Forscher mit dem „Bayer Early Excellence in Science Award“ ausgezeichnet
11.07.2019 -
Die neuen Preisträgerinnen und Preisträger des „Bayer Early Excellence in Science Award“ stehen fest: Ein unabhängiger Expertenrat der Bayer-Stiftung für „Wissenschaft & Bildung“ hat die mit jeweils 10.000 Euro dotierten Auszeichnungen vergeben. Mit dem internationalen „Bayer Early Excellence in Science Award“ zeichnet die Bayer-Stiftung seit zehn Jahren den wissenschaftlichen und medizinischen Nachwuchs in der frühen Phase ihrer akademischen bzw. klinischen Forschungslaufbahn aus. Die Preisverleihung findet am 28. Oktober im Rahmen des Bayer-Stiftungstages in Leverkusen statt.
„Für das Life-Science-Unternehmen spielen Spitzenleistungen in der Forschung und Wissenschaft eine zentrale Rolle. Ich freue mich sehr, dass wir mit diesen Auszeichnungen eine Möglichkeit haben, herausragende Talente in den Bio- und Medizinwissenschaften zu fördern und zu motivieren“, sagt Kemal Malik, für Innovation verantwortliches Vorstandsmitglied und Vorstand der Stiftung. „Bayer setzt in seiner Innovationsstrategie schon lange auf den intensiven Austausch mit Hochschulen und Universitäten. Die gezielte Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist dabei ein wichtiger Baustein, denn dieser frühe Dialog bereitet den Weg für strategische Partnerschaften – und diese sind unabdingbar für eine erfolgreiche angewandte Forschung“, so Malik weiter.
Der internationale Preis wird bereits seit 2009 jährlich vergeben. Die Preisvergabe in den drei Kategorien Biologie, Chemie und Medizin erfolgt aufgrund der Originalität und Qualität der von den Kandidaten geleisteten Forschungsarbeiten sowie der Bedeutung der Ergebnisse im jeweiligen Fach.
Entdeckung eines neuen DNA-Reparaturmechanismus
Als Träger unserer Erbinformation ist die DNA ständig Gefahren ausgesetzt, die unterschiedlichste Ursachen haben können. Werden diese DNA-Schäden nicht korrigiert, kann es zur vorzeitigen Alterung und Krebsentstehung kommen. Um diese Angriffe auf die Genomintegrität erkennen und beheben zu können, nutzen unsere Zellen ausgefeilte Reparaturmechanismen.
Experte auf diesem Gebiet ist Julian Stingele, der 2015 an der LMU mit der Note „summa cum laude“ promovierte und im Team von Stefan Jentsch am Max-Planck-Institut für Biochemie arbeitete. Gefördert durch ein EMBO-Langzeitstipendium ging er anschließend an das Francis-Crick-Institut in London, wo er mit Simon Boulton zusammenarbeitete. 2017 begann er dann seine Tenure-Track-Professur am Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Forschungsarbeiten werden durch einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) und einen Förderpreis der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung unterstützt.
Stingele hat einen völlig unerwarteten Mechanismus der DNA-Reparatur entdeckt, der in Organismen von der Hefe bis zum Menschen vorliegt und von entscheidender Bedeutung für die Vermeidung des Alterns und der Tumorgenese ist. Dieser neue Reparaturmechanismus zerstört hochtoxische kovalente DNA-Protein-Verbindungen und ist für die Lebensfähigkeit unserer Zellen unabdingbar. Diese Erkenntnis hat eine weitreichende Bedeutung für das Verstehen der Krebsentstehung, weil sich daraus schließen lässt, dass die DNA-Protein-Verbindungen die endogene Genominstabilität wesentlich fördern. In dem von ihm geleiteten Labor konzentriert sich Stingele jetzt auf die Identifizierung der zellulären Prozesse, die der Bildung von DNA-Protein-Verbindungen zugrunde liegen. Dazu verfolgt er eine sehr interdisziplinäre Strategie, die verschiedene Ansätze aus der Biochemie und Gentechnik wie auch die Verwendung von Funktionsassays in menschlichen Zellen und fortschrittlichen Bildgebungsverfahren umfasst.
Erweiterung des medikamentös behandelbaren Anteils des menschlichen Proteoms durch Verständnis der Wechselwirkungen zwischen kleinen Molekülen und Proteinen
Die letzte Ebene der biologischen Regulierung wird von einem komplexen Netz aus molekularen Signalen gebildet, die über chemische Modifikationen von Proteinen weitergegeben werden und Einfluss darauf haben, wie diese Proteine miteinander reagieren und funktionieren. Um den über die chemischen Modifikationen vermittelten Code entschlüsseln zu können, sind neue Innovationen erforderlich, mit denen chemische Modifikationen erkannt und die Folgen ihrer regulierenden Wirkung systematisch verfolgt werden. Aus diesen Codes lassen sich neue Ansätze für die Arzneimittelentwicklung ableiten – Ansätze zur Steuerung lebender Systeme und Strategien für die Entwicklung sowohl von Biomarkern als auch gezielten Therapien und für die Eindämmung von Toxizitäten gegenüber Nicht-Ziel-Strukturen.
Christina M. Woo ist Assistant Professor am Fachbereich Chemie und chemische Biologie der Harvard-Universität sowie externes Mitglied des Broad-Instituts. Ihren B.A. in Chemie erhielt sie 2008 am Wellesley College, wo sie als Studentin im Labor von Carrico-Moniz Forschungsarbeiten nachging. Ihren Doktortitel (Ph.D.) erwarb sie 2013 an der Yale-Universität, wo sie betreut von Seth B. Herzon als NSF Predoctoral Fellow im Bereich der synthetischen und chemischen Biologie Diazofluoren-Antitumor-Antibiotika untersuchte. Im selben Jahr wechselte sie als Jane Coffins Child Postdoctoral Fellow in das Labor von Carolyn R. Bertozzi an der Universität von Kalifornien in Berkeley und setzte ihre Arbeiten dann ab 2015 als Burroughs Wellcome Fund Postdoctoral Fellow an der Stanford-Universität fort. Dort entwickelte sie eine masseunabhängige Plattform für die chemische Glykoproteomik, mit der sich nicht matrizenbestimmte posttranslationale Modifikationen identifizieren lassen. Seit 2016 gehört Woo dem Lehrkörper der Harvard-Universität an. Ihre unabhängige Forschung befasst sich mit dem Einfluss kleiner Moleküle auf die Proteinfunktion und biologische Signalvermittlung, den sie mittels groß angelegter Ansätze aus der chemischen Biologie untersucht. Ausgezeichnet wurden Woos Forschungsarbeiten bisher durch die Sloan Research Foundation, mit dem Young Chemical Biologist Award der International Chemical Biology Society, dem DP1 Avenir Award der National Institutes of Health und dem Breakthrough Science Award der Ono Pharma Foundation.
Entschlüsselung der Pathophysiologie der zerebralen Mikroangiopathien
Unter dem Begriff der zerebralen Mikroangiopathien werden Veränderungen der kleinen Blutgefäße im Gehirn zusammengefasst, die bei den davon betroffenen älteren Menschen zu ischämischen oder hämorrhagischen Läsionen sowie zu kognitiven Beeinträchtigungen führen können. Da nur eine Teilmenge dieser Gefäßverletzungen mit bildgebenden Verfahren erfasst wird, ist die Abfolge der Ereignisse, die zur Bildung von Infarkten und Blutungen führen, bisher nicht im Detail bekannt.
Mit ihrer Forschung will Susanne van Veluw die bestehenden Wissenslücken durch den Einsatz modernster Bildgebungsverfahren schließen. Während ihrer Promotionszeit an der Medizinischen Fakultät in Utrecht gelang es ihr, betreut von Geert Jan Biessels und mithilfe eines 7-Tesla-MRT-Scanners, Mikroinfarkte erstmals bildgebend darzustellen. Mikroinfarkte sind ischämische Läsionen, die häufig bei der Gehirnautopsie von Personen mit zerebralen Mikroangiopathien festgestellt werden, aber im lebenden Gehirn zuvor nicht nachweisbar waren. Durch die Kombination von hochauflösender In-vivo-Bildgebung und Ex-vivo-Aufnahmen von Gehirngewebeproben konnte van Veluw diese Läsionen sehr detailliert beschreiben, Richtlinien zu deren Beurteilung postulieren und in Zusammenarbeit mit Fachleuten innerhalb und außerhalb der Niederlande die Häufigkeit und die klinische Bedeutung dieser Läsionen anhand großer Bildgebungsdatensätze nachweisen. Nach ihrer Promotion ging van Veluw nach Boston, um dort am Massachusetts General Hospital zusammen mit Steven Greenberg und Brian Bacskai ihre Arbeit an den zerebralen Mikroangiopathien und insbesondere an zerebralen Amyloidangiopathie (CAA) zu vertiefen. Dort setzt sie weiterhin die durch Ex-vivo-MRT-Aufnahmen gestützte Histopathologie ein, um die pathologischen Gefäßveränderungen aufzuklären, die Infarkten und Blutungen im Falle einer CAA zugrunde liegen. Darüber hinaus untersucht sie an lebenden transgenen Mäusen funktionale Änderungen einzelner kleiner Blutgefäße mittels Echtzeit-Zwei-Photonen-Mikroskopie. Ziel dieses multimodalen Ansatzes ist es, Zielstrukturen zu erkennen, an denen frühzeitig eingegriffen werden kann, um die Kaskade der Ereignisse, die zur Läsionsbildung und kognitiven Beeinträchtigung bei älteren Menschen führt, zu verzögern oder sogar ganz zu unterbrechen.
Der Preis wird von der Bayer-Stiftung für „Wissenschaft & Bildung“ vergeben. Die Stiftung verfolgt als vorrangige Ziele die Ehrung herausragender Forschungsleistungen, die Förderung wissenschaftlicher Talente und die Unterstützung wichtiger Schulprojekte in den Naturwissenschaften. Im inhaltlichen Fokus der Förderungsprojekte und Partnerschaften stehen die Biowissenschaften und Medizin, die für die großen medizinischen Herausforderungen der Menschheit und die Ernährungskrise von Bedeutung sind. Herausragende Forschungsleistungen honoriert die Stiftung im jährlichen Wechsel mit dem Otto-Bayer-Preis und dem Familie-Hansen-Preis, die mit jeweils 75.000 EUR dotiert sind. Zwei Preise für den wissenschaftlichen Nachwuchs vervollständigen das Programm: der jährliche internationale Bayer Early Excellence in Science Award in den Kategorien Biologie, Chemie und Medizinwissenschaften mit einem Preisgeld von je 10.000 EUR sowie der Bayer Thrombosis Research Award für Talente, die in der Thromboseforschung besondere Akzente setzen. Er wird alle zwei Jahre mit einem Preisgeld von 30.000 EUR verliehen.