Klarer Kurs in unsicheren Zeiten
Der Chempark liegt im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftskrise und Investitionen
Genau das in Deutschland zu behalten, hat strategischen Wert. „Deshalb beobachten wir die aktuelle Situation mit großer Sorge“, erklärt Hans Gennen, technischer Geschäftsführer des Chemieparkbetreibers Currenta. Worauf Gennen abhebt: Viele energieintensive Unternehmen wandern aufgrund der hohen Energiepreise aus Deutschland ab oder sind in konkreten Planungen, diesen Weg zu gehen. Mit weitreichenden Konsequenzen: „Mehr als 55.000 Arbeitsplätze allein an unseren Standorten stehen auf dem Spiel. Und damit der Wohlstand einer ganzen Region.“
Längst handelt es sich also nicht mehr um eine schleichende Deindustrialisierung. Die Auswirkungen sind da und sie sind unmittelbar zu spüren. Investitionen werden bereits jetzt nicht mehr in Deutschland, sondern vor allem in den USA und China getätigt, Standorte bzw. Betriebe schließen, Arbeitsplätze gehen verloren.
Die Transformation braucht Ingenieursgeist, Innovationskraft und Know-how
Currenta betreibt mit den drei Chempark-Standorten in Nordrhein-Westfalen eines der größten Chemieareale Europas. Die Zukunft dieser Standorte hängt maßgeblich davon ab, wie schnell und umfassend es gelingt, sie zu transformieren. „Wir haben einen klaren Fahrplan entwickelt, um den nachhaltigen Chemiepark der Zukunft zu gestalten. Und wir sind überzeugt: Gerade wir als Betreiber von Verbundstandorten können mit Ingenieursgeist, Innovationskraft und Know-how einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass die chemische Industrie in Deutschland klimaneutral wird“, betont Gennen. Vom Kohleausstieg über den Einsatz von Wärmepumpen bis hin zu einem ressourcenschonenderem Wassermanagement: Der flächendeckende Einsatz von nachhaltigen Zukunftstechnologien und die Elektrifizierung industrieller Prozesse, die bisher nur mit fossilen Brennstoffen gefahren wurden, erfordern nicht nur hohe Investitionen – sondern auch sehr viel bezahlbaren Grünstrom.
Auf der anderen Seite hätte es gesellschaftlich weitreichende Folgen, wenn wichtige Teile der Wertschöpfungskette künftig aus anderen Ländern zugekauft werden müssten. „Chemie ist die Basis fast aller Industrieprodukte, sie ist Naturwissenschaft und Schulfach. Und genau deshalb müssen wir die Abwanderung der Chemie als Industriezweig und den Wegfall vieler Arbeitsplätze verhindern, solange das noch möglich ist“, fordert Gennen. Klar, dass der Standortmanager eine tragfähige Übergangslösung in Form des Brückenstrompreises befürwortet, um die Rahmenbedingungen für die Investitionen, die die Energiewende in der Chemie erfordert, kurzfristig herzustellen.
„Die Transformation braucht Ingenieursgeist.“
Strompreispaket greift zu kurz
Das jetzt von der Bundesregierung vorgelegte „Strompreispaket“ stellt leider keine solche tragfähige Übergangslösung dar. So zielt die angekündigte Senkung der Stromsteuer auf eine möglichst breite Wirkung – und bleibt dadurch leider genau dort völlig wirkungslos, wo die Auswirkungen volatiler und instabiler Energiepreise besonders heftig zu spüren sind: in der extrem energieintensiven chemischen Industrie. Unter dem Strich führen leider auch die weiteren Maßnahmen – z.B. der Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten oder die Fortführung der Strompreiskompensation – nur dazu, den Status Quo zu zementieren. Eine echte Entlastung ist damit lediglich für einige wenige Unternehmen und nur in einem vergleichsweise geringen Umfang verbunden.
„Im Kern geht es aber darum, endlich das für die Transformation dringend erforderliche gute und innovationsfreundliche Investitionsklima herzustellen. Deshalb begreife ich den Brückenstrompreis auch nicht als Subvention, sondern als Investition in die Zukunft des Standorts Deutschland“, so Gennen. Allein die mit Standortentscheidungen für Deutschland verbundenen garantierten Steuereinnahmen überstiegen den staatlichen Beitrag in Form eines Brückenstrompreises deutlich. Zudem hängen viele Tausend Arbeitsplätze im Umfeld der Produktionsstandorte an der Kaufkraft der Mitarbeitenden dieser Standorte. Auch diesen Kleinbetrieben droht ein massiver Abschwung, sollte die energieintensive Industrie dauerhaft aus Deutschland verschwinden.
Schließlich trage ein Brückenstrompreis auch zu Europas Unabhängigkeit bei Grundstoffen für kritische Wertschöpfungsketten bei, bspw. für Gesundheit und Ernährung. Gennen: „Es wäre geopolitisch höchst fragwürdig, die Grundstoffindustrie abwandern zu lassen – wir beobachten aktuell zum Beispiel bei der Mikrochipindustrie, was das bedeutet – und wie teuer es ist, einen solchen Industriezweig wieder neu anzusiedeln.“
Die Erzeugung von Wärme, Kälte, Dampf und Druckluft kostet viel Energie
Bei der Konzeption des Brückenstrompreises sei es vor allem wichtig, die Besonderheiten der Chemieparks zu berücksichtigen. Nur so vermag dieses Instrument in der Fläche der chemischen Industrie überhaupt wirksam zu werden. Denn Chemieparkbetreiber versorgen die produzierenden Unternehmen u.a. mit Wärme, Kälte, Dampf und Druckluft für die chemischen Produktionsprozesse.
„Sollten aber lediglich produzierende Chemieunternehmen Zugang zum Brückenstrompreis bekommen, müssten die Standortbetreiber weiterhin mit überhöhten Energiekosten zum Beispiel den Dampf produzieren“, erläutert Gennen. Dieser Dampf wiederum könne dann nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen an die produzierenden Chemieunternehmen weitergegeben werden. Die Gefahr wäre auf diese Weise also nicht gebannt, das Instrument des Brückenstrompreises drohte für die chemische Industrie leer zu laufen.
„Das Strompreispaket der Bundesregierung greift zu kurz.“
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Grüne Energie für klimafreundliche Pharmaproduktion
Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu Europas nachhaltigem Chemiepark: Mit einer innovativen Energiezentrale sorgt Currenta dafür, dass die Bayer-Tablettenproduktion im Chempark Leverkusen künftig 93 % weniger CO2-Emissionen verursacht. Mit dem Pilotprojekt Green Energy Supply (GES) steigt der Chemieparkbetreiber in die Erzeugung und Bereitstellung von grüner Wärme und Kälte ein. Bereits ab nächstem Jahr soll im Rahmen des Energieeffizienzprojekts ungenutzte Abwärme im industriellen Maßstab genutzt werden.
Aktuell laufen die Bauarbeiten an der neuen Energiezentrale. Für Bayer Pharmaceuticals geht es darum, den CO2-Abdruck seiner Produktion möglichst schnell zu minimieren. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die neue Anlage ein wichtiger Baustein. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen des Förderwettbewerbs Energie- und Ressourceneffizienz gefördert.
Hans Gennen, technischer Geschäftsführer der Currenta-Gruppe, hebt hervor: „Nur eine grüne, langfristig klimaneutrale Chemieindustrie hat in Europa Zukunft. Deshalb haben wir uns ein klares Ziel gesetzt: Den nachhaltigen Chemiepark der Zukunft proaktiv zu gestalten. Wir haben mit der grünen Energiezentrale ein echtes Leuchtturmprojekt.“
Das Herzstück der neuen Anlage ist eine industrielle Wärmepumpe, die gleichzeitig Wärme und Kälte erzeugen kann – ohne zusätzliche Wärmequelle. Zudem wird auch die Abwärme des Betriebswassers mithilfe einer weiteren Wärmepumpe genutzt. In Sachen Effizienz setzt die GES-Anlage neue Maßstäbe. Sogar in der Produktion anfallendes Kondensat, das sonst unter erheblichem Energieeinsatz runtergekühlt werden muss, wird künftig als Wärmequelle genutzt. „Wir gehen davon aus, dass wir durch die Anlage bis zu 3.000 t/a CO2 einsparen können“, erklärt Projektleiter Stefan Hagedorn. „Das Schließen von Wasserkreisläufen ist ein zentraler Aspekt unserer Nachhaltigkeitsstrategie. So senken wir Verbräuche – und müssen weniger Wasser fördern.“