Grün, smart und digital
Digitale Zwillinge als technologisches Konzept für Nachhaltigkeitsdaten
Mit dem bevorstehenden Umbau zu grünen Technologien in der Prozessindustrie werden in den nächsten Jahren erhebliche Investitionen notwendig. Damit das Geld gut angelegt ist, müssen grün, smart und digital dringend zusammen gedacht werden. Das bedeutet, durchgängige Datenkreisläufe von der Materialherkunft bis zum Recycling zu schaffen. Bisher sind die Welten getrennt. Das gilt nicht nur für Entwicklung, Produktion oder Warenwirtschaft, sondern auch für die Übergänge zwischen Hersteller und Betreiber: Ein Beispiel dafür ist der Bereich der Rotating Equipments.
Die Betreiber haben erkannt, dass sie einerseits aufgrund hoher Energiekosten, andererseits wegen neuer Auflagen bei der CO2-Einsparung die größten Verursacher in ihren Prozessen identifizieren müssen. Dabei steht Rotating Equipment wie Pumpen und Ventilatoren ganz weit oben auf der Agenda, das jetzt perspektivisch einem Retrofit mit Sensorik unterzogen wird. Steve Schofield vom Verband europäischer Pumpenhersteller Europumps kommt zu dem Schluss, dass auf Pumpensysteme etwa ein Fünftel des weltweiten Strombedarfs entfällt. Das macht die Pumpen in der Industrie innerhalb der EU zum größten Einzelverbraucher. Mit einem Stromverbrauch von über 300 TWh pro Jahr stehen sie für über 65 Mio t CO2-Emissionen. Ganz entscheidend ist dabei, dass die rotodynamischen Pumpen, die etwa 80 % der installierten Basis ausmachen, in der Regel zwischen 20 und 30 % überdimensioniert sind.
Udo Ramin, Cosmo Consult Group
„Beim digitalen Produktpass geht es um die Kommunikation zwischen Herstellern, Betreibern, Instandhaltern und Recyclingunternehmen.“
Produktinformationen oft nur auf Papier
Die Pumpenhersteller sind jedoch oft von der Lieferkette abgeschnitten, sie liefern an Maschinen- und Anlagenbauer und haben meist keine Verbindung zum Endkunden. Einen Austausch gibt es bestenfalls, wenn Reparaturen oder ein Ersatz anstehen – auch die Instandhaltung ist bei den Daten derzeit meist außen vor. Die digitalen Brüche im Lebenszyklus des Produkts sind kontraproduktiv. So wird zwar im Engineering der Hersteller mit digitalen Werkzeugen gearbeitet, doch die digitalen Informationen zu den Ausrüstungen sind im Feld oft nur auf dem Papier vorhanden. Beim Digitalisieren von Brownfield-Umgebungen erarbeitet sich jeder Betreiber seine eigene digitale Informationswelt.
Die EU will mit ihrer Gesetzgebung zur Nachhaltigkeit auf einen durchgängigen Informationskreislauf über den Produktlebenszyklus hinaus. Konkret geht es beim digitalen Produktpass um eine bessere Kommunikation zwischen Herstellern, Betreibern, Instandhaltern und Recyclingunternehmen. Für eine erfolgreiche Umsetzung bietet sich an, sämtliche Daten aus dem Lebenszyklus von Ausrüstung, aber auch Maschinen und Anlagen, von Beginn an in einem digitalen Zwilling zu sammeln.
Die Ausrüster sollten den digitalen Zwilling starten
Die Kette beginnt mit dem Ausrüstungshersteller, der als erstes ein digitales Datenmodell befüllt und damit alle Informationen aus seinen ohnehin vorhandenen Datenblättern und von Erstabnahmen auf dem Prüfstand digital übergibt. Wichtig wäre natürlich, konzeptionell die passende Sensorik mitzuliefern, damit der digitale Zwilling in der Betriebsphase mit aktuellen IoT-Daten angereichert werden kann. Sie legen zugleich die Grundlage für Data Analytics rund um Energieoptimierung, Problemerkennung oder Predictive Maintenance.
Die Erfassung der Informationen im DT-Datenmodell kann durch einfache Apps automatisiert werden. DT basieren meist auf Modellgrafen als Datenmodell. Unternehmen sollten dabei auf eine der großen Cloud-Plattformen setzen. Microsoft Azure etwa stellt als Industrieplattform bereits Cloud-Lösungen bereit, mit denen sich die Erstellung und Verwaltung von Digital Twins stark vereinfacht. Mit dem Azure Digital Twin ist der DT als Cloud-Service verfügbar und kann analog zur Verwaltungsschale der Digital Twins genutzt werden, wie sie von der Plattform Industrie 4.0 definiert wurde. Die bereits erfassten Daten genügen damit den künftigen Anforderungen der Datenbereitstellung innerhalb einer Wertschöpfungskette. Unternehmen, die frühzeitig auf den DT setzen, gehen kein Risiko ein, sondern platzieren sich in ihrem Markt vorn.
Michael Hering, Cosmo Consult Group
„Unternehmen, die frühzeitig auf den digitalen Zwilling setzen, platzieren sich in ihrem Markt ganz vorn.“
Digital Twin als Service
Auf der Basis vorhandener Konnektoren bindet der DT-Service notwendigen Systeme und die Sensorik für Life-Cycle-Daten ein. So fließen etwa 3D-Konstruktionsmodelle aus CAD-Umgebungen ein. Die Beschreibung eines beliebigen physischen Objekts erfolgt über die DT Definition Language, mit der digitale Abbilder von physischen Umgebungen wie Ausrüstung, Anlagen, Maschinen, Gebäuden und anderen Entitäten ins Leben gerufen werden. Aus dem Modellgraf können unterschiedliche DT erzeugt und bspw. für die Visualisierung oder Simulierung von Produktionsprozessen zusammengefügt oder für die Erstellung von Kunden-Apps werden.
Für die Praxis bedeutet das am Beispiel Rotating Equipment: Bei einem Betreiber laufen derzeit hunderte oder tausende Pumpen, darunter ein reges Sortiment von Altpumpen, die monitort und gegebenenfalls in Zukunft ersetzt werden könnten. Der Druck der EU hin zur Nachhaltigkeit, zu Energie-Labels und im nächsten Schritt zu digitalen Produktpässen erfordert jedoch ein besseres digitales Zusammenspiel. Vor allem muss der Abgleich zwischen konkretem Einsatzszenario und der benötigten Auslegung und Dimensionierung deutlich besser werden. Künftig sollte etwa ein digitaler Variantenkonfigurator als App den Kunden dabei helfen, auf Grundlage des Einsatzzweckes die richtige Pumpe zu konfigurieren.
Autoren: Udo Ramin, Director of Competence Center Industry 4.0 & IoT und Michael Hering, Industry Manager Discrete, Cosmo Consult Group
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