Die Vision einer klimaneutralen Welt wird zu einer schwierigeren Mission
Erfolgreiche Realisierung von Visionen findet man dort, wo es gelingt, win-win Situationen zu verwirklichen.
Der Wähler hat entschieden, es gibt kein zurück mehr. Aber wie das Ampel-Experiment ausgeht ist mehr als offen. Julius Caesar, der römische Staatsmann und Feldherr, soll ja in einer ähnlichen Situation gesagt haben: „iacta alea est“. Möchten Sie da mit Robert Habeck tauschen? Als Superminister für Wirtschaft und Klimaschutz sieht er sich nun in der Regierungsverantwortung dem Spagat von Realitäten und grünen Visionen ausgesetzt. Und damit nicht genug, muss er doch seiner Parteibasis erklären, wie es sein kann, dass die Taxonomie des Europaparlaments nicht nur Investitionen in Gaskraftwerke, sondern auch in die Atomkraft als nachhaltig klassifiziert.
Hier zeigt sich wieder einmal die Problematik deutscher Alleingänge und von Visionen. Diese können eben erst dann sinnvoll als Ziel formuliert werden, wenn auch der Weg dorthin beschrieben und beschreitbar ist. Und auch die Auswirkungen im Positiven wie Negativen klar sind.
Was nicht einfacher wird, wenn man berücksichtigt, dass sich auf der Zeitachse so manche Rahmenbedingung verändern kann. Leider müssen wir dies, während ich diese Kolumne schreibe, dramatisch mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Osten Europas erleben. Mit seinen Auswirkungen auf Frieden und Freiheit, aber eben auch auf die globalen Energiemärkte, und damit auf die Verfügbarkeit bezahlbarer Energieversorgung für unser Land, wird schmerzhaft deutlich, was Abhängigkeiten auf der einen Seite und politisch verhinderte Übergangsalternativen anderseits auf dem Weg zur Klimaneutralität bedeuten können. So wird die Vision einer klimaneutralen, freien und friedlichen Welt angesichts autokratischer Machthaber sehr schnell zu einer noch schwierigeren Mission.
Erfolgreiche Realisierung von Visionen findet man immer dort, wo es gelingt, echte Win-Win-Situationen aller Beteiligten zu verwirklichen. In der Welt der Chemie z. B. mit der Chemiepark-Vision: gleichbedeutend mit der Transformation von Mono-User-Standorten hin zu den MultiUser-Parks. Infolge der Strukturveränderungen großer Chemiekonzerne wurde mit dem Standortbetrieb und den offenen Strukturen ein neuer Wirtschaftsraum geschaffen, in dem spezialisierte Standortbetreiber die erforderlichen Infrastrukturen als Dienstleistung für die sich auf ihr Kerngeschäft fokussierenden Unternehmen bereitstellen. Die anfängliche Beherrschung der Standorte durch die früheren Firmen befindet sich auf dem Weg hin zu unabhängigen best-owner-Strukturen. So werden Interessenskonflikte, die sich z. B. aus Abhängigkeiten, in der die Besitzer gleichzeitig größter Kunde sind, aufgelöst. Prominentes Beispiel sind die ehemaligen Bayer/Lanxess-Standorte in NRW, die Chemparks.
Auch der VAIS hat für seine Mitglieder und die sie repräsentierenden Branchen einen Weg in die Zukunft vorgestellt: die Vision Industrieservice und Anlagentechnik. Ein neues Zeitalter, geprägt von Digitalisierung und Industrie 4.0, hat längst unsere Branchen erreicht. Wer bei dieser Transformation nicht auf der Strecke bleiben will, muss angesichts neuer Konkurrenz durch Hyperscaler vom Typus Amazon, die tiefer in die operativen Wertschöpfungsketten eindringen, seine Produkte neu denken und sich neue digitale Ökosysteme schaffen. Sonst droht die Schnittstelle zum Kunden verloren zu gehen und man wird schnell zum „fünften Rad am Wagen“.
Dabei werden vier Visionsszenarien angenommen, abhängig von der Antwort auf die Frage, wer der zukünftige Orchestrator des neuen Ökosystems sein wird, also die Datenhoheit besitzt: die OEMs, die Serviceunternehmen, die Datenspezialisten oder alle Beteiligte über offene Systeme. Betrachtet und bewertet werden diese vier Szenarien auf Basis von Objekt- und Daten-Lifecycle. Sie beschreiben den Weg von der Zielvision hin zur Umsetzung, in Abhängigkeit der Marktkonstellationen, Produkt, Branche sowie der Größe der jeweiligen Kunden und geben Handlungsempfehlungen. Dabei kommt dem Gedanken der Netzwerkpartnerschaften eine zentrale Bedeutung zu.
Die aktive Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen im Bereich Digitalisierung ist die wichtigste Maßnahme der nächsten Jahre, um eine gute Positionierung im Daten- und Objektcycle sicherzustellen. Durch und mittels der Digitalisierung ergeben sich neue Geschäftsmöglichkeiten und die Chance, eine aktive und tragenden Rolle bei der Umsetzung der großen, globalen Herausforderungen zu spielen (weitere Infos dazu über die Geschäftstelle des Verbands).
Wer also Visionen hat, muss noch lange nicht zum Arzt, wie Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt seinerzeit spottete. Aber er muss einen gangbaren und die Realitäten beachtenden Weg beschreiben, so dass die Ziele erreicht und aus der Vision auch eine Realität werden kann. Aber Vorsicht, auch Autokraten haben Visionen!
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