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Wunschdenken statt Pragmatismus

Verbandsvorstand Lothar Meier sieht in Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen Aufruf zu mehr technischem Fortschritt

08.06.2021 - Deutsche Industriepolitik löst beim Verband für Anlagentechnik und Industrieservice Kopfschütteln und Sorgenfalten aus

Geht es Ihnen auch so? Immer öfter habe ich das Gefühl, im falschen Film zu sitzen. Ob bei der morgendlichen Zeitungslektüre oder den Abendnachrichten, immer stärker führen bei mir die Irrationalitäten der deutschen Industriepolitik zu Kopfschütteln und Sorgenfalten.

Natürlich sind wir im Wahlkampf. Allerdings hätte man die Hoffnung haben können, dass angesichts der Erfahrungen und den Folgen der noch nicht ausgestandenen Coronapandemie mehr Vernunft und nachhaltiges Planen und Handeln möglich wäre. So aber überbieten sich Regierungsparteien wie Opposition darin, Wunschprogramme als machbare, bezahlbare und mit beliebiger Geschwindigkeit erreichbare Realitäten von Morgen darzustellen.

Kaum haben wir das Thema Resilienz als wichtige Aufgabe für die auf internationale Wettbewerbsfähigkeit angewiesene deutsche Wirtschaft erkannt, schon wird im politischen Überbietungsstreit kräftig daran gerüttelt.

Wie ein Damoklesschwert hängt das Lieferkettengesetz über den Unternehmen. Ein Unterfangen, das manche gerne noch weiter verschärfen würden. Damit wir uns recht verstehen, die Einhaltung von Menschenrechten und die Vermeidung von Kinderarbeit ist alternativlos. Es ist aber die Frage erlaubt, wie ein mittelständiges Unternehmen dafür in seiner globalen Lieferkette die Haftung übernehmen kann?

Besonders brisant sind die Reaktionen auf das gerade ergangene Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. So fordert das Urteil mit Blick auf einen gerechten Generationenvertrag Maßnahmen für die weitere Emissionsreduktion ab 2031. Soweit, so gut. Anstatt jedoch zuerst zu klären, wie dies technisch und finanziell erreicht werden soll, bleibt es im aktuellen Entwurf zur Novelle des KSG im Wesentlichen bei der Ankündigung langfristiger CO2-Reduktionen mit höheren Energie- und CO2-Preisen sowie ordnungsrechtlichen Eingriffen in selbstverständliche Freiheiten.

 

Schlechter politischer Stil

Schlimmer noch, reflexartig wurden die Fristen verkürzt, in denen die jeweilig verschärften Ziele erreicht werden sollen.

Zudem bekamen Wirtschaft und Gesellschaft nur wenige Stunden Zeit für eine Stellungnahme. Beschleunigte Verfahren sind hierzulande dringend nötig, hier geschieht dies aber ohne Not aus politischem Kalkül.

Das BVerfG hatte ausdrücklich bis Ende 2022 Zeit eingeräumt, die für konkrete Umsetzungspläne hätte genutzt werden müssen. Dieses Vorgehen, so die Beteiligung betroffener Akteure sowie eine Analyse und Abwägung der Folgen zu verhindern, ist zum schlechten politischen Stil geworden. KWK- und EEG-Novellen und die Flucht aus der Atomenergie nach Fukushima als déjà-vu. Erreicht man so gesellschaftlichen Konsens?

Wahlversprechen

Überhaupt scheint die Bedeutung einer starken Industrie für das Wohlergehen unseres Landes für die Politik nur noch ein Lippenbekenntnis zu sein. Ankündigungen in Wahlprogramm erinnern doch entweder stark an Ökosozialismus, dessen Bezahlung vage bleibt und im Zweifelsfall durch Steuererhöhungen irgendwie finanziert werden soll, oder ergehen sich in bürokratischen Mikroregulierungen.

Wunschdenken statt Pragmatismus. Vielleicht, so nähren Stellungnahmen mancher Protagonisten im Wahlkampf die Vermutung, mangelt es oft auch schlicht an Kompetenz. Die Belastungen durch die Coronapandemie sind enorm. Eine weitere Belastung der Wirtschaft ist daher nicht akzeptabel und kontraproduktiv.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft schätzt, dass die deutsche Wirtschaft Jahre braucht, um sich zu erholen und spricht von einem Schaden beim BIP von 300 Mrd. EUR. Laut KfW wird deutlich weniger ausgebildet. Dabei wissen wir doch, was Ziele erreichbar macht: Wissenschaft und Technik, Forschung und Innovationen, Bildung und Infrastruktur. Heute werden 70 % des Gesamthaushaltes für Soziales ausgegeben. Was wäre wohl erreichbar, wenn man nur einen Teil davon zusätzlich in diese Themen stecken würde? Eine deutsche Firma hat das mal auf den Punkt gebracht: Fortschritt durch Technik!

So bleibt dem Betrachter des Films nur die Hoffnung, dass das Urteil des BVerfG als das verstanden wird, was es als Chance beinhaltet: den Aufruf zu mehr technischem Fortschritt.

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