Energiewende belastet deutsche Chemieindustrie
18.04.2012 -
Mitte März hat das Europäische Parlament den Fahrplan für eine emissionsarme Wirtschaft festgelegt. Danach soll der CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2050 um 80 % gesenkt werden. Welche Auswirkungen haben die jüngsten Beschlüsse zum Klimaschutz auf EU-Ebene und die aktuelle Energiepolitik der Bundesregierung auf die deutsche Chemieindustrie? Dr. Andrea Gruß befragte dazu Dr. Tony Van Osselaer, Mitglied des Vorstands bei Bayer MaterialScience und Vorsitzender des Ausschusses Energie, Klimaschutz ,Rohstoffe beim Verband der Chemischen Industrie (VCI).
CHEManager: Herr Dr. Van Osselaer, wie bewerten Sie die jüngsten EU-Beschlüsse zum Emissionshandel?
Tony Van Osselaer: Die gegenwärtigen Pläne der EU-Kommission, mit gravierenden Eingriffen in den Markt für CO2-Zertifikate den Preis zu treiben, lehne ich entschieden ab. Die energieintensive Chemieindustrie hat traditionell schon immer auf Energieeffizienz geachtet. Wir brauchen keine „Daumenschrauben", um auf diesem Kurs zu bleiben!
Der europäische Emissionshandel führt für unsere Industrie in erster Linie zu Kostensteigerungen und damit zu Wettbewerbsproblemen. Die europäischen Chemieunternehmen müssen auf ihren globalen Märkten wettbewerbsfähig bleiben. Nur so können sie die erwünschten Beiträge für den Klimaschutz leisten.
Welche Beiträge sind dies?
Tony Van Osselaer: Die Chemie kann erheblich dazu beitragen, dass die Vision einer emissionsarmen Wirtschaft Wirklichkeit wird! Diese lässt sich nur mit hoch effizienter Energieanwendung erreichen. Dafür liefert die chemische Industrie die Produkte. Denken Sie nur an Materialien zur Wärmedämmung von Gebäuden und an Kunststoffe für den Bau von leichten, treibstoffsparenden Fahrzeugen. Aber auch für die Nutzung erneuerbarer Energien mit Fotovoltaikmodulen und Windkonvertern liefert die Chemieindustrie innovative Produkte zur Effizienzsteigerung.
Bayer MaterialScience fertigt zum Beispiel Kohlenstoff-Nanoröhrchen zur Erhöhung der Festigkeit von Rotorblättern. In unseren Produktionsverfahren zur Herstellung dieser Produkte haben wir bereits kontinuierlich die Energieeffizienz erhöht. So hat die deutsche chemische Industrie seit 1990 bei einer Produktionssteigerung um 42 % den absoluten Energieverbrauch um 33 % reduziert und die absoluten Treibhausgasemissionen sogar um fast die Hälfte gesenkt.
Des Weiteren forscht die Chemieindustrie an Energiespeichertechnologien und an Verfahren zur Kohlendioxidnutzung. Bei Bayer MaterialScience ist es bereits im Technikumsmaßstab gelungen, Kohlenstoffdioxid in Kunststoffe „einzubauen".
Inwieweit sehen Sie Zielkonflikte der europäischen Klimaschutzpolitik und der national beschlossenen Energiewende?
Tony Van Osselaer: Die europäische Klimaschutzpolitik ist konsequent auf die Absenkung der Treibhausgasemissionen ausgerichtet.