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AiCuris-Team erhält Deutschen Zukunftspreis 2018

Helga Rübsamen-Schaeff und Holger Zimmermann von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ausgezeichnet

29.11.2018 -

Helga Rübsamen-Schaeff, Gründungs-CEO, und Holger Zimmermann, CEO von AiCuris sind mit dem Deutschen Zukunftspreis 2018 ausgezeichnet worden. Der Preis für Technik und Innovation  des Bundespräsidenten ist eine der angesehensten Auszeichnungen in Deutschland.

Die beiden Wissenschaftler erhielten den Preis für ihre bahnbrechenden Forschungs- und Entwicklungsleistungen auf dem Gebiet der Anti-Infektiva-Forschung. Ihr Projekt „Schutz bei fehlendem Immunsystem - die lebensrettende Innovation gegen gefährliche Viren" wurde von einer Jury unabhängiger Experten aus Wissenschaft und Industrie als eines von drei nominierten herausragenden deutschen Forschungs- und Entwicklungsprojekten ausgewählt. Rübsamen-Schaeff und Holger Zimmermann erhielten die Ehrung am gestrigen Abend vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier im Rahmen einer festlichen Veranstaltung.

Rübsamen-Schaeff und Holger Zimmermann ist es mit ihrem Team gelungen, erstmals einen Wirkstoff (Letermovir) zu identifizieren und zu entwickeln, der Patienten mit einem schwachen oder fehlenden Immunsystem effektiv vor Infektionen mit dem Humanen Cytomegalievirus (CMV) schützt. In einem neu gegründeten Unternehmen, AiCuris, entwickelten sie ein Medikament, das neue Perspektiven in der Transplantationsmedizin erschließt. Im Jahr 2012 hat AiCuris Letermovir an MSD als Vermarktungspartner lizensiert. Heute ist das Medikament zugelassen und steht weltweit Patienten zur Verfügung, die sich einer Knochenmark-Transplantation unterziehen und für die eine CMV-Infektion ein lebensbedrohliches Risiko darstellt.

„Mit diesem renommierten Preis ausgezeichnet zu werden, ist eine große Ehre für uns und einer der Höhepunkte meiner wissenschaftlichen Karriere,“ sagte Helga Rübsamen-Schaeff, Gründungs–CEO und heutige Vorsitzende wissenschaftlichen Beirats der AiCuris Anti-infective Cures. „Vor einem Jahrzehnt haben viele Pharmaunternehmen der Anti-Infektiva-Forschung den Rücken gekehrt. Dies führte zu einer stetig größer werdenden Kluft zwischen neu zugelassenen, innovativen Medikamenten und einem ständig wachsenden medizinischen Bedarf. Wir haben uns im Gegensatz dazu entschlossen, AiCuris zu gründen, um diesen medizinischen Bedarf in einer globalisierten Welt zu bedienen. Wir sind sehr stolz und glücklich, dass sich unsere Vision bezahlt gemacht hat und unser Produkt als neue Behandlungsoption, die das Leben der Patienten schützt und die Überlebensraten von Knochenmark-Transplantationspatienten maßgeblich erhöht, auf dem Markt verfügbar ist. Der Deutsche Zukunftspreis unterstreicht die Bedeutung unserer Arbeit und ihren Nutzen für die Gesellschaft. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, der Jury für die Anerkennung unserer Arbeit sowie allen, die uns auf dieser Reise unterstützt haben, zu danken. Ein besonderer Dank geht an Andreas und Thomas Strüngmann. Ihre weitsichtige Investition in unser neu gegründetes Unternehmen, ihre fortwährende Unterstützung und ihr Vertrauen in unsere Arbeit sowie ihr finanzieller Rückhalt haben die Entwicklung von Letermovir zu einem marktfähigen Produkt erst möglich gemacht. Für ein junges biopharmazeutisches Unternehmen ist dies ein außergewöhnlicher Erfolg, der es uns erlaubt, das Unternehmen weiter auszubauen.”

Das Projekt: Schutz bei fehlendem Immunsystem - die lebensrettende Innovation gegen gefährliche Viren
Für viele Patienten mit Blutkrebs ist die Transplantation von Knochenmark die letzte Hoffnung auf Heilung. Bei diesem Verfahren werden das körpereigene Knochenmark und damit auch die Krebszellen zerstört und durch das Knochenmark eines Spenders ersetzt. Damit der Körper des Patienten das fremde Knochenmark auch annimmt, wird im Vorfeld zusätzlich das Immunsystem für einige Zeit ausgeschaltet. Aufgrund der extremen Immunschwäche nach Transplantationen haben Empfänger von Stammzelltransplantationen, die Träger von CMV sind, ein extrem hohes Risiko, eine CMV-Infektion zu entwickeln, die zu Transplantatversagen mit Todesfolge führen kann.

Das innovative Medikament bietet zum allerersten Mal die Möglichkeit einer prophylaktischen Behandlung gegen CMV-Infektionen. Der darin enthaltene Wirkstoff Letermovir gehört einer neuen chemischen Klasse an und unterscheidet sich damit von allen bisher gegen CMV-Infektionen eingesetzten Substanzen. Er ist somit keine einfache Weiterentwicklung, sondern wirkt nach einem völlig neuartigen Prinzip: Er greift eine virusspezifische Struktur an, für die es im menschlichen Organismus keine Entsprechung gibt und verhindert damit die Replikation und in der Folge die Ausbreitung des Virus im Körper.

CMV ist ein weitverbreitetes Virus. Heute sind ca. 50% der Bevölkerung in den Industriestaaten CMV-seropositiv. Das bedeutet, sie sind schon einmal mit dem Virus in Berührung gekommen oder haben eine Infektion durchlaufen und tragen daher CMV-Antikörper im Blut. In den sich entwickelnden Ländern beträgt die Durchseuchung der Bevölkerung 90-100%. Personen mit einem intakten Immunsystem zeigen nach einer erstmaligen Infektion mit dem Virus selten Symptome, aber das Virus bleibt lebenslang im Körper erhalten. Bei einem geschwächten Immunsystem kann CMV sich reaktivieren und zu schweren Erkrankungen diverser Organe führen, mit Schädigung des Magen-Darm-Trakts, Lungenentzündungen oder einer Infektion der Augen (Retinitis) mit dem Risiko der Erblindung. Zwar gibt es Arzneimittel gegen CMV, doch sie haben starke Nebenwirkungen und können bei Knochenmark-Empfängern nicht zum vorbeugenden Schutz eingesetzt werden.

Ein innovatives Medikament mit großem Potenzial
Für Empfänger von Knochenmark ist Letermovir das einzige vorbeugend gegen eine CMV-Infektion wirksame Medikament. Sein Potenzial ist groß, da die Zahl der Knochenmark-Transplantationen weltweit stetig steigt. Schätzungen zufolge sind etwa 40.000 der weltweit rund 60.000 Patienten pro Jahr, die eine Knochenmark-Transplantation erhalten durch das Virus gefährdet. Weitere Anwendungen könnten folgen: etwa für AIDS-Patienten, Neugeborene, Empfänger anderer Spenderorgane und bei anderen Bedingungen, bei denen das Immunsystem geschwächt ist. Derzeit läuft eine Studie zum Einsatz bei Nierentransplantationen. AiCuris hat bis heute Vorab- und Meilensteinzahlungen in Höhe von 260 Mio. EUR erhalten. Darüber hinaus ist das Unternehmen am weltweiten Umsatz mit dem Arzneimittel beteiligt. Analysten rechnen in der Spitze mit einem weltweiten Umsatz im hohen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Das Unternehmen hat zudem eine Option auf die gemeinsame Vermarktung in einigen europäischen Ländern.

„Ich fühle mich geehrt, Teil des Teams zu sein, das aus vielen bedeutenden und wichtigen Projekten ausgewählt wurde, um diese renommierte Auszeichnung zu erhalten,“ sagte CEO Holger Zimmermann. „Für uns war dieses Projekt in vielerlei Hinsicht ein Durchbruch. Zum einen stellt der medizinische Erfolg eine Validierung unseres wissenschaftlichen Ansatzes und unserer Fähigkeit dar, innovative Therapien, die das Potenzial haben, die Behandlung von Patienten, die an Infektionskrankheiten leiden, wirklich zu verändern, erfolgreich zu erforschen und zu entwickeln. Zum anderen ist es auch ein finanzieller Erfolg, der das Unternehmen auf die nächste Entwicklungsstufe hebt. Mit insgesamt 260 Millionen Euro an Vorab- und Meilensteinzahlungen von MSD finden wir uns jetzt in einer Position, in der wir über die notwendigen Erfahrungen und die finanziellen Ressourcen verfügen, zukünftiges Wachstum durch Investitionen in die Weiterentwicklung unserer vielversprechenden Pipeline sowie die Infrastruktur des Unternehmens voranzutreiben. Ich freue mich auf die nächsten Schritte und blicke der Zukunft von AiCuris mit Zuversicht entgegen.“

Über die Gewinner: Prof. Dr. rer. nat. Helga Rübsamen-Schaeff
Rübsamen-Schaeff war seit Gründung bis 2015 CEO der AiCuris, die als Ausgliederung der Anti-Infektiva-Forschung der Bayer Healthcare im Jahr 2006 entstand. Zuvor hatte sie bei Bayer diesen Bereich als Senior Vice President geleitet. Im März 2015 legte Rübsamen-Schaeff ihre Position als CEO nieder und übernahm den Vorsitz des Wissenschaftlichen Beirats. Vor ihrer Karriere bei Bayer war sie Wissenschaftliche und Geschäftsführende Direktorin am Chemotherapeutischen Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus in Frankfurt. Die ausgebildete Chemikerin erhielt die venia legendi (Lehrberechtigung) von der Universität Frankfurt und ist seit 1988 Professorin für Biochemie. Als Sachverständig war und ist sie in diversen Ausschüssen tätig, darunter im Senat der Fraunhofer Gesellschaft, dem Hochschulrat der Universität Wien und war Mitglied der Jury des Innovationspreises des Bundespräsidenten. Derzeit ist Sie Mitglied des Gesellschafterrates der E. Merck und Vorsitzende ihrer Forschungsgesellschaft, Mitglied des Aufsichtsrats der Merck KGaA sowie des Wissenschaftlichen Gremiums des EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont 2020“. Sie ist ebenfalls Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Dr. rer. nat. Holger Zimmermann
Bevor Zimmermann 2015 zum CEO von AiCuris ernannt wurde, war er zwei Jahre als Geschäftsführer und stellvertretender CEO und sechs Jahre als Chief Scientific Officer für das Unternehmen tätig. Er war Teil des Spin-Outs, aus dem das Unternehmen 2006 hervorging. Als CSO leitete Zimmermann die Virologie-Abteilung und war als Projektleiter für das HCMV-Portfolio verantwortlich, das 2012 an MSD lizenziert wurde. Zuvor war er bei der Bayer HealthCare beschäftigt, zuletzt als Labor- und Projektleiter in der Virologie. Er promovierte in Biologie an der Universität Köln und arbeitete sieben Jahre lang in verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen, davon drei Jahre am Institut für Molekular- und Zellbiologie (IMCB) der Nationalen Universität Singapur. Zimmermann ist Autor/Co-Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und auf mehr als 25 Patentanmeldungen als Erfinder aufgeführt. Er ist Mitglied nationaler und internationaler wissenschaftlicher Gesellschaften sowie verschiedener Beiräte wie z.B. der „International Society on Antiviral Research“ und der Deutschen Gesellschaft für Virologie (GfV) – Kommission für Antivirale Therapie. Er ist darüber hinaus auch im Vorstand von BioDeutschland.

Über den Deutschen Zukunftspreis
Der Deutsche Zukunftspreis wird seit 1997 jährlich vergeben und würdigt Projekte, die ausgehend von exzellenter Forschung zu anwendungs- und damit marktreifen Produkten führen und Arbeitsplätze schaffen. Der mit 250.000 EUR dotierte Preis zeichnet wissenschaftliche Innovationen und Ideen aus, aus denen wirtschaftliche Erfolge wurden und die das Potential haben, Leben zu beeinflussen, zu erleichtern, zu verbessern und manchmal auch, es zu erhalten.

Er ist Ausdruck der Anerkennung für Geleistetes und eine Investition in die Kreativität, den Mut und die Beharrlichkeit von Forscherinnen und Forschern – Eigenschaften, die unerlässlich sind, wenn es darum geht, auch künftig wissenschaftliches Neuland zu erobern und Antworten auf die drängenden Fragen von heute und morgen zu finden.