Hochschule Merseburg startet Studiengang Kunststofftechnik
Enge Zusammenarbeit mit Industrie – Geld für Stiftungsprofessuren fehlt
An der Hochschule Merseburg (FH) herrscht in diesen Tagen ein Vorstartzustand. Am 1. Oktober beginnt dort der Bachelor-Studiengang Kunststofftechnik. „Bisher haben sich 14 Studentinnen und Studenten dafür eingeschrieben", berichtet der Prorektor der Hochschule, Professor Dr. Jörg Kirbs.
Der Wissenschaftler hätte zwar gern einige Namen mehr auf der Einschreibungsliste gesehen. Aber er weiß, ein neuer Studiengang braucht Zeit, um sich zu etablieren. Als das Diplom-Studium Mechatronik eingerichtet wurde, gab es anfangs ähnlich niedrige Teilnehmerzahlen, erinnert er sich. „Heute haben wir dort über 100 angehende Mechatronikerinnen und Mechatroniker", zeigt sich Kirbs optimistisch über das Entwicklungspotenzial des jüngsten Studiengangs.
Die Zuversicht des Wissenschaftlers ist berechtigt. Denn mit dem neuen Fach reagiert die Hochschule auf den Bedarf der Kunststoffindustrie in Mitteldeutschland. Entstanden ist der Wunsch nach diesem neuen Studiengang vor drei Jahren im Cluster Chemie/Kunststoff Mitteldeutschland, in dem rund die Hälfte der 800 Chemie- und Kunststoffbetriebe in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg zusammenarbeiten. Untermauert wurde dieser Wunsch zudem von einer wissenschaftlichen Studie. Bei der im Jahr 2009 von der Hochschule Merseburg gemeinsam mit dem Kunststoffkompetenzzentrum Halle-Merseburg (KKZ) und dem Zentrum für Sozialforschung Halle durchgeführten Befragung von 100 mitteldeutschen Unternehmen der Branche sprach sich knapp die Hälfte der Firmen für die Errichtung eines Studienganges Kunststofftechnik aus. Geschlossen werden sollte damit die Lücke zwischen dem zunehmenden Bedarf an Spezialisten der kunststoffverarbeitenden Industrie einerseits und den fehlenden Ausbildungsangeboten andererseits.
In ganz Mitteldeutschland habe es damals neben einem ähnlichen, aber nicht vergleichbaren Angebot an der Fachhochschule Schmalkalden, keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit für die Branche gegeben, erinnert sich Kirbs. Eigenständige Studiengänge Kunststofftechnik wie in Merseburg werden sonst nur an den Fachhochschulen Aalen, Darmstadt und Braunschweig angeboten. In der Kombination mit anderen Fachrichtungen, wie Maschinenbau zum Beispiel, ist er häufiger anzutreffen.
Zu den Inhalten des neuen Studienganges gehören laut Kirbs die allgemeinen Grundlagenfächer Mathematik, Informatik, Physik und Chemie. Daneben werden ingenieurwissenschaftliche Grundlagen wie Technische Mechanik, Elektrotechnik, Werkstofftechnik, Konstruktionstechnik vermittelt. Angeboten werden vor allem kunststoffspezifische Lehrinhalte. Dazu gehören Polymerphysik, Polymerwerkstoffe, Kunststofftechnologie, Kunststoffverarbeitung, Elastomertechnik und Kunststoffprüfung. Ergänzt werden sie durch betriebswirtschaftliche Lehrinhalte, wie Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre und Qualitäts- und Projektmanagement.
Im Rahmen des sachsen-anhaltischen Kompetenz-Netzwerks der Hochschulen für angewandte und transferorientierte Forschung (KAT), dessen Sprecher Kirbs ist, wird in Merseburg der Schwerpunkt Chemie/Kunststoffe verfolgt. „Der neue Studiengang passt deshalb hervorragend auch in das Forschungsprofil unserer Hochschule", hebt der Wissenschaftler hervor.
Bei den Bemühungen um den Nachwuchs der mitteldeutschen Kunststoffbranche werden die Wissenschaftler von Unternehmen der Region kräftig unterstützt. Mit Großbetrieben, wie mit der Dow Olefinverbund, der Total Raffinerie Mitteldeutschland, der InfraLeuna oder der Mitteldeutschen Braunkohlen AG Mibrag seien sie durch vielfältige Projekte verbunden. Aber auch mit vielen kleinen und mittleren Firmen wie der Mol Katalysatortechnik in Merseburg, der Sonotec in Halle, RP Compounds in Schkopau oder der Domo Caproleuna in Leuna werde gut zusammen geforscht und entwickelt.
Soviel Zuspruch der neue Studiengang aus der regionalen Wirtschaft auch erfährt, wünscht sich Kirbs vor allem von kleinen und mittleren Firmen doch etwas mehr finanzielle Hilfe. „Für uns ist die Einführung des neuen Faches ein großer zusätzlicher Kraftakt. Wir benötigen deshalb unbedingt zwei Stiftungs-Professuren", sagt Kirbs. Er hat viel Verständnis für kleine Firmen, denen die finanzielle Kraft für ein großzügigeres Engagement fehlt. „Aber auch kleinere Beträge sind in der Summe hilfreich", appelliert er an die Branche, die in drei Jahren die ersten Ingenieure für Kunststofftechnik aus Merseburg erwarten kann.
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