Die autonome Anlage
Der Weg zu mehr Profitabilität, Nachhaltigkeit und Demografieresilienz
In Anbetracht unserer aktuellen Abhängigkeit von Erdgas und bezahlbarer Energie sowie der Versorgungsengpässe im letzten Jahr rückt ein zentrales Thema verstärkt in den Vordergrund: Die Zukunft der deutschen Chemieindustrie hängt wesentlich von unserer Wettbewerbsfähigkeit ab. Um diese und damit auch eine Standortsicherheit zu gewährleisten, müssen wir uns mit den 4D-Megatrends – Demografie, Dekarbonisierung, Digitalisierung und Dezentralisierung – befassen und uns auf Schlüsselbereiche konzentrieren, die uns voranbringen. Dazu zählen Sicherung von Expertise, regulatorische Mindestpersonalanforderungen und die Anpassungsfähigkeit der Produktion vor dem Hintergrund des demografischen Wandels. Auch ehrgeizige Investitionen sind nötig, um unseren CO2-Fußabdruck drastisch zu verringern. Die autonome Anlage kann den Weg zu mehr Profitabilität, Nachhaltigkeit und Demografieresilienz öffnen.
Zukunftsfähig in einem dynamischen Marktumfeld
Die konsequente Höherautomatisierung der Prozessanlagen bietet eine historische Chance für die Chemieindustrie. Auf unserem Weg zur autonomen Anlage können wir uns an dem Fünf-Stufen-Modell des autonomen Fahrzeugs orientieren: angefangen bei assistiert, über teilautomatisiert, hochautomatisiert, vollautomatisiert bis hin zu autonom. Bei allen Automatisierungsstufen spielen innovative Technologien die entscheidende Rolle, indem sie menschliche Wahrnehmung, Entscheidungsfindung und Handlungen unterstützen oder ganz übernehmen. Zusätzlich dazu erfordert die Höherautomatisierung Klarheit darüber, auf welcher Ebene sie umgesetzt werden soll: geht es um Teilanlagen, vollständige Anlagen, ganze Wertschöpfungsketten oder gar um einen gesamten Standort?
Eine einheitliche Lösung wird es dabei nicht geben: Die Vielfalt von Produkten, verfahrenstechnischen Prozessen, relevanten Produktionswerttreibern und erreichten Reifegraden der Automatisierung erfordern unterschiedliche automatisierungstechnische Zielbilder. Maßgeschneiderte Implementierungspläne müssen dabei aufzeigen, welche Vorteile die einzelnen Automatisierungsschritte mit sich bringen. Eine gesteigerte Prozessstabilität bspw. senkt den Ressourcenverbrauch, steigert die Kapazität und reduziert manuelle Eingriffe bei höchstmöglicher Bediensicherheit. Darüber hinaus erlaubt die Automatisierung eine schnelle Anpassung an veränderte Produktionsanforderungen und sichert so unsere Zukunftsfähigkeit in einem zunehmend dynamischen Marktumfeld.
Digitale Lösungen und „Autonomous Readiness“
Der Weg zu vollautomatisierten Anlagen erfordert Weitsicht und Engagement von Entscheidungsträgern. Nicht alles muss neu erfunden werden, vielmehr sollten wir auf bewährte und wertschöpfende Lösungen setzen, etwa konsequentes Alarmmanagement, umfassende Instrumentierung einschließlich der Prozessanalysentechnik und effektive Basisregelung. Skalierbare Lösungen sind bei Höherautomatisierungsprojekten ebenso wichtig wie Innovationen zur Digitalisierung aller Arbeitsprozesse im Lebenszyklus der Systeme. So sollten wir bei der Optimierung von bestehenden Anlagen traditionelle Prozesse wie z.B. das Zeichnen IEC-konformer Funktionspläne oder Erstellen von Messstellenblätter stärker hinterfragen und die ohnehin eingesetzten digitalen Lösungen nutzen.
Bei der Konzeption neuer Anlagen sollten wir wiederum von Anfang an auf „Autonomous Readiness“ setzen und frühzeitig die anzuwendende Automatisierungs- und Assistenzlösungen festlegen. Diese Vorarbeit ermöglicht es, die Kosten für nachträgliche Anpassungen zu minimieren und die Effizienz durch weniger Bedienpersonal oder kompaktere Messwarten zu steigern.
Orientierung bei anstehenden Projekten bietet auch die NAMUR (Interessengemeinschaft Automatisierungstechnik der Prozessindustrie) mit ihrer Empfehlung NE 161 „Grundlagen für Remote Operation und autonomen Anlagenbetrieb“. Hier wird aufgezeigt, wie ein ferngesteuerter oder autonomer Betrieb für zahlreiche Anlagen ein erreichbares und attraktives Ziel ist. Automatisierung ist ein wichtiger Hebel zur Senkung der Produktionskosten und zur proaktiven Vorbereitung auf die 4D-Megatrends. Deshalb lautet meine dringliche Botschaft: Lasst uns entschlossen handeln und diese Chance ergreifen, um resilient den bevorstehenden Herausforderungen entgegenzutreten!
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