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Chemiekonjunktur – Deutsche Chemieindustrie verfehlt Wachstumsziele

08.12.2014 -

Die deutsche Chemie hat erneut ein wechselhaftes Jahr erlebt. Nachdem im Vorjahr die Trendwende geschafft war und die Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute eine gesamtwirtschaftliche Erholung in Deutschland und Europa ankündigten, war die Branche mit viel Optimismus und Rückenwind ins Jahr 2014 gestartet.

Schon damals warnte der VCI vor Euphorie und prognostizierte, dass das Branchenwachstum kaum höher ausfallen werde als im Vorjahr. Geopolitische Risiken, eine fragile Erholung in Europa und strukturelle Probleme in den Schwellenländern dämpften damals die Erwartungen. Und tatsächlich gab es im diesem Jahr einen erneuten Konjunkturrückschlag: Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft kippte, zumal wegen des Ukraine-Konflikts die Verunsicherung zunahm. Im zweiten Quartal drosselten viele industrielle Kunden der Chemie in Deutschland und Europa die Produktion. In der Folge bleiben zahlreiche Aufträge für die Branche aus. Der Tiefpunkt war im August erreicht, als viele Unternehmen ihre Werksferien ungewöhnlich stark ausweiteten und daher kaum Chemikalien bestellten. Anschließend belebte sich das Geschäft zwar wieder leicht. Die Dynamik blieb aber gering (Grafik 1). Unter dem Strich hat die chemische Industrie in Deutschland ihre Jahresziele daher nicht ganz erreichen können.

Jahresbilanz 2014

Betrachtet man alle Monate in einer Gesamtbilanz, so kann die Branche mit dem Geschäftsjahr dennoch zufrieden sein. Bei steigender Nachfrage nach Chemieerzeugnissen im In- und Ausland konnte die Produktion um 1,5% ausgeweitet werden. Trotz rückläufiger Erzeugerpreise legte auch der Branchenumsatz um 1,5% auf insgesamt 193,6 Mrd. EUR zu (Grafik 2). Angesichts des schwierigen weltwirtschaftlichen Umfeldes ist die Branche mit dem bescheidenen Wachstum zufrieden. Die Geschäftslage wurde von den Unternehmen überwiegend positiv eingeschätzt. Das zeigte sich auch in weiteren Kennzahlen: Die Beschäftigung stieg um 1% auf 442.500 Mitarbeiter. Die Investitionen legten um 2% auf 7 Mrd. EUR zu und das Forschungsbudget wurden um rund 5% auf 10,5 Mrd. EUR ausgedehnt. Damit hat die Branche den Grundstein für zukünftiges Wachstum gelegt.

Basischemie unter Druck

Im zurückliegenden Jahr zeigten sich die Wachstumsunterschiede zwischen den Sparten noch deutlicher als in der Vergangenheit: Die Grundstoffchemie musste bei nur langsam steigender Nachfrage - angesichts unausgelasteter Produktionskapazitäten in Südeuropa und einem sich verschärfenden Wettbewerbsnachteil gegenüber amerikanischen oder arabischen Produzenten - ihre Produktion sogar leicht drosseln. Die Herstellung von Petrochemikalien und Polymeren ist um 2,5% gesunken. Noch schlechter entwickelte sich das Geschäft mit anorganischen Grundstoffen: Die Produktion von Industriegasen, Düngemitteln und anderen anorganischen Grundstoffen sank um 4,5%.

Im Gegensatz dazu belebten sich die Geschäfte mit Fein- und Spezialchemikalien im Jahresverlauf. Im Vergleich zu 2013 ergab sich für dieses Segment ein Produktionsplus von 4%. Bei den konsumnahen Chemikalien wurde das Produktionsniveau des Vorjahres um 1,5% übertroffen. Auch das Pharmageschäft entwickelte sich im Jahresverlauf gut. Die Produktion stieg insgesamt um 5,5% (Grafik 3).

Inlandsumsatz im Plus

In diesem Jahr kamen die wesentlichen Impulse für die deutsche Chemie aus dem Inlandsgeschäft. Die industriellen Kunden haben hierzulande ihre Produktion ausgeweitet und mehr Chemikalien bestellt. Der Inlandsumsatz der Branche stieg im Gesamtjahr 2014 um 2% auf 77,8 Mrd. EUR. Demgegenüber erhöhte sich der Auslandsumsatz nur um 1% auf 115,8 Mrd. EUR. Wegen der Erholung der europäischen Wirtschaft konnte das Geschäft mit den europäischen Staaten leicht zulegen (+1,0%). Auch der Umsatz mit den osteuropäischen Ländern entwickelte sich positiv (+2,0%). Die direkten Auswirkungen des Russland-Ukraine-Konflikts auf die deutsche Chemie halten sich bis dato in Grenzen. Zwar sind die Chemie- und Pharmaexporte 2014 in die Region stark rückläufig (Russland: -6%, Ukraine: -2 %). Insgesamt stehen diese beiden Länder aber nur für rund 4% der deutschen Chemieexporte.

Der Auslandsumsatz mit den NAFTA-Staaten konnte kräftig ausgeweitet werden (+5,5%). Insbesondere das Geschäft mit Pharmazeutika lieferte hier positive Impulse. Deutlich im Minus war hingegen der Auslandsumsatz mit Lateinamerika (-6,5%) und Asien (-1,5%). Die Schwellenländer sind als Wachstumsmotor für die deutsche Chemiekonjunktur ausgefallen. Ihr Wachstum enttäuschte auf allen Kontinenten.

Lichtblick: Niedrige Ölpreise

Rückläufige Ölpreise senkten zum Jahresende die Rohstoffkosten der Chemieindustrie. Allerdings trat dieser Effekt erst zeitverzögert ein, weil viele Unternehmen die Rohstoffe nicht am Spotmarkt, sondern über längerfristige Kontrakte einkaufen. Das Kostensenkungspotenzial ist beachtlich. Naphtha, der wichtigste Rohstoff der Branche, kostete im November knapp 30% weniger als noch im Juni. Allerdings zwingt der intensive Wettbewerb die Unternehmen die Kostensenkungen zeitnah an die Kunden weiterzugeben. Beispielsweise kosteten wichtige Primärchemikalien wie Ethylen, Propylen oder Benzol im November rund 10% weniger als zwei Monate zuvor. Dadurch kommen mittlerweile auch die nachgelagerten Wertschöpfungsstufen in den Genuss sinkender Rohstoffkosten. Gleichzeitig mindern die niedrigeren Naphthapreise den Wettbewerbsnachteil der deutschen Basischemie gegenüber den gasbasierten Chemieanlagen im Nahen Osten und den USA ab.

Ausblick: Es geht nur langsam aufwärts

Die Stimmung der Branche ist derzeit von einem vorsichtigen Optimismus geprägt. Die Mehrheit der Chemieunternehmen rechnet in den kommenden Monaten zwar nicht mit einer raschen und dynamischen Belebung. Allerdings haben die Vorjahre gezeigt, dass die Branche auch bei moderatem Wachstum gute Geschäfte machen kann. Die Konjunkturprognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute nähren die Zuversicht, dass auch 2015 das deutsche Chemiegeschäft moderat wachsen kann: Die wirtschaftliche Stabilisierung der Eurozone schreitet - wenn auch zögerlich - voran. Die übrigen EU-Länder konnten ebenfalls zulegen - besonders Großbritannien. Damit zieht insgesamt auf unserem Heimatmarkt Europa die Nachfrage an. Der Auslandsumsatz der deutschen Chemieunternehmen mit Kunden in Europa legte bereits im zweiten Halbjahr 2014 wieder zu. Dieser Trend dürfte sich im kommenden Jahr fortsetzen. Auch von den Auslandsmärkten außerhalb Europas kommen positive Signale. Die US-Wirtschaft erweist sich als robust und das Asiengeschäft dürfte sich wieder beleben (Grafik 4).

Auch 2014 konnte die Branche auf das starke Industrienetzwerk und ihre Exporterfolge in der Welt vertrauen. Das sieht der VCI auch für das nächste Jahr so: Er geht davon aus, dass die Industrieproduktion im kommenden Jahr wieder ausgeweitet werden kann. Dadurch steigt die inländische Nachfrage nach Chemikalien. Angesichts dieser Entwicklungen erwartet der VCI einen Zuwachs der Chemieproduktion von 1,5%. Die Erzeugerpreise dürften leicht sinken (-0,5%). Der Branchenumsatz sollte so um 1,5% auf 196,5 Mrd. EUR steigen. Der Inlandsumsatz (+1,0%) wächst dabei schwächer als das Auslandsgeschäft (+1,5%).

 

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