Chemie & Life Sciences

Deutscher Chemiehandel im Fokus

Ergebnisse 2007 zufrieden stellend / Erwartungen gesunken

06.12.2010 -

Der Chemiehandel insgesamt konnte 2007 zwar an die gute Umsatzentwicklung des Vorjahres anknüpfen, doch blieb der Mengenabsatz hinter den Erwartungen zurück. Die Branche konnte ihren Umsatz preisbedingt um ca. 10% auf gut 12 Mrd. € ausbauen. Der Zuwachs verteilt sich mit 5,4% (3.689 Mio. €) auf den lagerhaltenden Platzhandel und mit 13,3% (8.351 Mio. €) auf den Außen- und Spezialitätenhandel. In einem Gespräch mit dem Vorstand des Verband Chemiehandel erfuhr Dr. Birgit Megges Einzelheiten zum Geschäftsverlauf des vergangenen Jahres.

Zahlen und Hintergründe

Mengenabsatz und Produktportfolio des lagerhaltenden Platzhandels änderten sich in 2007 kaum. Wird das Vorjahr zu Grunde gelegt, konnten mit insgesamt 6,19 Mio. t nur 1,5% mehr Chemikalien abgesetzt werden. Das im Vergleich zu der Mengenentwicklung um 4 Prozentpunkte höhere Umsatzplus war im Wesentlichen auf Erhöhungen der Einkaufspreise zurück zu führen. Wie in den vergangenen Jahren gelang es den Unternehmen nur unzureichend, die Erhöhungen der Einkaufspreise an die Kunden weiterzureichen - fast immer gelang dies nur verzögert. In diesem Punkt wies der Verband darauf hin, dass es vor allem im Commodity-Bereich sehr schwierig ist, Preissteigerungen weiter zu geben. Zum einen ist der Wettbewerb im Vergleich zu den Spezialitäten wesentlich größer und die Weltmarktbedingungen schlagen sich stärker nieder. Zum anderen gibt es bei den Commodities oft längerfristige Abschlüsse mit den Kunden, so dass hier Preisänderungen nicht ohne weiteres durchgesetzt werden können.

Verschärfend kam in der zweiten Jahreshälfte hinzu, dass für schwefel- und phosphorabhängige Produkte extreme, nicht vorhersehbare Preissteigerungen zu verzeichnen waren. Dies führte in Verbindung mit starkem Wettbewerb zu deutlichem Ertragsdruck. Nachdem Rationalisierungs- und Konzentrationsmaßnahmen in den vergangenen Jahren weitgehend ausgeschöpft wurden, begegnen die Unternehmen diesem Druck vor allem dadurch, dass sie ihr Dienstleistungsspektrum kontinuierlich weiter ausbauen. Die Mengenentwicklung bei den Sonderprodukten zeigt, dass dies vielfach erfolgreich ist. Zunehmende Sorge bereiten der Branche Probleme bei der Verfügbarkeit von Produkten - Probleme, die zum einen durch die zunehmende Nachfrage auf den Weltmärkten (insbesondere aus Asien), zum anderen durch eine steigende Zahl von Produktionsausfällen verursacht werden. Besorgniserregend sind auch die Erhöhung der Frachtkosten und die begrenzte Verfügbarkeit von Frachtraum im internationalen Verkehr.

Während der Außen- und Spezialitätenhandel in den vergangenen Jahren seinen Auslandsumsatz stets deutlich stärker als den Umsatz im deutschen Markt steigern konnte, lagen die Zuwächse mit 12,4% (4,38 Mrd. €) bzw. 14,4% (3,97 Mrd. €) in 2007 nahe beieinander. Etwa zwei Drittel dieser Zuwächse waren mengen-, das übrige Drittel preisbedingt. Aufgrund des Mengenzuwachses, weiterer Bestrebungen zur Kostenoptimierung und gleichzeitigem Ausbau des Dienstleistungsangebotes konnte das Ertragsniveau im Vergleich zu 2006 in den meisten Unternehmen verbessert werden.

Im Recyclingbereich ist die Branche unabhängiger vom aktuellen Wirtschaftsverlauf. Die europäischen Recycler sind noch dabei, vorhandene Mengen zu verarbeiten; sie haben ihre Kapazitäten ausbauen und die Qualität der Produkte verbessern können. Es ist allerdings weiterhin Überzeugungsarbeit zu leisten, dass es in vielerlei Hinsicht sinnvoll ist, gebrauchte Lösemittel zu recyceln.

Reach

Weiterhin besorgt äußerte sich der Verbandsvorstand zur Reach-Verordnung. Das wichtigste Thema für die Handelsbranche ist dabei die Kommunikation in der Lieferkette. So muss mit Kunden und Lieferanten abgeklärt werden, wer letztendlich das Registrierungsverfahren und die anfallenden Kosten übernimmt. Ein Ansatz ist derzeit der sog." Top-Down-Approach". Dieser soll so aussehen, dass zunächst der Produzent (Registrant) intern in seinem Unternehmen Informationen zur Verwendung bzw. Exposition der Stoffe sammelt. Im Folgeschritt bereitet er sie unter Zuhilfenahme von Daten seiner „Key-Downstream-User" auf und leitet sie dann in Form eines erweiterten Sicherheitsdatenblattes an seine Kunden weiter. Diese bittet er in einem weiteren Schritt um Ergänzungen, falls andere Verwendungen oder Expositionsbedingungen dies erforderlich machen. Ein Problem ist, dass die inhaltlichen Vorgaben für diesen Informationsaustausch durch das sog. RIP 3.2 gemacht werden müssen. Da dies allerdings erst Ende März von den zuständigen Behörden verabschiedet wurde, konnte erst vor Kurzem damit begonnen werden, Kommunikationsstrukturen auf Basis der Vorgaben zu erstellen. Das wird der Chemiehandel in sehr enger Zusammenarbeit mit der chemischen Industrie tun, weil der Handel in den meisten Fällen Mittler zwischen Produzenten und Verwender ist und es keinen Sinn macht, dass eigene Strukturen aufgebaut werden.

Im Grunde sind aber die kompletten Folgen von Reach bezüglich der Organisation, der Registrierung und der Kosten nach wie vor für die Branche derzeit noch nicht absehbar. In einem Punkt sind sich aber alle einig: Es werden zukunftsträchtige innovative Produkte vom europäischen Markt verschwinden bzw. gar nicht erst entwickelt, weil die Produzenten sich die Registrierung nicht leisten wollen oder können. Und dies wird in Europa der Innovation, dem Forschergeist, der Wirtschaft und zu guter Letzt auch der Umwelt schaden und dem eigentlichen Reach-Gedanken contraire gegenüberstehen.

Herstellung von Explosivstoffen

Obwohl durch die Verbandsmitglieder in aller Regel keine Abgabe an Private erfolgt, nehmen sowohl der Verband Chemiehandel als auch dessen Mitgliedsfirmen das Risiko der missbräuchlichen Verwendung von Chemikalien zur Herstellung von Explosivstoffen sehr ernst. Schon lange vor den Ereignissen vom September letzten Jahres hat der Verband Chemiehandel daher zusammen mit anderen Verbänden intensive Gespräche mit dem Bundesinnenministerium hinsichtlich des Monitorings besonders missbrauchsverdächtiger Stoffe aufgenommen. Ein entsprechendes Monitoringsystem unter Beteiligung verschiedener Branchen und der Kriminalämter ist zwischenzeitlich in Kraft und betrifft die Abgabe von Natriumchlorat, Kaliumchlorat, Kaliumperchlorat sowie Wasserstoffperoxidlösung ab einer Konzentration von ≥ 25% sowohl an private als auch an gewerbliche Abnehmer. Der Verband Chemiehandel setzt sich gegenüber dem Ministerium mit Nachdruck dafür ein, dass dieses um die Beteiligung weiterer Wirtschaftskreise entlang der Lieferkette insbesondere in Hinblick auf die Abgabe an den privaten Abnehmer an diesem System wirbt. Darüber hinaus wenden die Mitgliedsfirmen bereits jetzt freiwillig die von Bundesumweltministerium im Entwurf vorgelegten und noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Änderungen der Abgabevorschriften der §§ 3 bzw. 4 ChemVerbotsV an. Danach werden die bisher schon für giftige und sehr giftige Stoffe geltenden Regelungen auf über die genannten Stoffe noch hinausgehende weitere insgesamt neun Stoffe ausgedehnt. So soll - auch dem Responsible Care-Gedanken folgend - dem Missbrauch ein möglichst wirksamer Riegel vorgeschoben werden.

Ausblick

Für 2008 und die mittelfristige Zukunft ist der Chemiehandel trotz einer weiterhin stabilen Binnenkonjunktur nur bedingt optimistisch. Zum einen belastet die Branche die Sorge um die Entwicklung an den internationalen Rohstoff- und Finanzmärkten. Zum anderen werden sich 2008 die Logistikkosten weiter erhöhen und erstmals in nennenswertem Umfang Kosten für die Umsetzung der Reach-Verordnung anfallen.