Klimaschutzabkommen 20-20-20 in Kraft. Hierin ist vorgesehen, die CO2- Emissionen im Vergleich zum Jahre 1990 um 20 % zu senken. Konsequente Isolierung kann einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten. „Die Investitionskosten für die konsequente Dämmung von Industrieanlagenteilen amortisieren sich meist schon in weniger als einem Jahr", betont Andreas Gürtler, Geschäftsführer der EiiF. „In der Vergangenheit, als die Treibstoffpreise noch deutlich niedriger waren, hätten energieeffiziente Dämmlösungen wahrscheinlich keinen großen Unterschied gemacht. Heute aber ist der Preis für Energie höher und wird voraussichtlich noch weiter steigen. Somit werden die Amortisationszeiten eher noch kürzer werden."
Wirtschaftlichkeit von Isolierungssystemen berechnen
Im ersten Schritt sollten nicht gedämmte Anlagenteile konsequent nachgerüstet werden. Um die Wirtschaftlichkeit der Isolierung und das Einsparpotential zu berechnen, hat die EiiF gemeinsam mit der Bilfinger Berger Industrial Services Group und anderen Gründungsmitgliedern das sogenannte Tipcheck-Programm (Technical Insulation Performance-Check) entwickelt. Im Rahmen des Programms werden Ingenieure, sog. Tipcheck-Engineers ausgebildet, die die notwendigen Analysen in den Industrieanlagen durchführen und Lösungsvorschläge erarbeiten. Die Tipcheck-Engineers haben in der Regel ein Ingenieursstudium absolviert und mindestens vier Jahre Berufserfahrung in der Industrie. Sie werden von internationalen Experten nach einem europaweit standardisierten Verfahren geschult und analysieren im Rahmen eines Energie-Audits vor Ort, wo Wärme- bzw. Kälteverluste auftreten.
Thermografie-Aufnahmen geben erste Hinweise auf unzureichend gedämmte Anlagenteile. Da die Ermittlung von Oberflächentemperaturen an metallenen Oberflächen mit Hilfe der Wärmebildkamera an runden Oberflächen jedoch schwierig ist, werden dort mit dem Oberflächenfühler (Oberflächenthermometer) genaue Messwerte erhoben. Mit Hilfe eines wärmetechnischen Berechnungsprogramms kann so für jedes einzelne Bauteil der Energieverlust und somit das Einsparpotential berechnet werden. Anschließend werden wirtschaftlich sinnvolle Dämmmaßnahmen konzipiert, mit denen Unternehmen ihren CO2Ausstoß reduzieren und langfristig Energie und Kosten sparen können.
Für die Durchführung eines solchen Energie-Audits stehen sieben zertifizierte Tipcheck-Engineers in Deutschland, Ungarn und Holland bereit. „Wir leisten hier Pionierarbeit", erläutert Andreas Regel, Produktmanager Isolierung bei Bilfinger Berger Industrial Services. Er zählt zu den ersten, die im August 2011 die Fortbildung absolvierten. „Viele Unternehmen beschäftigen sich stark mit dem Thema Energieeffizienz, an die Isolierung ihrer Anlagen denken sie aber häufig nicht. Dabei lassen sich hier mit vergleichsweise geringen Investitionskosten große Effekte erzielen", fährt er fort. Wenn die Experten der Unternehmensgruppe, die oft schon im Rahmen von Instandhaltungsverträgen vor Ort sind, Vorschläge zur Verbesserung der Isolierung machen, stoßen sie daher oft auf großes Interesse.
Anlagenbetreiber sind oft davon überzeugt, so Regel, dass der Standard ihrer Isolierung sehr gut sei. Bisher hat er jedoch bei jedem Tipcheck Anlagenteile gefunden, die nicht isoliert waren oder deren Isolierung beschädigt war. Oft deckte er dabei auch erhebliche Sicherheitsrisiken, z.B. Verbrennungsgefahren, für die Mitarbeiter auf, wenn Armaturen, Flansche oder andere Bauteile ungenügend isoliert waren und hohe Temperaturen aufwiesen. Mit modernen Isoliersystemen lassen sich aber auch Anlagenteile isolieren, die zur Bedienung oder Wartung zugänglich sein müssen. Die Kappen und Hauben lassen sich durch Spannhebelverschlüsse ohne Werkzeug einfach und schnell entfernen und genauso wieder montieren.
Die Tipcheck-Engineers sind auch Experten für moderne Dämm-Materialien und -systeme. So können z.B. bei der Isolierung von Rohrleitungen neu entwickelte Dämmstoffe wie Aerogele eingesetzt werden, die den Platzbedarf erheblich reduzieren. "Es lohnt sich daher, schon bei der Planung von neuen Anlagen einen Experten für energieeffiziente Isolierung hinzu zu ziehen", empfiehlt Regel.
Wirtschaftliche Isolierdicke ermitteln
Auf den ersten Schritt, ungedämmte Anlagenteile nachträglich zu isolieren und beschädigte Dämmungen auszutauschen, folgen oft als zweiter und dritter Schritt die Analyse der Wirtschaftlichkeit des bestehenden Dämmsystems und Vorschläge zu möglichen Anpassungen. Meist stammen die Dämmstandards in bestehenden Anlagen noch aus Zeiten wesentlich niedrigerer Energiepreise und entsprechen somit den heutigen wirtschaftlichen Kriterien nicht mehr. Die unternehmerische Entscheidung darüber, welche Isolierleistungen umgesetzt werden, basiert in der Regel auf der sogenannten wirtschaftlichen Isolierdicke. Sie setzt sich aus den einmaligen Investitionskosten für die Montage der Isolierung und die über die Lebensdauer der Anlage erzielbare jährliche Reduzierung der Wärmeverlustkosten zusammen. Die wirtschaftliche Isolierstärke ergibt sich dabei aus dem Minimum der Summe von Investitions- und Wärmeverlustkosten.
Was für die Vermeidung von Wärmeverlusten gilt, ist auch für die Kälteisolierung anwendbar. Da die Herstellung von Kälte sehr energieintensiv ist, ist die Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung der Isolierung auch für Kälteanlagen interessant. Besonders wichtig ist hier die Wartung der bestehenden Isolierungen, da deren Lebenszeit in Kälteanlagen aufgrund von physikalischen Gesetzmäßigkeiten begrenzt ist. Eisablagerungen, die aufgrund beschädigter Dämmung durch Kondensation der Luftfeuchtigkeit an kalten Oberflächen entstehen, vergrößern den Energieverlust zusätzlich.
Energieeffizienz als „fünfte Brennstoffquelle"
Die EiiF engagiert sich als gemeinnützige Stiftung international für den Einsatz nachhaltiger Isoliersysteme in Industrieanlagen und im industriellen Umfeld mit dem Ziel, Energie einzusparen und CO2-Emissionen zu reduzieren. Mit dem Tipcheck-Programm schuf die Stiftung ein effizientes Werkzeug, die Industrie in Fragen der Isolierung zu unterstützen. Auch die Tatsache, dass die Tipcheck-Engineers im Rahmen der Analysen unabhängig arbeiten und die Isolierlösungen keine Vorschläge zum Einsatz spezifischer Produkte enthalten, trägt wesentlich zur Akzeptanz und zum Erfolg bei.
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Bilfinger Berger Industrie Services GmbH
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