„Die Transformation ist eine Riesenchance!“
11.09.2024 - Auf dem Weg in eine klimaneutrale Produktion setzt Currenta auf erreichbare Zwischenziele. Interview mit Hans Gennen, COO, Currenta
Currenta ist Dienstleistungsunternehmen und Betreiber des Chempark, eines der größten zusammenhängenden Chemiepark Areale Europas. Damit ist Currenta in einer entscheidenden Rolle für die Transformation von über 70 Unternehmen an den Standorten Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen. Gegenüber CHEManager erklärt Hans Gennen, Chief Operating Officer (COO), wie sein Unternehmen in die Zukunft startet.
CHEManager: Herr Gennen, ertappen Sie sich manchmal bei dem Gedanken, dass die Transformation dreier großer Verbundstandorte im Rheinland in der aktuellen Zeit eine Nummer zu groß ist?
Hans Gennen: Nein, das tue ich wirklich nicht. Natürlich bin ich mir bewusst, dass wir morgen damit nicht fertig sein werden. Und klar ist auch, dass wir hier über eine Jahrhundertherausforderung sprechen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns mit unseren Kunden kleine und erreichbare Zwischenziele auf dem Weg in eine klimaneutrale industrielle Produktion setzen. Und genau das machen wir mit unserer Roadmap für den nachhaltigen Chemiepark der Zukunft.
Wie groß ist der Hebel bei Ihrem Unternehmen?
H. Gennen: Unsere Standorte machen gut ein Prozent des gesamtdeutschen Energieverbrauchs aus. Das verdeutlicht nicht nur, dass wir einen Unterschied machen können, sondern dass wir auch eine Verantwortung der Gesellschaft gegenüber haben.
Transformation braucht Investitionen, die Konjunktur stottert allerdings gerade. Macht Ihnen das Sorgen?
H. Gennen: Es ist richtig, dass strukturelle Veränderungen durch eine gute konjunkturelle Lage begünstigt werden. Aber wir müssen mit der wirtschaftlichen Ausgangssituation arbeiten, die wir vorfinden und das Beste daraus machen. Und es gibt ja durchaus Lichtblicke, so hören wir zum Beispiel von einigen Kunden, dass die Nachfrage allmählich wieder anzieht. Die ersten Berichte von Quartal 2 in 2024 zeigen diese anziehende Konjunktur bereits.
Lassen Sie uns auf den wichtigsten Teil der Transformation für Sie als Versorger Ihrer Kunden schauen. Hier macht Ihnen die Volatilität des Energiemarkts vermutlich schwer zu schaffen – oder?
H. Gennen: Beim Thema Strom sind wir für unsere Kunden nur mittelbarer Möglichmacher. Bedeutet: Wir bauen selbst keine Wind- oder Solaranlagen im industriellen Maßstab, können unseren Kunden aber Grünstrom über sogenannte Power Purchase Agreements liefern – einen entsprechenden Vertrag haben wir jüngst mit Bayer geschlossen. Wir liefern bis zum Jahr 2029 genug Strom aus deutschen Wind- und Solarparks, um den gesamten Bezug von Bayer in Leverkusen, Dormagen und Monheim grün zu stellen. Parallel ist es wichtig, dass die Verfügbarkeit von Strom aus regenerativen Quellen weiter steigt. Zugleich müssen wir allerdings verhindern, dass Stromnetzentgelte und weitere Systemkosten kontinuierlich steigen, was wir leider derzeit beobachten.
Wo setzen Sie außerdem an?
H. Gennen: Unser wichtigstes Produkt ist Dampf – sprich: Prozesswärme für die Produktion. Deshalb liegt unser Fokus darauf, unseren Kunden möglichst schnell grünen Dampf zu bezahlbaren Preisen anbieten zu können. Bis 2030 steigen wir hierfür unter anderem aus der Kohle bei der Dampfproduktion aus. Bei niedrigeren Temperaturniveaus schließen wir mit Hilfe von industriellen Wärmepumpen Kreisläufe und machen Abwärme wieder nutzbar. Langfristig werden wir bei den höheren Temperaturniveaus sicher auch auf die Verbrennung von Wasserstoff setzen.
Und kurzfristig?
H. Gennen: Kurzfristig ist Wasserstoff zur Dampfproduktion für uns zu teuer. Deshalb setzen wir auf einen Ausbau unserer Gaskapazitäten verbunden mit einem Einstieg in Carbon Capture Technologien. Durch die regionale Nähe zu den Häfen in den Niederlanden und Belgien sind wir in einer guten Ausgangslage für gemeinsame Projekte zur Einlagerung in der Nordsee. Dadurch würden wir trotz des Einsatzes von Gas eine klimaneutrale Versorgung mit Dampf bei bis zu 300 °C schaffen. Das wäre ein Riesenschritt.
Klingt einfacher als es ist – oder?
H. Gennen: Wir sprechen in Deutschland ja häufig über Technologieoffenheit. Wenn wir diesen Begriff wirklich ernst nehmen, kann die CCS-Diskussion (CCS = Carbon Capture and Storage, Anm. d. Red.) ein ganzes Stück unideologischer werden. Und genau das brauchen wir. Hier wird kein Endlager auf dem Grund der Nordsee geschaffen – ein Blick beispielsweise nach Norwegen, wo diese Technologie bereits seit Jahren erfolgreich eingesetzt wird, genügt. Wir brauchen einen robusten gesetzlichen Rahmen für ein aktives Carbonmanagement, um hier endlich Meter machen zu können. Parallel dazu bleibt aber auch die Elektrifizierung ein wichtiger Baustein unserer Strategie. So investieren wir heute schon in neue Elektrodenkessel, die durch ihre schnelle und flexible Fahrweise in Echtzeit auf Überangebote im Strommarkt reagieren und das Netz stabilisieren können. Zwei Elektrodenkessel sind bereits in Betrieb, ein weiterer wird gerade gebaut und zwei weitere befinden sich in der Planung.
Wie stemmen Sie diese Investitionen?
H. Gennen: Dort, wo wir das können, aus eigener Kraft bzw. mit unserem Eigentümer Macquarie, die uns als einer der größten Infrastrukturinvestoren konstant den Rücken bei diesen Themen stärken. Zudem betreiben wir Verbundstandorte und sind durch den Stoffverbund mit all unseren Kunden eng verbunden. Das bedeutet: Wir planen und investieren immer mit dem gesamten Verbund vor Augen und sind uns sehr bewusst, dass wir unsere Standorte mit einem reinen Currenta-Effort nicht klimaneutral bekommen werden. Alle Unternehmen müssen mitziehen – und das tun sie auch.
Braucht die Transformation daneben nicht auch Neuansiedlungen?
H. Gennen: Mit neuen Technologien kommen auch neue Kunden und Dienstleister, ganz klar. Deshalb sind wir sehr daran interessiert, neue Unternehmen für unsere Standorte zu gewinnen. Und wir hoffen, dass wir gerade in den Bereichen, die für uns besonders wertvoll sind – sprich: Kreislaufwirtschaft und chemisches Recycling – in naher Zukunft erste Erfolge vermelden können.
„Um einen Chemiepark zu transformieren, braucht es eine Formel."